Tief in der Eifel

Streckenweise löchrig wie ein Schweizer Käse wirkt die Eifel, würde man alle Höhlen, Stollen, Bunker oder Tunnel der Region kartografieren. Achim Konejung aus Müddersheim in der Voreifel hat sich in vier Jahren Recherche die Mühe angetan: 99 Einstiegsorte in „Eifeler Unterwelten“ werden jetzt im Buch vorgestellt. Das ist Standardwerk-verdächtig.

Diese „Unterwelt“ ist mit einem kleinen Gitter verschlossen. Pingen – Schächte, die entweder dem Abbau in geringer Tiefe liegender Erzvorkommen dienten oder zur Belüftung der Stollengänge – sind schon lange eingestürzt oder mit Abraum verfüllt: Die ehemalige Erzabbaustätte im Wald oberhalb des Bolsdorfer Tälchens bei Hillesheim hat Achim Konejung bei seinen vierjährigen Recherchen in den verschiedensten „Eifeler Unterwelten“ offenbar nicht entdeckt. Oder er hielt sie verglichen mit anderen erhaltenen und zur Besichtigung frei gegebenen Bergwerkstollen in der Region schlicht für zu wenig spektakulär.

Der Schieferstollen bei Recht. Foto: Eifelbildverlag

Was für ein Thema: „Jahrhunderte über Jahrhunderte trieb es die Menschen auch in der Eifel in die Erde – aus Schutzbedürfnis, aus wirtschaftlichen Interessen oder zur Verkürzung von Distanzen“, fasst Konejung zusammen. Die schiere Fülle an Höhlen, Stollen, Tunneln oder Bunkern würde jeden Rahmen der Dokumentation sprengen. Tausende Befestigungswerke halb im Hang oder Berg sind es alleine noch als Überbleibsel des einstigen „Westwalls“ im Zweiten Weltkrieg  zwischen Kleve und der Schweizer Grenze, viele davon im Gebiet des Hürtgenwaldes und an den Eifelgrenzen der StädteRegion Aachen. Konejung hat also auswählen müssen.

Nimmt man nur die in vielen Streusiedlungen der Region noch vorhandenen Zufluchtsstätten für die Bevölkerung in ausgebauten natürlichen Höhlen wie im Dolomitgestein des Mannenbergs bei Nettersheim, oder in den „Eiskellern“, ein bekanntes Beispiel ist der in Hillesheim, in denen im Sommer Lebensmittel und Getränke gelagert wurden,  dazu, kann die Liste nicht vollständig sein.

Sinterterassen in der Grube Wohlfahrt bei Rescheid. Foto: Eifelbildverlag

Aber was Konejung zeigt, ist ja interessant genug. Auch drei der  schönsten Naturhöhlen der Eifel sind in diesem – Standardwerk-verdächtigen – Bildband dokumentiert: Die „Kakushöhle“ bei Eiserfey und die Genoveva- und Klausenhöhle bei Kordel in der Südeifel. Alle drei liegen an bekannten Wanderwegen der Region. Präsent sind zudem Stollengänge in ehemaligen Erz- oder Schieferabbaubergwerken. Die Bodenschätze der Eifel – zu großen Teilen gehört sie zum Rheinischen Schiefergebirge, im Südwesten steht Buntsandstein an, in der Vulkaneifel Basalt und Bims – wurden über Jahrhunderte abgebaut. So stellt Achim Konejung etwa die künstlichen Höhlen für den Mühlsteinabbau am „Rother Kopf“ oder oberhalb von Birresborn in der Vulkaneifel vor, im äußersten Zipfel der Osteifel die Trasshöhlen bei Tönisstein. In den „Putzlöchern“ oberhalb des Butzerbachtals in der Südeifel fanden die Römer Baumaterial für die Porta Nigra in Trier.

Erzbergwerke wie die Grube Wohlfahrt in Rescheid, das Besucherbergwerk Günnersdorf  in Mechernich – 1957 als letztes Bleierzbergwerk der Eifel geschlossen –, oder der Mühlenberger Stollen in Bleialf in der Westeifel können heute besichtigt werden und werden in dieser Übersicht über die Welt unter Tage in der Eifel bekannt gemacht. Eine Orientierungskarte am Buchende zeigt: Die Region ist stellenweise „durchlöchert“ wie ein Schweizer Käse.

Dass der Höhlenforscher Konejung allerdings nicht überall willkommen war, zeigt das Beispiel „Katzenberg“. Die hallenhohen Abbauräume im aktiven Barbara-Schieferbergwerk der Firma Rathscheck bei Mayen sind noch nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Der Hersteller bietet bisher nur an „Verarbeitertagen“ Führungen für die Dachdecker an. Das kann sich ändern, denn der Abbau des hochwertigen „Moselschiefers“ aus dem Katzenberg wird nach Unternehmensangaben zum Jahresende eingestellt.

Der Schalkenmehrener Tunnel am Maar in der Vulkaneifel. Foto: Eifelbildverlag

Bisher fährt man bei den Sonderführungen im Förderkorb unter Tage ein und steht unten staunend vor den großen Abbaufahrzeugen, die hier – zerlegt in Einzelteile, die in den Förderkorb passen mussten – wieder zusammengesetzt wurden.

Eine der zahlreichen Entdeckungen, die man in den „Eifeler Unterwelten“ beim Durchblättern machen kann sind die Eisenbahntunnel. Alleine zehn teilweise mehr als 100 Jahre alte Bauwerke sind heute noch als Teil der Eifel-Bahnstrecke Köln-Trier in Betrieb. Kurios sind die beiden Bauwerke Hausen I und II bei Polch. Heute gehören sie zum „Maifeld-Radweges“, doch Anfang der 1940er Jahre stand hier das mobile Hauptquartier des Reichsluftfahrtministers und Chefs der Luftwaffe Hermann Göring, der legendäre Sonderzug „Asien“.

Der Eingang zum „Eiskeller“ in Hillesheim.

Schutzbauwerke im Kalten Krieg wie der angebliche Atombomben sichere „Regierungsbunker“ im Ahrtal oder der Ausweichsitz der nordrhein-westfälischen Landesregierung in Urft sind ebenfalls für Führungen geöffnet. Es empfiehlt sich eine rechtzeitige Buchung! Die Zugänglichkeit der Objekte war ein Kriterium für die Auswahl der „Eifeler Unterwelten“. Dazu empfiehlt der Autor Taschenlampe und warme Kleidung. Ein Schutzhelm ist je nach Höhle auch kein schlechter Tipp.

In sachkundigen Texten zur Entstehungs- und Nutzungsgeschichte der „Unterwelten“, auch zu geologischen Besonderheiten der Bergwerke, erklärt Konejung die ausgesuchten 99 Unter-Tage-Sehenswürdigkeiten. Sie werden mit – angesichts in der Regel eher schwierigen Lichtverhältnissen überraschend guten – Fotos vorgestellt. Eine ganze Reihe der Plätze wird so offenbar erstmals dokumentiert. Dazu kommen exakte Lagebeschreibungen inklusive GPS-Daten auf Google Maps und Verlinkung zur Routing-App what3words. „Wer alle 99 Orte besuchen will, braucht dafür die Wochenenden von zwei Jahren“, schätzt Achim Konejung.

Achim Konejung in einer „Eifeler Unterwelt“. Foto: Eifelbildverlag

Das opulent ausgestattete Bilderbuch lädt aber auch zur Schärfung der Sinne bei der nächsten Eifelwanderung ein. Dann kann man mit etwas Glück selbst seine „Eifeler Unterwelt“ entdecken. Höhlen und  Schlupflöcher gibt es entlang vieler Routen in den Hügeln und Bergen immer wieder.

Info:
Achim Konejung: Eifeler Unterwelten“, Eifelbildverlag 2019, 288 Seiten, 34,90 €, ISBN 978-3-946328-44-5

Titelbild: Der „Eiskeller“ am Geopfad in Hillesheim.