Gut 19.000 Einwohner hat Mayen, das am Übergang zum flach ins Rheintal auslaufenden Koblenz-Neuwieder-Becken in einem Talkessel liegt. Wahrzeichen der Stadt ist die Genoveva Burg. Doch so ganz stimmt das nicht.
Das wütende Wirken des Teufels spielt in der Sagengeschichte Mayens eine gewisse Rolle. So soll der Gott-sei-bei-uns einst aus Wut am 51 Meter hohen Turm der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Clemenskirche gezogen haben, weil ihn die Mayener betrogen hatten, und statt einer heidnischen Feierhalle die damals größte Hallenkirche des Rheinlandes errichten wollten. Das ist eine der vielen Legenden, die sich um die Geschichte der Stadt ranken.

Und die gehören natürlich dazu, wenn man mit Stadtführerin Marika Kohlhaas in Mayen unterwegs ist. Sie erzählt die Kirchturmsage mit Blick aufs verdrehte und 1,70 Meter aus dem Lot geratene Gemäuer. „Teuflischen“ Ursprungs sei das Kuriosum, das alteingesessenen Mayenern bis heute als Wahrzeichen ihrer Stadt gilt, natürlich nicht: „Tatsächlich hatten die Zimmerleute beim Turmbau feuchtes, nicht abgelagertes Holz verwendet, und das verzog sich“, so Kohlhaas.
Am 2. Januar 1945 wurde das alte Mayen zu 86 Prozent zerstört.
Am 2. Januar 1945 wurde der Turm wie 86 Prozent der Innenstadt während eines Luftbomberangriffs zerstört. Es gab an die 200 Tote. Ziel war Mayen wegen der wichtigen Bahnverbindung von Trier nach Koblenz. Nach Kriegsende wurde auch St. Clemens schnell wiederaufgebaut. Basis waren die erhaltenen originalen Baupläne. Und auch die Drehung und Neigung des Kirchturms wurden rekonstruiert. Heute ist die Clemenskirche den Mayen-Besuchern nicht nur deshalb, sondern auch wegen ihrer bemerkenswerten Kirchenfenster von Georg Meistermann zu empfehlen.

Ihre Stadtführung beginnt Marika Kohlhaas, die unter anderem 25 Jahre Stadträtin von Mayen und Mitglied des Kreistages ist, am großen Marktplatz mit dem 1717 erbauten barocken Rathaus am Kopfende, vis-a-vis der Genoveva Burg. Der Blick geht wie in der gesamten Altstadt vor allem entlang verschiedenster Fassaden aus der Nachkriegszeit bis in die 1990er Jahre, wirklich alte Bausubstanz ist selten.
Auch der Marktbrunnen stammt erst aus dem Jahre 1812. An der Stelle stand einst eine Vieh- und Pferdetränke, wichtig für den Viehmarkt, den Ursprung des heutigen Volksfestes „Lukasmarkt“, welches mitten in der Stadt, traditionell im Oktober, stattfindet. Mittlerweile schon weit über 600 Mal.
Jetzt geht es den Markplatz hinauf zur 1280 von den Trierer Erzbischöfen erbauten Burg. Eine zwei Kilometer lange Stadtmauer mit 17 Türmen, darunter vier wuchtige Tore neben 13 Wehrtürmen, sicherten Mayen, das 1291 von König Rudolf von Habsburg die Stadtrechte erhielt.
Mayenern, die es zu einem gewissen Bekanntheitsgrad geschafft haben, ist am Zugang zur Burg ein Denkmal oder eine Erinnerungstafel gewidmet: Etwa Balthasar Krems, der um 1800 die Kettenstichnähmaschine erfand. Und natürlich Mario Adorf. Der Schauspieler wurde zwar in Zürich geboren, kam mit seiner Mutter aber schon als Kleinkind nach Mayen, woher die Mutter stammte.




Im Mayener Grubenfeld (Foto: Claudia Schick), Blumenschmuck in der Fußgängerzone, im Deutschen Schiefermuseum (Foto: Peter Seydel), an der Burg, Blick auf die Herz-Jesu Kirche.
Das seien nicht seine besten Jahre gewesen, hat Adorf in seinen Memoiren geschrieben. Die Mutter verdiente als Alleinerziehende ihr Geld als Zugehnäherin, der kleine Mario musste ins kirchliche Waisenhaus und wuchs so bei Nonnen auf. Als Jugendlicher erlebte Adorf, Jahrgang 1930, als Augenzeuge den verheerenden Bombenangriff vom 2. Januar 1945.
Später verließ er die Stadt und kehrte erst 30 Jahre später, anlässlich eines Klassentreffens, erstmals wieder zurück. Damals schloss er seinen Frieden mit Mayen. Heute ist er Ehrenbürger und Schirmherr der alljährlichen „Burgfestspiele“ (zwischen Mai und August) und stattet seiner Heimat immer wieder einen Besuch ab.
Der Abbau von Moselschiefer und Basalt spielen in der Stadtgeschichte eine große Rolle.
Unweit führt am Fuße des Burgbergs ein heute von Außen verschlossener Stollen einige Meter in die Tiefe. Dort befand sich einst ein Luftschutzbunker für 4000 Menschen, heute ist das Areal Teil des Besucherbergwerks des „Deutschen Schieferbergwerks“ – eine von drei Museumsausstellungen, die Mayen zu bieten hat. Ebenfalls in der Burg befindet sich das „Eifelmuseum“, hinzukommen noch die „Erlebniswelten Grubenfeld“ am Stadtrand.
Schiefer spielte in Mayens Wirtschaftsgeschichte vor allem dank der Rohstoffvorkommen im unweit gelegenen Katzenberg eine große Rolle. Im Barbarastollen wurde bis vor vier Jahren der qualitativ besonders hochwertige „Moselschiefer“ gebrochen. Nicht von ungefähr betreibt der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) in Mayen sein Bundesbildungszentrum. „Und früher hieß es auch, die Dächer, die vom 34 Meter hohen Goloturm der Genoveva Burg zu sehen sind, sollen aus Schiefer sein“, so Stadtführerin Kohlhaas. Eine Gestaltungssatzung der Stadt nimmt die Vorgabe auf.

Noch wichtiger für die Geschichte Mayens und seiner Bürger war jedoch immer der Basalt- und Tuffsteinabbau in der direkten und der näheren Umgebung. Den „Steinhauern“ und den „Layern“, wie die im Abbau Beschäftigten genannt wurden, ist ein weiteres Denkmal am Burgberg gewidmet. Es zeigt ihren Tagesablauf, auch eine Szene des bis in die 1950er Jahre üblichen wöchentlichen Feiertags, des „Blauen Montags“. Mühlsteine aus Mayener Basalt wurden einst europaweit exportiert.
Dass schon zu vorgeschichtlichen Zeiten die Bodenschätze der Region bekannt waren, haben archäologische Funde im nahen „Grubenfeld“ – heute ein Museums- und Skulpturenpark – nachgewiesen. Mayen war seit der Römerzeit ein wichtiger Handelsplatz. Hier kreuzten sich mehrere Fernstraßen. In spätrömischer Zeit wurde auf dem Katzenberg die größte Höhenbefestigung nördlich der Alpen errichtet. Teile der Maueranlagen sind rekonstruiert.
Zurück in der Stadt im Talkessel geht es in den „Rosengarten“ im Schatten des erhaltenen mittelalterlichen Wehrgangs. Von hier aus fällt der Blick auf Mayens Hauptkirche. Herz-Jesu wurde im neoromanischen Stil im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. erbaut, im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, danach schnell wiederaufgebaut – und mit einem zweiten Turm versehen.
Im „Rosengarten“ standen die „Knutschbänke“.
Der Weg vorbei an den Rosen sei immer eine beliebte Abkürzung für die Schüler auf ihrem Schulweg gewesen, erzählt Marika Kohlhaas. „Es standen Knutschbänke, wie sie die jungen Leute nannten, in Heckennischen und die Jungs pflückten ihren Mädchen natürlich Rosen.“ Die ganze Romantik habe schließlich dazu geführt, dass es keine Rosen mehr gab. Aus Godalming, Partnerstadt Mayens im südenglischen Surrey, kamen schließlich neue Rosenstöcke, mit denen der „Rosengarten“ wieder seinem Namen gerecht werden soll.
Ist das eine schöne und wahre Anekdote, ist anderes wiederum Legende: Dass auf der Genoveva Burg etwa einst die holde, von ihrem Fürsten zu Unrecht verstoßene Genoveva lebte, ist ein erst im 19. Jahrhundert entstandenes Märchen. Im Wald bei Ettringen ist tatsächlich eine „Genoveva-Höhle“, einen zweiten Unterschlupf gleichen Namens gibt es allerdings auch oberhalb von Trier im Eifelwald bei Kordel.

Kurz vor dem Brückentor, einem von zwei erhaltenen Stadttoren, stehen dann zwei Brunnen, von denen einer ebenfalls eine Mayener Begebenheit erzählt: Als im pfälzischen Erbfolgekrieg französische Soldaten sieben Tage lang die Stadt belagerten, sollen 200 der schönsten Mayener Frauen die Idee gehabt haben, den feindlichen Truppen durch das Zeigen ihres blanken Hinterns auf der Stadtmauer die Sinne zu betören. Das hatte zumindest vorübergehend Erfolg, die Soldaten brachen die Belagerung ab. 1689 allerdings wurde Mayen eingenommen und das mittelalterliche Städtchen weitgehend zerstört.
Immerhin ist die Episode bemerkenswert genug für den „Weiberbrunnen“, den Mayener Geschäftsleute, ansässige Banken und die Stadt an der Brückenstraße in den 1970er Jahren stifteten. Und auch einen zweiten unmittelbar am Brückentor, der den Marktfrauen gewidmet ist.

Stadtverschönerung hat in Mayen eben Tradition, in jüngerer Zeit durch große Blumenampeln an den Masten der Straßenlampen und viele blüh- und insektenfreundliche Beete auf städtischem Grün, angelegt von den Mitarbeitern des Betriebshofes.
Ein groß angelegtes Projekt wird seit 2021 unweit des Brückentores am Netteufer entlang der Straßen Wasserpförtchen und Im Trinnel fortgeführt: die „Nette-Terrassen“. Es gibt nun im verkehrsberuhigten Quartier steinerne Sitzstufen, neue kleine Geschäftslokale und Gastronomie sollen sich ansiedeln. Vorbild, so Stadtführerin Marika Kohlhaas, sind die Rheinterrassen in Köln und Düsseldorf.
Mayen ist idealer Start- und Zielpunkt für Wanderungen und Ausflüge in die Region.
So ist nun Mayens „gute Stube“ vom Marktplatz mit seinem Blick auf die Genoveva Burg und die vielen Cafés in der Fußgängerzone, der Marktstraße, bis zur Nette verlängert.
Das wissen viele Mayen-Besucher zu schätzen. Mehr als 35.000 kommen alljährlich zu den „Burgfestspielen“ und viele Tausend zum „Lukasmarkt“. Die Stadt mit ihrer umliegenden Region ist auch bei Wanderern und Wochenendausflüglern beliebt.

Sie sind etwa auf den „Traumpfaden“ im „Vulkanpark“ und in der Pellenz unterwegs. Sie besuchen unweit Burg Eltz, eine der schönsten Burgen Deutschlands, das idyllische Münstermaifeld, das pittoreske Monreal – fast ein Vorort Mayens -, oder die bekannte Benediktinerabtei Maria Laach am zweitjüngsten Maar (der Fachausdruck ist Caldera) der Eifel, dem Laacher See. Danach lädt Mayen ein, die Stadt des Basalts und des Schiefers mit einem seltsam verdrehten schiefen Turm.
Titelbild: Die Genoveva Burg mit dem Goloturm