Hölle und Déwenpëtz

Mullerthal Trail – Route 2: 34 Kilometer führen zwar nicht ins Herz der Finsternis, aber in so manche Höhle zwischen Berdorf, dem Weiler Müllerthal und Consdorf. Diese Runde machte das Wandern in der „Kleinen Luxemburger Schweiz“ bekannt und beliebt.

In der „Tour Malakoff“.

Dieser Weg hat es in sich. Baumwurzeln, Steine auf den Pfaden, und unendlich viele Stufen, die es hinauf und hinunter geht: Knappe zehn Stunden dauert die 2. Route des „Mullerthal Trails“ – und noch eineinhalb Stunden länger wenn man, wie in diesem Fall, die halbe Strecke der „Extra Tour C“ bis nach Bech dazu nimmt.

Doch zu Beginn heißt es erst einmal Höhe zu gewinnen um das Tour-Niveau zu erreichen: Immer direkt an den Sandsteinfelsen entlang, und immer mal wieder hindurch oder auch oben hinauf, das wird das normale Streckenprofil sein. Deshalb führen die ersten Meter auch von Echternach an der Sauer aus zunächst an einer Mariengrotte vorbei zu einer Aussichtskanzel und dann schnell in die „Wolfsschlucht“: steile Stufen geht es am einen Ende hinunter in eine Felsenkammer und gegenüber wieder hinaus.

Wollte man eine typische Szenerie für die kommenden Stunden finden, dann wäre es wenig später die Passage „Labyrinthe“. Der Weg führt augenscheinlich direkt auf einen Felsblock im Steingarten zu: Links die steile Wand, rechts geht es im Wald hinab. Doch es ist keine Sackgasse, denn mit einem jähen Haken führt der Pfad kurvig durch die Felsbrocken hindurch. Bei einer solchen Wegführung sind Überraschungen alle paar Meter garantiert.

Wer den Felsen ihre Namen gegeben hat ist unklar.

Wer den markantesten der bald folgenden Felsmassive und den spektakulärsten Passagen ihre Namen gegeben hat, ist zwar unklar, aber so ergibt sich doch eine eigene Poesie: Etwa bald mit der „Tour Malakoff“, eng geführt entlang überhängender Felsen im Aesbachtal. Man denkt vielleicht an eine abenteuerliche Mission unter Leitung eines Malakoffs, die einst den Weg durch die unwirtliche Gegend fand.

In der“ Binzeltschlüff“.

Das ist dann doch Wanderromantik, mit der das wie ausgekratzt wirkende Felsgerippe der „Hohllay“ unterhalb von Berdorf nichts zu tun hat. Die Hallen und Stuben der Höhle sind vielmehr Ergebnis des Mühlsteinabbaus seit dem Mittelalter, als das Areal zum Besitz des bei Trier gelegenen Klosters Ouren gehörte. Unweit davon ist das „Amphitheater“ dann doch wieder was fürs Gemüt: Ein Felsüberhang dient als Naturbühne, die Besucher sitzen davor auf Steinrängen im Halbrund.

Hinter Berdorf beginnt die erste spektakuläre Etappe.

Ab hier, nordwestlich von Berdorf, wird es zum ersten Mal wirklich spektakulär: „Mönch“, „Mandarin“, dann, an einer Wegkreuzung nur auf einen kurzen Abstecher auf den lokalen Weg „B2“ abbiegend, „Adlerhorst“, „Räuberhöhle“ und „Teufelsinsel“ heißen die Felsenkolosse am Hang. Zurück auf dem „Mullerthal Trail“ geht es für Fans in der „Hölle“ (L’Enfer) 50 Meter in die Tiefe, und durch die erste enge Spalte quetscht man sich in die Binzeltschlüff.

An deren Ausgang betritt man unverhofft eine kleine Plattform oberhalb der mit neuen wuchtigen Stützmauern aus Beton versehenen Kreisstraße zum Weiler Müllerthal. Gegenüber kann man den „Predigtstuhl“ über Treppen ersteigen und den Ausblick genießen.

Die Route 2 des Mullerthal Trails geht ebenfalls auf der anderen Straßenseite weiter: Steil führen Steinstufen hinauf und dann durch den nächsten, stellenweise nur circa 80 Zentimeter breiten, Felsspalt der Werschrummschlüff. Spätestens jetzt sollten Wanderer, die unter Platzangst leiden, überlegen, ob sie vielleicht eine Stunde weiter in Müllerthal den ÖPNV für die Rückfahrt nutzen. Denn was danach im zweiten Teil des Weges bis unterhalb von Consdorf folgt, ist nicht jedermanns Sache.

Der Comsdreeferbach

Im Müllerthal ist der Schiessentümpel das mit Abstand bekannteste Fotomotiv der Luxemburgischen Schweiz überhaupt. Die drei Wasserfälle der Schwarzen Ernz waren immer schon da, die Steinbrücke darüber aber errichtete erst der Christnacher Steinmetz Jean-Pierre Prommenschenkel 1879.

Schiessentümpel

„Eileburg“, „Goldfraley“ und „Goldkaul“ heißen drei der nächsten Stationen des Felsengangs. In die „Burg“ heißt es steil aufsteigen, durch die „Goldfraley“ führt ein schmaler Höhlengang, verwinkelt, fast gänzlich ohne Tageslicht. Diese Ecke der „Schweiz“ ist Sagen umwoben. Wanderführer-Autor Thorsten Hoyer hat einige aufgeschrieben. Diese geht demnach so:

„Der Legende nach birgt die Goldkaul die unermesslichen Goldschätze der Goldfra (Goldfrau), ein in weiße Kleider eingehülltes Weibchen. In ihrem Munde trägt sie einen goldenen Schlüssel, vermittels dessen sie in ihrem ‚Tresor Goldkaul‘ die Schätze versperrt hält. Sie muss so lange mit diesem Schlüssel im Mund bei Vollmond um Mitternacht erscheinen, bis eine beherzte Person, die von jeder Schuld frei ist, mit ihrem eigenen Mund ihr den Schlüssel aus dem Mund nimmt. Ihr Erlöser erhält dann alle hinter Schloss und Riegel wohl verwahrten Schätze.“

Beide Sagenorte befinden sich schon unterhalb von Consdorf (auch Bushaltestelle) und nicht mehr weit vom nächsten Höhepunkt dieser Abenteuerreise entfernt. Die Felspassage „Rittergang“ und „Déwepëtz“ können nicht umgangen werden! Entsprechende Warntafeln sind an den Eingängen zu den Spalten durch die Felswände aufgestellt. Vor allem durch die „Déwenpëtz“ geht es unfallfrei nur mit Taschenlampe! Streckenweise sind die Spalten tatsächlich nicht breiter als die angekündigten 50 Zentimeter. Da heißt es zuvor den Rucksack abschnallen, sonst steckt man schlicht in der Klemme. Es geht um mehrere Ecken bis man endlich wieder Licht am Ausgang sieht.

Fecht und kalt sind auch die Felswände beim Durchstieg der 200 Meter langen „Kohlscheuer“, wenige Meter weiter, zuvor ging es im „Rittergang“ selbst für durchschnittlich „breite“ Menschen teilweise nur auf allen Vieren weiter.

Das „Bildgen“ bei Altrier“.

Langsam treten die Felsen nun auf den nächsten Metern zurück. Man passiert erstmals seit langem ein schmales Waldtal, und gelangt kurz vor Altrier (Gemeinde Bech) zum „Bildgen“ in einer angeblich 1000 Jahre alten knorrigen Eiche. Der Legende nach sollen am 30. Mai 1731 in der Nähe zwei von drei Brüdern vom Blitz erschlagen worden sein. Aus Dankbarkeit stellte der überlebende Bruder die kleine Statue im Baumdenkmal auf. Bis heute ist das „Bildgen“ ein Glücksbringer, wie zahlreiche Münzspenden durchs Gitter bis vor die Füße der kleinen Maria beweisen.

Hier ist man nun schon auf der halben Schleife der „Extra Tour C“, die nach einem rund fünf Kilometer langen Schlenker schließlich im Muerbüsch wieder zurück auf die Route 2 des Mullerthal Trails führt. Dazwischen liegen ein Gang durch einen ehemaligen Eisenbahntunnel und Rast am Gasthof des alten Bahnhofs von Bech.  Neben leckeren Waffeln warten hier eine kostenlose Trinkwasser-Zapfanlage, sogar Fahrradreparatursets und Schläuche für die Radwanderer in der Region.

Ein Zeugnis des Nationalstolzes

Vorbei an Scheidgen führt der Weg schließlich durch Wald, am Ende eng am Hang oberhalb der N11, zurück nach Echternach. Doch eine Besonderheit sollte man nicht übersehen: Kurz vor Scheidgen (Gemeinde Consdorf) sind auf die Felswand der „Einsiedelei“ der „Roude Léiw“, Luxemburgs Wappentier, christliche Symbole und drei Namensvignetten gemalt: Albert Poss, Erny Bettendorf und Fred Welter, offenbar drei Männer aus der Region, haben ihre Geburtsjahre ebenfalls verewigt: „Ne 1920“ und „1921“ steht unter ihren Namen.

Daneben andere Jahreszahlen: 1839-1939: 1839 wurde Luxemburg geteilt, nur die moselfränkische Region blieb dem Großherzogtum. 1939, kurz vor der Besetzung des Landes durch die Nationalsozialisten 1940, sollten Poss, Bettendorf und Welter offenbar zwangsrekrutiert werden.

Es kann der 11.11.1939 gewesen sein, auch dieses Datum findet sich an der Felswand der „Einsiedelei“, als sie angesichts dessen den seit der „Luxemburg Krise“ 1867 – der drohende Verkauf des Landes an Napoleon III. – in der Bevölkerung populären Widerstandsspruch auf die Felsen schrieben: „Mir wëlle bleiwe wat mir sin“.

„Einsiedelei“

Zurück in Echternach, am Ende eines langen und beeindruckenden Wandertages durch das Kerngebiet der „Kleinen Luxemburger Schweiz“, bleiben nicht nur die Felsenpassagen, die Höhlen und Spalten als Eindrücke zurück. Es ist vor allem dieses Bekenntnis: „Wir wollen bleiben, was wir sind!“

Titelbild: Eingang zur Déwenpëtz