Die Eifel und der Mond

Zum Neuen Jahr denkt Eifelschreiber an ein kommendes Jubiläum. Denn am 21. Juli 1969, also vor  50 Jahren, betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond. Er kletterte die Außenleiter der Mondlandefähre hinunter und sprach ein paar legendäre Worte. Dabei musste es gar nicht der Mond sein, der damals 12-Jährige aus der Eifel beeindrucken konnte.

Wir waren an der niederländischen Küste in den Sommerferien und es waren die Nachbarn, ein Ferienhaus weiter. In unserem gab es keinen Fernseher, dort schon. Wir wurden eingeladen zum Unglaublichen in Schwarz-Weiß und wir Kinder durften deshalb länger „aufbleiben“. Denn in dieser Nacht, von Sonntag dem 20. auf Montag den 21. Juli 1969 sollte der erste Mensch den Mond betreten. Nicht pünktlich nach dem Abendessen, sondern irgendwann später. Vor demnächst 50 Jahren.

Die mittlere Entfernung der Erde zum Mond beträgt 384.401 Kilometer. Es war vom Fernseher in der Ferienwohnung an der Nordseeküste also unglaublich weit weg. Das war klar. Vor allem unglaublich.

Neil Armstrong (von links), Michael Collins, Buzz Aldrin. Foto: NASA

Es waren Drei, die von Cape Canaveral, heute Teil des Kennedy Space Centers,  mit der Apollo 11-Mission starteten. Schließlich, abgekoppelt in der Mondlandefähre „Eagle“, machten sich Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf den Weg zum vorgesehenen Landepunkt im „Meer der Ruhe“Michael Collins steuerte die Rückholeinheit. Er blieb in der Mondumlaufbahn und zog seine Kreise.

Die Bilder waren verwackelt, an die Übersetzung aus dem Amerikanischen kann ich mich nicht mehr erinnern. Vielleicht fiel sie auch einfach aus. Das hätte man dem Dolmetscher nachgesehen.

Es war also 3.56 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) am 21. Juli 1969. Dunkel habe ich noch den Ausstieg Armstrongs über die Leiter der „Eagle“ auf den Mondboden vor Augen. Ich glaube, ich konnte damals so gerade den Raumanzug mit dem Sauerstofftank auf dem Rücken, Beine und Füße in den klobigen „Moonboots“ erkennen. Die Kamera an der Außenseite der Landefähre zeigte ja nicht mehr. Es ging auch viel zu schnell, von Bildstörungen unterbrochen.

Zuerst war da ein Funkdialog zwischen Armstrong und dem Control-Center in Houston. Houston stellte fest, dass die Außenposition der Kamera in Ordnung sei, man könne ihn da oben gut sehen. Armstrong beschrieb, was er gerade tat: wie er die Leiter hinabstieg – „I stepped out the ladder“ -, wie die Bodenbeschaffenheit der Mondoberfläche sei – „Fine, like Powder“. Und dann, doch das hörte man während der Liveübertragung nicht, denn der Funkverkehr „Eagle“-Houston wurde in diesen Sekunden nur von einem australischen Observatorium aufgezeichnet: „That’s one small step for a man, one giant leap for mankind!“ Hier die Szene auf Youtube: https://youtu.be/CtwSgvstl8c. Er hätte auch nur sagen können „klasse Aussicht hier“ oder „Uuups!“ War völlig egal.

„That’s one small step for a man, one giant leap for mankind!“ Neil Armstrong beim Ausstieg aus der Landefähre „Eagle“, kurz bevor er den Mondboden betritt. Screenshot: Youtube-Video/Smthsonian National Air and Space Museum (Link: siehe Text).

Jesco von Puttkamer, damals bei der NASA mitverantwortlich für das Apollo-Programm, meinte später, die „Eagle“ habe nur noch Treibstoff für weitere 20 Sekunden gehabt. 20 Sekunden, um über einen Abbruch der Landung zu entscheiden, und den Rückflug zu starten. Denn der zuvor berechnete Landepunkt hatte sich als zu uneben erwiesen und der „Adler“ musste weiter fliegen. 21 Sekunden später wären die Zwei also für immer und ewig „oben“ geblieben und Collins alleine zur Erde zurückgekehrt. Vielleicht.

Die Rechnerkapazität der „Eagle“, so Putkamer, habe der eines frühen Handys entsprochen. Das  „Handy“ hatte rund sieben Stunden vorher, am 20. Juli um 20:17 MEZ, via Houston die Worte übermittelt: „The Eagle has landed“. Also ließ US-Präsident Nixon die vorbreitete  Videobotschaft an die Nation und den Erdkreis in der Schublade. Das Apollo-Programm, von Kennedy so großspurig angekündigt, gehe auf jeden Fall weiter. Das hatte er vom Blatt abgelesen und aufzeichnen lassen. Menschenleben spielen keine Rolle, hieß das. Für alle Fälle.

Pilot Michael Collins wurde
der „vergessene Astronaut“,
wie DIE WELT später schrieb.

Das wusste ich damals alles nicht und ich hätte es auch nicht verstanden. Anders ist es mir danach mit Michael Collins gegangen. Ihn habe ich seltsamerweise besonders bewundert. Vielleicht weil sich ein Kinderhirn eher in die Rolle eines Piloten versetzen kann, als in die eines Menschen auf dem Mond. Das war bis dahin ja nur „Peterchen“ auf seiner „Mondfahrt“ im Märchen gelungen.

Doch Collins war irgendwie ab 3:56 MEZ an diesem 21.7.1969 völlig unverdienterweise neben Armstrong, auf Platz 2 Aldrin, nur noch eine Art Beipack. Sozusagen „Bronze“. Die Weltsensation jenseits dieser Welt hatte ihre eigene Hierarchie geschaffen.

Was vom „Apollo-Programm“ neben dem schnurlosen Tischstaubsauger und unbequemen Winterschuhen im ganz normalen Alltag übrig blieb? Als Kind sah man den Mond nun irritiert mit anderen Augen an: Meere, Gebirge, Täler, Schluchten und Gestein, wo man früher nur ein „Gesicht“ erkannte. Der Mond war einem trotz unveränderten 384.401 Kilometern Entfernung von der Erde  näher gerückt. Auch wenn man schon vor dem 21.7.1969 bei Vollmond schlecht geschlafen hatte.

Dass das Wettrennen um den ersten menschlichen Fußabdruck da oben auch das dauerhafteste Symbol des irdischen Kalten Krieges bleibt, ist ja das Eine. Aber die Bilder der aufgehenden Erde hinter dem Mond, aufgenommen von Frank Borman bei der Apollo 8-Mission am 24. Dezember 1968, sind für die Ewigkeit gemacht.

„Earth Rise“: Die ersten Aufnahmen, die Frank Borman bei der Mondumrundung aus der Apollo 8-Kapsel von der aufgehenden Erde machte, waren Schwarz-Weiss und in dieser Perspektive.. Berühmt wurden die um 90 Grad gedrehten querformatigen Farbaufnahmen, die wenig später entstanden.

Vor kurzem war ich im „Vulkankrater“ auf dem Arensberg (Arnulphusberg), hier, in der beschaulichen Eifel. Um zum Eigentlichen zu kommen. Das wäre für den Zwölfjährigen damals – für heutige Zwölfjährige wohl weniger – vielleicht genauso beeindruckend gewesen. Es ist schließlich auch ein eher unwirklicher Ort.  Im Krater wachsen zum Beispiel Wilderdbeeren. Und mitten drin ist ein Labyrinth aus Gesteinsbrocken gelegt. Normal ist das nicht.