Trügerische Ruhe in Blankenheim

Die „Eiserne Zeit“ wird der 30-Jährige Krieg zwischen 1618 und 1648 genannt. Auch in der Eifel war es eine Zeit der Plünderungen, Brandschatzungen, auch der Pestwellen und der Hexenverfolgungen. Was geschah zum Beispiel in Blankenheim, Sitz einer der großen Grafendynastien der vergangenen Jahrhunderte?

Blick auf den Hirtenturm in der Altstadt von Blankenheim.

In der schönen Altstadt von Blankenheim sind heute nur auf den zweiten Blick noch Bauwerke oder wenigstens Mauerreste aus der Zeit des 30-jährigen Krieges erhalten. Das hat nichts mit Zerstörungen der noch erkennbaren damaligen engen Bebauung der Gassen zwischen Burg, Hirten- und Georgstor zwischen 1618 und 1648 zu tun. Ursächlich waren Brände, unter anderem gegen Ende des 17. Jahrhunderts und später. Doch im 30-Jährigen Krieg blieb Blankenheim davon verschont.

Ein Grund sei vermutlich die „geschickte Schaukelpolitik der Grafen von Blankenheim durch Heirat mit den anderen Herrschaftshäusern der Eifel“, gewesen, vermutet Wolfgang Doppelfeld, der sich schon lange mit der Geschichte seines Heimatortes beschäftigt. Zudem war Blankenheim seit 1488  „reichsunmittelbar“, also nur dem Kaiser unterstellt. Das führte regional zu machtpolitischer Unabhängigkeit.

Nach den Herren von Nürburg und Are (Sitz war auf der gleichnamigen Burg im heutigen Altenahr und oberhalb des heutigen Nürburgrings), von Malberg bei Kyllburg, den Grafen von Virneburg taucht die Blankenheimer Adelsdynastie vor allem nach Einheirat in das ältere Geschlecht der Grafen von Manderscheid ab Mitte des 15. Jahrhunderts nachhaltig in den Stammbäumen der Eifeler Adelsdynastien auf.

Aus den vorhandenen Dokumenten und Archivalien der Grafen von Manderscheid-Blankenheim sind, soweit bisher bekannt, vor allem aber auch für die Zeit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts keine Belagerungen, Brandschatzungen oder kriegerische Auseinandersetzungen in Blankenheim belegt. Dazu passt, dass die Burg nie erobert wurde, „außer 1794 durch freiwilliges Verlassen“, so Wolfgang Doppelfeld. Die Grafen galten vielmehr als besonders gottesfürchtig und kunstsinnig.

Das alles muss man wissen, denn etwas macht stutzig.

Schaut man sich die über dem Städtchen thronende Burg, später zur Schlossanlage ausgebaut, genauer an, fällt ein markanter runder Geschützturm an der Unterburg auf. Vier Meter dick ist das Mauerwerk mit fünf rundbogigen Geschützöffnungen. Der Abwehrturm blickt direkt in Richtung des Ahrtales. Warum ließ Graf Arnold II. von Manderscheid-Blankenheim (1546-1614) zwischen 1605 und 1613 neben anderen Bollwerken auch diesen wuchtigen Turm mit dem erkennbaren Verteidigungszweck errichten?

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Der Wehrturm an der Unterburg. Die Sanierung wurde mit Mitteln der NRW-Stiftung finanziert.

Passt dazu, dass Arnold II. 1613 die „Junge Mannschafts-Companie“ gegründet hatte, eine Art früher Bürgerwehr und Vorläufer des heutigen Junggesellenvereins? Das Datum gilt als Gründungsdatum des Karnevalsvereins Blankenheim, der damit der älteste in Deutschland ist. Die beiden „Jecken Böhnchen“ im Karneval, historische Figuren, tragen Kostüme, die an die Uniformen der Wallenstein-Zeit erinnern.

Wolfgang Doppelfeld

Da sei vieles noch unklar, so Historiker Doppelfeld. Denn zeitgleich seien auch die Wehrgänge der Burg verstärkt worden. Er vermutet, „dass auch für Blankenheim in diesen Jahren eine Bedrohungslage bestand.“ Graf Johann Arnold (1605-1644)  hatte schließlich 1642 zudem ein Schutzgeld von den Bürgern Blankenheims erhoben und zusätzliche Wächter für die Burg verpflichtet.

Eine Gefahr für eine streng katholische Idylle, in der Johann Arnold als Neunjähriger bei Antritt seiner Amtszeit durch Maria Ursula von Leiningen zunächst als Vormund vertreten wurde? 1615 erließ sie eine bemerkenswerte „Hoff- und Haussordnungh zu Blankenheim“: Ein Regelverzeichnis, das den Alltag, alle Pflichten und Rechte im Grafensprengel strikt ordnete und strukturierte. 1628 heiratete Johann Arnold mit Antonia Elisabeth von Manderscheid-Gerolstein in eine mächtige andere Grafendynastie der Eifel ein.

Glückliches Blankenheim also mit Blick auf die Jahre 1618-1648? Eines spricht dafür: 1636 wurde eine Matthiasbruderschaft gegründet, die einmal im Jahr zum Grab des hl. Matthias in Trier pilgerte. Aus einem Dankgelöbnis heraus: Blankenheims Bürger blieben von den in ganz Mitteleuropa grassierenden Pestwellen dieser Jahre verschont.

Zu so viel Frömmigkeit passt anderes nicht. Denn auch in der Grafschaft Blankenheim standen zur Zeit des 30-Jährigen Krieges Hexenprozesse fast auf der Tagesordnung. Acht waren es noch 1592 und 1593. Doch schon 14 im Jahr 1614, 28 Prozesse 1627 und weitere 32 zwischen 1629-1633. Vom 9. August 1629 ist etwa im Landeshauptarchiv Koblenz ein Hinrichtungsurteil des Blankenheimer Gerichtes gegen Anna Schäfer aus Blankenheimerdorf erhalten. Sie wurde in der Regierungszeit von Johann Arnold von Manderscheid-Blankenheim der „Verbindung mit dem Teufel und  der  Zauberei“ beschuldigt. Die Strafe: Erdrosseln und anschließendes Verbrennen. Dr.  Johann Möden, die treibende Kraft so vieler Hexenverfolgungen auch in der Eifel, wird als anwesender „Rechtsgelehrter“ namentlich erwähnt.

Ebenfalls aus dieser Zeit dürfte ein im Koblenzer Archiv erhaltenes Bittschreiben des für die Grafen von  Gerolstein tätigen Scharfrichters Christoph von Bettingen stammen. Der Henker war auf Jobsuche. Er habe „vom Hörensagen davon Kenntnis erhalten, dass der Graf von Blankenheim schon bald einen Scharfrichter brauchen könnte.“ Also machte von Bettingen den praktischen Vorschlag, ihn mit „erblicher Anstellung“ am gräflichen Hof zu beschäftigen. Sozusagen unbefristet – man muss ja auch an die Kinder denken.

Die Spuren des 30-Jährigen Krieges in Blankenheim wirken insgesamt auf den ersten Blick mindestens lückenhaft. Das könnte  sich eines Tages ändern. 2013 wurde mit Mitteln des Fördervereins Eifelmuseum Blankenheim und des Tschechischen Nationalarchivs die Erschließung des Urkundenbestandes der Grafen von Sternberg-Manderscheid im Tschechischen Nationalmuseum finanziert. 60.000 Digitalisaten wurden von vorhandenen Mikrofilmen erstellt. Die Filmaufnahmen hatte vor vielen Jahren Karl Otermann, bekannter Eifel-Historiker, gemacht. Darunter auch viele Dokumente aus dem 17. Jahrhundert.

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Was steht in den 60.000 Digitalisaten über die gräfliche Herrschaft in Blankenheim auch zu den Zeiten des 30-Jährigen Krieges? Die Dokumente wurden bisher nicht ausgewertet.

Die Filmaufnahmen lagern in der Abtei Brauweiler. Die Kopien wurden grob in Ordnern auf einer Festplatte gespeichert und sind noch unerschlossen: Dynastische Verbindungen, Grund- und Lehensübertragungen, Rechnungsbücher, Rechtsgeschäfte, Belege zu Handel und Wandel des gräflichen Hauses. Das ist eine Arbeit für mehrere Doktoranden“, ist sich Wolfgang Doppelfeld sicher. „Danach wird man vermutlich die Geschichte der Grafen von Blankenheim mindestens in Teilen neu schreiben müssen.“

Bis es eines fernen Tages vielleicht so weit ist, bleibt der Seelenfrieden auch des Grafen Johann Arnold von Manderscheid-Blankenheim und seiner Gattin Antonia Elisabeth von Manderscheid-Gerolstein ungestört.  Für 9000 Euro hatte der Förderverein ein großes Doppelporträt des Grafenpaares von 1634 auf einer Auktion ersteigert. Weitere 14.000 Euro kostete die Restaurierung. Stolz blickt Blankenheims Adel in Öl auf Holz in prachtvollen Gewändern gemalt, im Gildehaus des Eifelmuseums die Besucher an. Was sie aus den Jahren zwischen 1614 und 1648 wissen, bleibt ihr Geheimnis.

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Graf Johann Arnold von Manderscheid-Blankenheim und Antonia Elisabeth von Manderscheid-Gerolstein auf dem Doppelporträt von 1634, das im Gildehaus zu sehen ist.

Der Flächenbrand
Teil 1: Der Schmied von Hillesheim
Teil 2: Trügerische Ruhe in Blankenheim
Teil 3: Der Richtplatz

Quellen: Trügerische Ruhe in Blankenheim
Harald Herzog: Burgen und Schlösser. Adelssitze im Kreis Euskirchen. Rheinland-Verlag, Pulheim, 1989
Johannes Becker: Geschichte der Pfarreien des Dekanates Blankenheim. Shaker Verlag, Aachen, Neuauflage 2005
DER SPIEGEL – Geschichte: Der Dreissigjährige Krieg, Nr.4, 2011
Landeshauptarchiv Koblenz

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