Stonehenge der Eifel

Und wieder zeigt die Eifel, was in ihr steckt:  Der „Goloring“ im Bereich des Koberner Waldes in der Osteifel ist die mit Abstand größte keltische Totenkult-Stätte der gesamten Großregion. Sie übertrifft die ähnliche berühmte Ringanlage Stonehenge in England bei Weitem. Doch der „Eifelhenge“ ist ungleich weniger bekannt.

Das unscheinbare Schild steht schief am Rand der L 52. Keine 100 Meter entfernt rauscht parallel der Verkehr auf der Autobahn 48. Doch hier am Waldrand wirkt es verlassen, versteckt. Der Hinweis zeigt auf das verschlossene Tor eines offenkundig in die Jahre gekommenen Doppelzauns mit Stacheldrahtkrone. „Goloring – keltisches Heiligtum“. Gesichert wie ein aufgegebenes militärisches Sperrgebiet. Wer sieht das beim Vorbeifahren überhaupt? Wer wüsste dass hier, im Bereich des Korbener Waldes, auf einem Höhenrücken kurz vor der Abdachung der Osteifel ins Rheintal, das einstige Zentrum eines Totenkultes zu finden ist?

Der „Goloring“ in der gezoomten Satellitenansicht. Bild: Google Maps

Hans-Toni Dickers schließt das Tor auf, dann muss er kräftig am Tor rütteln, bevor es quietschend und schwergängig aufschwingt. Das macht er nur zu einigen Führungen im Jahr (siehe INFO). Nun tut sich zwischen zwei alten barackenartigen Gebäuden im Hintergrund ein kreisrundes Areal auf, künstlich hergestellt. Außen ein aufgeworfener Erdwall, dahinter ein auf 1,20 bis 1,50 Meter erhöhtes Plateau mit rund 100 Metern Durchmesser. Fast genau in der Mitte ein Pfahl. Der „Goloring“.

Die wenigen Erklär-Tafeln in der ehemaligen Kantine der Standortverwaltung. Das kleine Team der Ehrenamtlichen um Hans-Toni Dickers hat schlicht nicht die Mittel, um eine attraktive Ausstellung einzurichten.

Dickers, Schatzmeister des Fördervereins zur Erhaltung der prähistorischen Kultanlage im Kuratorium für Heimatforschung und – pflege Kobern-Gondorf, bittet in eines der beiden gemauerten eingeschossigen Gebäude am Eingang zum Gelände. Er führt in eine einstige Kantine mit Ausgabe aus einer Küche: Ein paar Schautafeln hängen an der Wand. Sie sollen erklären, was der „Goloring“ ist und ihn so besonders macht (Zur mutmaßlichen Wortbedeutung siehe: Wer war Golo?).

Der Ring wurde bei der Planung der Autobahn entdeckt. Die Trasse führt an der Gemarkung mitten durch ein keltisches Gräberfeld.

Dafür muss man zurück ins Jahr 1938. Damals hatte die nationalsozialistische Reichsregierung den Bau der heutigen Autobahn von Koblenz nach Trier geplant. Bevor der Bau auch bei Wolken begann, war 1942 der Archäologe Dr. Josef Röder vom Landesmuseum Koblenz auf Anweisung der Regierung in der Gegend unterwegs. Er entdeckte bei ersten Ausgrabungen Überraschendes. Eine zentral auf einem kreisrunden Plateau gelegene Pfostengrube, darin die Standspur eines einst wohl acht bis zwölf Meter hohen Holzpfahls. Und dann Keramik-Funde, schließlich einen künstlichen äußeren Graben um das Plateau herum. Röder dokumentierte die Funde 1947 in den „Bonner Jahrbüchern für Archäologie“. Die Trasse der heutigen Autobahn A48 führt, wie man mittlerweile weiß, mitten durch das Gräberfeld oberhalb des „Golorings“ (siehe Befundplan).

Dass der frei gestellte Platz der Kultstätte, dem man sich heute etwa über den „Traumpfad Koberner Burgpfad“ bis zu einer Hinweistafel am Zaun nähen kann, über zwei Rundwege begehbar ist, ist seiner Nutzungsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg zu verdanken.

Unmittelbar nach Kriegsende baute das französische Militär hier ein Munitionsdepot, 1957 übernahm die Bundeswehr das Areal und richtete Mitte der 1960er Jahre eine Hunde-Quarantänestation ein. Wenig respektvoll ging man damals mit dem zentralen Plateau der alten Weihestätte um: Es wurden 48 Quadratmeter große Hundehütten gebaut. 1995 wurde der Standort aufgegeben, 2003 die Hütten abgerissen. Nur der umlaufende Doppelzaun und zwei Gebäude blieben stehen. In der einstigen kleinen Standortverwaltung befindet sich heute die kleine Informationsschau.

„Ähnlich große Ringanlagen gibt es in der ganzen Eifel nicht.“

„Die Gesamtanlage ist wirklich bemerkenswert“, sagt Dr. Cliff A. Jost von der Außenstelle Koblenz der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz. Der „Ring“ und Teile des Areals drum herum mit zahlreichen noch ungeöffneten – teilweise unberaubten – keltischen Hügelgräbern stehen seit 1967 unter Denkmalschutz.

Am „Goloring“ wurden die ältesten Funde auf die späte Bronzezeit um 1000 vor Christus datiert. Massiv vermutlich als Totenkultstätte genutzt wurde die Anlage nach Josts Angaben um 700 bis 500 vor Christus. Es wurden auch Funde aus römischer Zeit ab 200 bis rund 400 entdeckt. Eine kultische Weiternutzung des „Rings“ nach der Zeitenwende hält der Archäologe allerdings für unwahrscheinlich.

„Mit Stonehenge können Sie das durchaus vergleichen“, ist er überzeugt. Er kenne nach seinem Wissensstand keine „ähnlich große Anlage aus dieser Zeit“ in der gesamten Eifel. Jost muss es wissen:  Er hat über die Zeit der Kelten in der Eifel promoviert.

Im Vergleich mit der berühmten Kultstätte bei Salisbury gibt es bemerkenswerte  Gemeinsamkeiten: Die kreisförmigen Ringwälle, ein Durchlass im Ring nach Nordosten, wohl der Zugang zur zentralen Kultstätte in der Platzmitte. Eine zweite Öffnung des „Golorings“ im Südwesten ist durch Bodenerosion entstanden, so Hans-Toni Dickers: Sie ist an der tiefsten Stelle der Anlage, die zum Rheintal und den Westerwald ausgerichtet ist.

Der Befundplan mit keltischen Hügelgräbern und dem „Goloring“ direkt an der A 48. Karte: Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz.

Zwischen Stonehenge und dem „Goloring“ gibt es aber auch Unterschiede. Der augenscheinlichste: Wo man bei der englischen Henge-Anlage Menhire verwendete, weil sie als Baumaterial verfügbar waren, nutzten die Menschen der Hallstatt- und der Latène-Zeit in der Osteifel für den Bau ihres „Eifelhenge“ das Erdreich zum Bau des Walls. In der Eifel wurde zudem eine vermutlich zu rituellen Zwecken genutzte künstliche Wasserstelle unweit des nordöstlichen Zugangs zum Plateau entdeckt.

Und: Stonehenge ist rund 2000 Jahre älter als das Pendant bei Wolken. Dafür allerdings ist der „Goloring“ mit 198 Metern Durchmesser bis zum äußeren Wall mehr als dreimal so groß.

Für den Bimssteinabbau wurden reihenweise keltische Grabanlagen zerstört.

Die Befundlage aufgrund mehrfacher weiterer Grabungen, so 2003 und 2005 bis 2010, machte die Vermutung jedenfalls zur Gewissheit, dass sich auf diesem Höhenrücken der Osteifel einst ein bedeutendes religiöses Zentrum keltischen Lebens befunden hat. Fortifikationsanlagen für eine Befestigung wurden nicht entdeckt. Dafür bis zu 60 Meter große keltische Gräber mit Goldfibeln und anderem mehr als Grabbeigaben bei den Bauarbeiten für ein Gewerbegebiet in der Nähe: Die letzte Ruhestätte eines Mitglieds der keltischen Elite.

Hans-Toni Dickers.

Grabhügel aus keltischer Zeit und römische Gräberfelder in dichter Reihung wie auf einem Friedhof sind auch jenseits der A 48, nahe dem Parkplatz „Goloring“, nachgewiesen worden. Im Umkreis ist die Befundlage ähnlich – gewesen: Für den Bimssteinabbau wurden Grabanlagen gleich Dutzendfach zerstört, nur zwei sind erhalten.

Um vielleicht noch Schlimmeres zu verhindern, kaufte der Landkreis Mayen-Koblenz 2004 von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben das 18 Hektar große Gelände des „Golorings“  für rund 90.000 Euro. Finanziert wurde der Kauf von der Stiftung Zukunft der Sparkasse Koblenz.

Vier Jahre später gründete sich der Förderverein Goloring, dessen Schatzmeister der 75-jährige Hans-Toni Dickers aus Kobern ist.  Er und seine wenigen ehrenamtlich tätigen Kollegen – meistens ältere Herren – bekommen vom Landkreis Geld für die Instandhaltung des Geländes: Baumbeschnitt, Fällungen, Fahrten auf dem Aufsitzmäher vier Mal im Jahr.

Kein Haufen aus Erde, Laub und Geäst: Eines der vielen keltischen Hügelgräber rund um den „Goloring“, hier direkt am Eingang zum Ring-Gelände.

Ob der Landkreis auch die Kosten für eine mögliche Renovierung des Gebäudes mit dem Schautafel-Raum übernehmen wird? Hans-Toni Dickers weiß davon noch nichts. Aber sonst? „Gibt es keine aktuellen Pläne. Das Gelände soll, unter anderem für archäologische Untersuchungen, weiterhin gesichert werden“, so Ingo Auer von der Kreisverwaltung.

Für die Archäologen eigentlich ein glücklicher Umstand, bei aller Bescheidenheit der Ziele. Denn eine offensive touristische Vermarktung des Areals wäre nicht unproblematisch. Cliff A. Jost in Koblenz meint nur: „Wir können den Förderverein fachlich bei seiner Arbeit unterstützen. Für mehr haben wir nicht das Geld und das Personal“. Aber: „Der Goloring und die Umgebung werden künftigen Archäologen noch manche Überraschung bieten.“ Etwa im Umkreis an einer kleineren noch älteren Vorgängeranlage, die bisher noch nicht näher erforscht ist.

Knappe Erläuterungen zum Thema: Der Schaukasten am Eingangstor zum Gelände.

So bleibt der „Goloring“ vermutlich das, was er seit der Entdeckung durch Josef Röder ist: Ein Geheimnis, von dem fast nur die an Archäologie und Vorgeschichte Interessierten wissen.

Ob es sich beim zentralen Pfahl etwa um um eine astronomische Sonnenuhr gehandelt hat? „Zweimal im Jahr, im Mai und im Sommer, kann man von der Mitte des Plateaus die Sonne direkt über dem Kamelenberg untergehen sehen“, so Hans-Toni Dickers. Es gibt Mutmaßungen über eine Ausrichtung der gesamten Anlage nach dem Stand der Sterne und des Mondes. Bewiesen ist das alles nicht.

Die rund 3000 Jahre alte Grube für den senkrechten Baumstamm auf dem Plateau des „Golorings“ jedenfalls kommt Hans-Toni Dickers bekannt vor: „So hat man früher auf dem Dorf das Loch für den Maibaum gebuddelt.“ Tanz in den Mai – die Kelten laden ein!

INFO
Führungen über den „Goloring“ buchbar über: www.koberngondorf.de/goloring.html

Wer war „Golo“?
Vermutlich bezieht sich der Name auf die spätmittelalterliche „Genoveva-Sage“. Für die regionale Tradition der Pellenz wird von Heimatforschern angeführt, dass in dieser Landschaft eine Reihe von Örtlichkeiten zu Namen und Inhalten der Genoveva-Legende passen – vorrangig Fraukirch bei Thür als wichtiger Angelpunkt der Sage seit 400 Jahren, aber auch die Genovevahöhle im Hochstein bei Ettringen, die Genovevaburg in Mayen mit Goloturm und das Golokreuz bei Thür. Zahlreiche Straßen der Orte der Region tragen Namen aus der Sage. Da diese Benennungen sicher alle dem 19. oder 20. Jahrhundert entstammen, drücken sie jedoch mehr eine auch noch heute in der Bevölkerung erkennbare Verbundenheit aus als einen Beweiswert. Auch die Genovevahöhle bei Butzweiler führt ihren Namen erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist der so genannte Goloring bei Wolken. Dabei handelt es sich um den angeblichen Platz der Vierteilung des Ritters Golo.
Quelle: Wikipedia