„Ein in Stein gebautes Märchen“

Dr. Karl Graf von und zu Eltz ist in der 33. Generation Besitzer einer der schönsten Burgen Deutschlands: Burg Eltz ist für viele Besucher ein wahr gewordenes Märchenschloss in der Eifel. Graf Eltz sieht das etwas nüchterner, aber nicht immer…

Graf Eltz, was bedeutet eigentlich Ihr Rufname „Faust von Stromberg“?
Graf Eltz: Mein Urahn Anselm Kasimir heiratete 1730 Freiin Faust von Stromberg, die letzte ihres Namens, und übernahm auf Wunsch ihren Namen für sich und seine Nachkommen.

In 33. Generation führen Sie Burg Eltz, Ihre Familie bewohnt vermutlich seit 1157 die Burg. Sie leben aber in Frankfurt am Main. Wie oft im Jahr übernachten Sie tatsächlich auf ihrem Familiensitz?
Vielleicht ein Dutzend Mal. Normalerweise fahren meine Frau und ich von Frankfurt in der Früh hin und am Nachmittag zurück.

Wie viele Räume hat die Burg eigentlich?
Selber habe ich sie noch nicht gezählt, aber ich weiß von insgesamt rund 100 Zimmern, Kammern und Kellerräumen.

Rund 250.000 Besucher kommen pro Jahr in die Burg. Ohne Folgen kann das für das empfindliche alte Inventar und die Mauern nicht bleiben. Was macht Ihnen die größten Sorgen?
Am meisten leiden die Malereien an den Wänden und auf dem Brautbett unter den unvermeidlichen Schwankungen bei Temperatur und Feuchtigkeit. Sie mussten in den vergangenen Jahren – nach nur 35 Jahren – erneut gesichert und restauriert werden. Empfindlich reagieren auch die Textilien.

Kachelofen, Erker, ausgemalte Gewölbezwickel: Blick in den Fahnensaal auf Burg Eltz. Foto: slomifoto

Zuletzt vor zehn Jahren machte Burg Eltz Schlagzeilen – als Großbaustelle: Unter anderem alle Schieferdächer wurden ausgebessert oder sogar erneuert. Bei bis zu 60 Grad Dachneigung eine Aufgabe für Spezialisten. Dabei stellte sich heraus, dass bei der letzten Sanierung 1920 statt handgeschmiedeter Nägel nur industriell hergestellte verwendet wurden. Und die waren alle durchgerostet. Fragt man sich da nicht: Was soll der ganze Aufwand?
Nun ja, die alten handgeschmiedeten Nägel waren praktisch für die Ewigkeit gemacht, hielten Jahrhunderte, und damit auch der Schiefer, den sie festhielten.  Als vor 100 Jahren neu gedeckt wurde, glaubten alle Experten an die Überlegenheit der modernen Materialien und verachteten zutiefst „altes Eisen“, jahrhundertlange Erfahrung und Praxis. Dieser auch heute noch nicht ganz überwundene naive Fortschrittsglaube hat sich bitter gerächt. Mit dieser Erfahrung haben wir das Beste an den Dächern verbaut, was es gibt: Nägel aus V2A- und V4A Stahl. Sie werden, wie seinerzeit die heute leider unbezahlbaren handgeschmiedeten Nägel, den Katzenberger Schiefer für Jahrhunderte sicher halten. Dieser Aufwand macht Sinn.

Das mittelalterliche Schlafgemach: Die Farben an den Wänden, am Bett, auch die Textilien leiden am meisten unter Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen, die bei rund 250.000 Burgbesuchern pro Jahr unvermeidlich sind. Foto: slomifoto

Eine solche Burg ist vermutlich wie eine gotische Kathedrale eine ewige Baustelle.  Worauf kommt es bei Restaurierungen eher an: möglichst originalgetreu, oder möglichst stabil und dauerhaft?
Wenn das gesicherte Wissen der Bauzeit richtig eingesetzt wird, dann gibt es in der Regel keinen unüberwindbaren Konflikt zwischen Original und Denkmal gerecht, sowie stabil und dauerhaft. Anker zur Stabilisierung gab es in Kathedralen und auch Burgen schon von Anfang an. Der historische Stahl bewies eine bewundernswerte Festigkeit und Lebensdauer, wird aber so nicht mehr hergestellt. Daher nahmen wir, wie damals, das Beste, das es gibt, und das ist heute ein korrosionssicherer und hochfester Edelstahl: Er ist stabil, dauerhaft und dem Original nahe, aber qualitativ noch besser.

Was steht als nächstes an?
Gerade haben wir das Kapellendach neu gedeckt, ein nostalgischer Moment, denn es war das letzte Mal, dass ein Dach mit den berühmten Katzenberger Schiefer gedeckt werden konnte. Leider hat die Grube ihre Arbeit eingestellt. Noch in Arbeit befindet sich die Sanierung einer Mauer am Rande der Unterschänke. Danach haben wir nach zwölf Jahren Sanierung mit den Bauarbeiten eine Pause eingelegt, nicht nur, aber auch wegen Corona.

Das Ankleidezimmer mit seinen reichhaltigen Ausmalungen. Foto: Rosner, Bad Godesberg

Wie fühlt man sich als Herr einer der schönsten Burgen Deutschlands, die viele in eine Reihe mit Neuschwanstein stellen – nur ist hier das Meiste ja tatsächliches Mittelalter und nicht nachgebaut?
Ganz persönlich bin ich froh und dankbar, dass meine Vorfahren an einer so besonderen Stelle so schön gebaut haben, und dass die Burg mit Glück und Gottes Segen alle Kriege und Jahrhunderte unversehrt und weitgehend historisch überstanden hat. Diesen Zustand gilt es nicht nur zu halten, sondern ständig zu verbessern. Dank unserer zahlreichen Gäste und der Hilfe der öffentlichen Hände gelang das bisher auch recht gut.

Welche Verpflichtung ergibt sich aus dem Erbe?
Das Selbstverständnis des jeweiligen Burgherrn ist es, alle verfügbaren Kräfte und Mittel einzusetzen, damit er die Burg in einem besseren Zustand, als er sie übernommen hat, an die nächste Generation weiterreichen kann. Wir jeweils zuständigen Eltzer, das galt in den Generationen vor uns, das galt für mich und das gilt auch für meinen Sohn, der nunmehr „in charge“ ist, verstehen uns als Sachwalter für unsere Familie, nicht als Herren oder gar Eigentümer der Burg Eltz. Immerhin verzichten ja traditionell die weichenden Erben auf ihre Ansprüche auf Burg Eltz, um deren Unversehrtheit zu gewährleisten.

„Die Burg war schon im Mittelalter, wo es noch keinen Hotels gab, ein „offenes Haus“ für Jedermann, der sich in friedlicher Absicht näherte.“

Soll die Burg auch zukünftig für die Öffentlichkeit zugänglich sein?
Unbedingt, wir haben hier jahrhundertelange gute Tradition: Die Burg war schon im Mittelalter, wo es noch keinen Hotels gab, ein „offenes Haus“ für Jedermann, der sich in friedlicher Absicht näherte, freilich auch schon damals nicht umsonst. Gegen 1820 haben es die Engländer entdeckt, dann wurde es zu einem Sehnsuchtsort auch der deutschen Romantik, seit 1945 werden wesentliche Teile als Familienmuseum gezeigt. So soll es bleiben.

Dr. Karl Graf von und zu Eltz. Foto: Slomifoto

Andere „Burgherren“, vielleicht auch ohne Adel, vermieten ihre Gemäuer für Events oder richten dort einen Hotelbetrieb ein. Wäre das keine lohnendere Alternative?
Burg Eltz ist wegen ihrer logistischen Limitierungen und der räumlichen Enge nicht für Events oder gar einen Hotelbetrieb geeignet. Wir konzentrieren uns auf unseren USP, auf das, worin wir besonders gut sind: Die original erhaltene und eingerichtete mittelalterliche Ritterburg, zumal die einzige, die ihre neuen Wohntürme den drei Familienzweigen verdankt, die über Jahrhunderte gleichzeitig hier gewohnt haben ­– und die auch nach fast 900 Jahren immer noch in der Hand derselben Familie ist, die sie erbaut und über die Jahrhunderte bewohnt hat.

„Die Sage um die unglückliche Agnes ist die anrührendste.“

Wenn Sie durch die Gemäuer wandeln: An welchen Stellen spüren Sie besonders das „Mittelaltergefühl“?
Dieses „Mittelaltergefühl“ vermittelt die Burg schon von außen, mit der Burganlage inmitten unberührter Natur, dann sehr intensiv im gotisch geprägten Innenhof, und während der gesamten Führung, nur unterbrochen durch das mit barocken Möbeln eingerichtete Kurfürstenzimmer.

Unter den vermutlich vielen Sagen, die sich rund um die Burg ranken, welche ist die schönste?
Die Sage um die unglückliche Agnes, die versehentlich durch ihren Verehrer auf Burg Eltz getötet wird, ist die bekannteste und anrührendste.

Wie oft haben Sie sich schon in der Burg verlaufen?
Als Kind öfters, danach nicht mehr, dafür aber einmal später im Wald bei Nacht.

Welcher ist denn Ihr Lieblingsraum?
Besonders mag ich den Fahnensaal bei Morgenlicht und den Rübenacher Untersaal bei Abendlicht.

Gibt es noch ein Burgverlies?
Es gibt noch alte Flaschengewölbe, die vielleicht einmal als Verliese gedient haben können, dies aber ganz sicher nicht mehr seit der Eltzer Fehde 1331-34. Ob und welche Räume in der Folge als Gefängnis gedient haben, ist nicht überliefert.

Der Untersaal im Haus Rübenach mit seiner Jahrhunderte alten Eichenbalkendecke. Foto: slomifoto

Und wie oft beschleicht sie der Gedanke: Hätte ich nur nicht die ganzen alten Steine zu verwalten?
Burg Eltz schafft es, mich durch ihre schiere Schönheit immer wieder zu begeistern, zu motivieren, und sich irgendwie für unsere Arbeit, unseren Einsatz zu bedanken. Gefühle des Überdrusses an all diesen alten Steinen habe ich nie, die der Erschöpfung oder Ernüchterung zum Glück nur selten.

Sieht das die 34. gräfliche Generation, Ihre Kinder, eigentlich auch so?
Meine Sohn Johann Jakob, der/die 34. Generation, die ja inzwischen „in charge“ ist, sieht das genauso. Natürlich hat er noch nicht genauso viele Jahre und Erfahrungen wie wir mit der Burg. Aber das wird noch kommen. Auch meine weiteren drei Kinder unterstützen Jakob in dieser Aufgabe, so wie es meine acht Geschwister mit mir taten und tun.

Das legendäre Gespenst von Burg Eltz gibt es aber doch?
Vielleicht, vielleicht auch nicht; ich habe es noch nicht gesehen, aber ich bin auch kein Medium.

Burg Eltz von der Nordseite. Foto: D. Ritzenhofen, Münstermaifeld

Titelbild: Burg Eltz von der Westseite gesehen: „Ein in Stein gebautes Märchen“, sagt Dr. Karl Graf von und zu Eltz selbst über diesen Anblick seines Familienbesitzes. Foto: D. Ritzenhofen, Münstermaifeld

Fast 900 Jahre in Familienbesitz
Selten gibt Dr. Karl Graf zu Eltz ein Interview. Für Eifelschreiber und das Magazin „Vulkaneifel Heimat hautnah“ hat er es jetzt doch getan. Allerdings nur schriftlich, denn die Burg war bis Mitte Mai wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Ein Foto-Termin mit Graf Eltz auf der Burg fiel deshalb aus.

Als „in Stein gebautes Märchen“ beschreibt Graf Eltz die neben Schloss Neuschwanstein bekannteste Burg Deutschlands. Die Familie bewohnt vermutlich seit 1157 – aus dieser Zeit stammt eine Schenkungsurkunde von Kaiser Friedrich Barbarossa an Rudolfus de Eltze – das Gemäuer auf dem Felssporn im Elzbachtal. Durch Aussterben der Erblinien und Zukäufe ist die Familie seit 1815 alleiniger Besitzer der Burg, auch die Räume der einstigen selbständigen Häuser Kempenich, Platt-Eltz, Groß- und Klein Rodendorf sowie Rübenach sind seitdem in Eltzschen Besitz.

Rund 250.000 Besucher kommen pro Jahr auf die Burg. Der Zugang zu den historischen Wohn-, Wirtschafts- und Gemeinschaftsräumen wie Fahnensaal und Rittersaal mit der „Schweigerose“ über dem Eingang ist nur in Gruppen möglich.

Ohne Folgen kann ein solcher Andrang für das empfindliche alte Inventar nicht bleiben. Und auch das Gemäuer selbst und die kunstvollen Aufbauten sind eine kostenintensive „ewige“ Baustelle. Zwölf Jahre lang dauerten die jüngsten umfangreichen Renovierungen und Restaurierungen. 2010 wurden unter anderem alle Schieferdächer ausgebessert oder sogar erneuert. Bei bis zu 60 Grad Dachneigung eine Aufgabe für die Spezialisten der in der Branche bekannten Dachdeckerfirma Handwerk aus Hillesheim. Weitere Renovierungsarbeiten folgten.

Und das in Gebäuden die, ähnlich einer Großstadt-Skyline, auf denkbar wenig zur Verfügung stehender Fläche – hier auf vor feindlichen Angriffen schützendem steilen Felsplateau – nebeneinander gestellt und bis zu zehn Stockwerke in die Höhe gebaut wurden.

Seit dem 18. Mai sind die Burgtore wieder geöffnet.
Info: www.burg-eltz.de