Zwischen Ostern und Oktober sind in der Eifel auch ganz besondere „Wandergruppen“ auf ihrem Weg: Die Pilger sind unterwegs zu teilweise viele Jahrhunderte alten Wallfahrtsorten. Eifelland- Pilgerland.
Mensch Willibrord! Da ist der Erzbischof von Utrecht aus dem luxemburgischen Echternach, Sitz seines Filialbistums, in der West- und Südeifel auf Missionsreise unterwegs – und dann das: Um ein Feuer herum führen Menschen im Weiler Waxweiler Veitstänze auf. Das soll gegen epileptische Erkrankungen des Viehs helfen. Heidnisches Brauchtum, das dem „Eifelapostel“ aber gar nicht gefällt. Er hat Charisma genug, es zu unterbinden.

So – oder so ähnlich – soll das 729 gewesen sein als der Missionar, geschult wie Kollegen aus Irland von Bonifatius, die erstmals 1497 dokumentierte Bußwallfahrt aus dem Eifeldorf nach Echternach begründet hat. Möglicherweise war damit zugleich auch eine Abgabenprozession verbunden – die Südeifel gehörte zum Machtbezirk des Echternacher Bistums. Die Legende besagt, dass die Wallfahrt schon spätestens nach dem Tod des Wortgewaltigen 739 begann. In der merowingischen Krypta der Echternacher Basilika ist Willibrord beigesetzt. Dort endet seit Jahrhunderten das wohl berühmteste „Gebet mit den Füßen“.
So wird gelegentlich die Echternacher Springprozession (Video von 2015 auf YouTube) am Dienstag nach Pfingsten genannt. Sie ist das Ziel auch der mehrere hundert Pilger, die sich seit 1860 alljährlich von Prüm aus über Waxweiler auf die dreitägige 68 Kilometer lange Fußwallfahrt ins Städtchen an der Sauer machen. Hier treffen sie auf bis zu 15.000 Pilger aus dem gesamten BeNeLux-Gebiet. Eine eigene Nachtwallfahrt von Jugendlichen startet von Trier. Trier ist auch für Eifelpilger das Ziel bei den „Heilig-Rock-Tagen“ im Dom der Stadt (in diesem Jahr vom 3.-12.Mai).

Nach Echternach – das ist bei weitem nicht die einzige Pilgerroute in der Eifel. 1440 zum Beispiel begründete der Marienverehrer Bernhard in Klausen in der Mosel-Eifel mit dem Aufstellen einer Figur der „Schmerzhaften Mutter Gottes“ in einer kleinen Holzkapelle eine ähnlich große Tradition. 1502 wurde in Klausen die prachtvolle spätgotische Hallenkirche fürs Pilgerziel erbaut. Schlicht aus Platzgründen: Jährlich über 100.00 Menschen pilgern hierhin zu Fuß, per PKW oder Bus. Zwischen Mai und Oktober sind sie vielleicht über den mittlerweile bekannten „Eifel Camino“ von Andernach nach Trier gekommen.
In Klausen vereint sich einer der – hier nur umbenannte – Matthias-Pilgerwege mit einer weiteren Pilgerroute entlang der Mosel. Matthias ist neben Willibrord und Hermann-Josef einer der drei „Eifel-Apostel“. Hermann-Josef ist – ebenfalls ein wichtiges Pilgerziel – in der Basilika des Klosters Steinfeld beigesetzt.

Bernhard Schneider muss wissen, warum sich seit Jahrhunderten Tausende aus der Eifel auf die Fußwallfahrt machen: „Das Beten erleichtert das Gehen, das Gehen das Beten!“ So einfach sei das, wenn man 100 Kilometer durch Wald, Wiesen und Felder von Ripsdorf nach Trier zum Matthias-Grab pilgere, meint der 85-Jährige. 60 Jahre lang war er dabei, in den letzten Jahren vielleicht nicht mehr die ganze Strecke – aber seit 1972 war Schneider sogar einer von vier Brudermeistern der vor 82 Jahren gegründeten Bruderschaft Ripsdorf-Hüngersdorf. Tradition haben auch die Matthias-Bruderschaften aus Kall oder aus Mayen.
80 Jahre – damit ist die Glaubens- und Pilgergemeinschaft über drei Tage, traditionell beginnend an Christi Himmelfahrt, in diesem Jahr mit 126 Teilnehmern, eine der älteren der Eifel. Pilgern – das ist was für Ü50? „Bei uns nicht. Unser Schnitt liegt bei um die 40“, so Brudermeisterin Brigitte Moßler. Auch der 14-jährige Florian Greuel war dieses Mal mit dabei – nicht zum ersten Mal und er war nicht der einzige Teenager.
„Pilgern ist modern geworden. Viele tun es nur für sich, der Selbstfindung wegen. Pilgern heißt aber doch vor allem: sich zu seinem christlichen Glauben zu bekennen!“
Warum gehen die Eifelpilger etwa auch nach Heimbach zum Gnadenbild in der Wallfahrtskirche bei der achttägigen Wallfahrtoktav Anfang Juli? „Ja, Pilgern ist modern geworden. Viele tun es nur für sich, der Selbstfindung wegen. Pilgern heißt aber doch vor allem: sich zu seinem christlichen Glauben zu bekennen!“ Aloisia Theißen-Fuß pilgert zum Beispiel einmal im Jahr die 28 Kilometer von Monschau-Rohren nach Heimbach mit einer Gruppe Gleichgesinnter. Vor zwei Jahren erwarteten sie und die anderen rund 800 Wallfahrer sogar Grußworte des damals neuen Aachener Bischofs Dr. Helmut Dieser.

Wo der sich beeindruckt zeigt, sahen das seine Kollegen in der Vergangenheit durchaus anders: Diese Volksfrömmigkeit der Eifeler – etwa auch nach Langenfeld in der Osteifel – war ihnen nicht geheuer. 1777 zum Beispiel sprach der Trierer Erzbischof und Kurfürst Clemens Wenzeslaus sogar einen Verbotsukas aus, 1786 griff Kaiser Joseph II. zum gleichen Mittel. Unterbunden hat es das Bedürfnis der Gläubigen nie.
Sie haben alle ihr persönliches Gebetsanliegen, das sie über die 100 Kilometer etwa von Ripsdorf nach Trier oder die 68 Kilometer von Prüm nach Echternach trägt. Dank für eine überwundene schwere Erkrankung, Bitten für die Genesung von Anverwandten. In den späten 1940er und 1950er Jahren die Erleichterung, den Zweiten Weltkrieg überlebt zu haben. Dazu gibt es Gebete und Kirchenlieder. Die Echternachwallfahrer aus der Eifel werden auf Teiletappen durch Musikvereine aus den Dörfern entlang der Strecke unterstützt.

Warum es gerade in der Eifel eine so lebendige Pilgertradition gibt? Lambert Michely aus Buchet hat wie alle seine ganz persönliche Motivation. Schon zweimal ist er in Santiago de Compostela gewesen. Mal über den – seit Hape Kerkelings Bestseller „Ich bin dann mal weg“ völlig überlaufenen – „Camino Francés“; mal über den, wie er findet, wesentlich schöneren „Küstenweg“. Ihm geht es nicht um Leistung sondern um spirituelle Erfahrung. Die findet er – mit sich allein – unterwegs.
Doch so weit weg muss es gar nicht sein. Es reicht das kleine Barweiler nahe am Nürburgring. 1726 retteten Bürger aus dem knapp acht Kilometer entfernten Üxheim hierhin ihr Muttergottesstandbild vor den Bilderstürmern im Zuge der Spätreformation. Mädchen aus Barweiler schmückten die neue Muttergottes in der Pfarrkirche mit einer Lilie. Sie erblühte Monate später plötzlich neu. Das „Barweiler „Lilienwunder“. Noch im gleichen Jahr erreichte eine erste Pilgergruppe aus Krekel den neuen Wallfahrtsort. Sie hatten ein Gelöbnis abgelegt: Nach Barweiler zu pilgern in der Hoffnung vor der herannahenden Pest verschont zu werden.
„Buenos dias Matthias mir sin widder do,/ jenau so kapott, wie im letzten Johr./De Föös jett wann, met Blose drann,/em Hätze nur Sonnesching, un kejn Bett jesehn.“
Wallfahren und Spaß dabei: Das Pilgerlied der Mattias-Bruderschaft Ripsdorf-Hüngersdorf nimmt den Text und die Melodie eines Bläck-Fööss-Klassikers auf.
Die Zeiten, als der „Schwarze Tod“ ganze Landstriche der Eifel fast entvölkerte sind schon lange vorbei. Die Pilgerschaft nach Barweiler blieb. Etwa auch aus Adenau am Nürburgring. Start in diesem Jahr: 18. September, um 12.45 Uhr am St. Josef`s Bildstock in der Wimbachstraße. Was es dann hier und auch beim Start aller anderen Pilgerwege durch die Eifel braucht? Gute Schuhe und eine Regenjacke. Der Rest findet sich.
Literatur zum Thema:
Wolfgang Scholz, Franz Bauer, Dieter Preß & Heinz Schäfer: Outdoor- der Weg ist das Ziel; Eifel-Camino – von Andernach nach Trier. Bei Amazon
Walter Töpner: Pilgerland Eifel, Wege und Wallfahrtsorte. Bei Buecher.de