Über 92 Kilometer grenzt der Eifelkreis Bitburg-Prüm an die luxemburgischen Distrikte Diekirch und Grevenmacher, genauer sind es die Grenzflüsse Our und Sauer. Das gibt eine natürliche Route für eine kleine Entdeckungsreise vor.
In Eile. Wie in der Bewegung erstarrt wirkt die Skulptur des „Eifelapostels“ Willibrord (658-738) vor der kleinen Kreuzkapelle am Stadtrand von Echternach. Der in Irland ausgebildete aus England stammende Missionar hat das Modell einer Kirche in der Hand: Die Basilika, in deren Krypta Willibrords Gebeine in einem schlichten merowingischen Steinsarkophag unter einem Schrein aus Carrara-Marmor ruhen.

698 soll Willibrord in Echternach ein kleines Kloster für Wandermönche gegründet haben, die Urzelle des heutigen Echternachs, der ältesten Stadt Luxemburgs. Am Marktplatz, umstanden von barocken und klassizistischen Wohn- und Geschäftshäusern, fühlt man sich eher im Zentrum einer mittelfranzösischen Kleinstadt, statt wenige hundert Meter vom deutschen Echternacherbrück entfernt. Echternach hat viel Flair, das spürt man auch beim Spaziergang durch den im Rokoko angelegten ehemaligen Bischofspark mit dem achteckigen Pavillon am Sauerufer.
Neben einem kleinen Bummel durchs Städtchen ist auch das Museum in den ehemaligen Kellern der Abtei einen Besuch wert. Eines der wichtigsten Exponate entstand zwischen 1050 und 1080 im Skriptorium der einstigen Benediktinerabtei: Der „Codex Aureus Epternacensis“ ist ein Meisterwerk ottonischer Buchmalerei. Die Texte des Evangeliars wurden teilweise mit goldener Tinte geschrieben. Berühmt ist der „Codex“ für seine zahlreichen narrativen Bilder und Illustrationen, die manche auch als mittelalterliche Comics bezeichnen.
5600 Einwohner hat Echternach. Einmal im Jahr halten sich an einem einzigen Tag bis zu 25.000 Menschen mehr in den Gassen der Altstadt rund um die Basilika auf. Am Dienstag nach Pfingsten findet hier die „Echternacher Springprozession“ statt, die möglicherweise ihre Ursprünge als Wallfahrt schon kurz nach dem Tod Willibrords hat, wie Alkuin, Verwandter Willibrords und Berater Karls des Großen 790 notiert hat. Schriftlich belegt ist die Wallfahrt nach Echternach auch aus der Eifel mit den abschließenden „Springenheiligen“, Pilgern, die Willbrord zu Ehren den berühmten Seit-Vorwärts-Tanz während der Prozession durch die Altstadt aufführen, seit 1497.
Richtung Norden, immer an der Sauer entlang
Jetzt aber aus Echternach hinaus und die N10 weiter Richtung Norden, immer an der Sauer entlang. Der Grenzfluss fließt munter, frisch gespeist aus den Zuläufen der Bäche aus der oberhalb des Tals beginnenden Kleinen Luxemburger Schweiz. Von der N10 abbiegend geht es zum Beispiel nach Berdorf – hier gibt es einen Kletterpark an den Buntsandsteinfelsen -, nach Larochette, die Stadt im Felsenkessel, oder nach Beaufort mit seinem schönen Doppelschloss.

Über weite Strecken ist die Sauer ein beliebtes Revier für Kanu- und Kajakfahrer. Am Grenzort Bollendorf/Bollendorf Pont, der bald erreicht wird, kann man sich für die Flusstour den passenden Untersatz mieten. Wenige Kilometer weiter mündet bei Wallendorf die Our in die Sauer. Unmerklich wird nun der Ëislek, Teil des Ösling genannten Nordens von Luxemburg, erreicht. Schon im Namen ist die Nähe zum Islek im nordwestlichen Zipfel von Rheinland-Pfalz offenkundig.






Luxemburg, das Sauertal und Echternach (von links nach rechts im Uhrzeigersinn): Kasematten und Geschäftsvirtel Kirchberg (Foto: OFT Visit Luxemburg), Place d’Armes (Alfonso Salgueirdo), Sauertal, Springprozession (acpress), Bischöflicher Gartenpavillon an der Sauer, Blick zum Marktplatz von Echternach.
Nächstes Ziel ist Vianden. Unübersehbar überragt die mächtige Burg oberhalb des Ourtals das 2100-Einwohner-Städtchen. Angeblich wurde an der Feste über 1000 Jahre gebaut. Das geschlossene Straßenbild der Grand-Rue von der Ourbrücke hinauf bis zum mächtigen mittelalterlichen Gemäuer zieren alte Adels- und Bürgerhäuser, das Rathaus aus der Renaissance und der wuchtige einstige Wachtturm Hockelsturm. Wer nicht zu Fuß die steile Rampe hinauf gehen will, der kann auch die Viandener Seilbahn benutzen.

Unten am Ourufer hat sich an der Brücke eine kleine Außengastronomie entwickelt, eine Promenade mit Stufenbänken wurde angelegt. Vianden ist ein beliebtes Ausflugsziel. Den Reiz des Kleinstädtchens im Schatten der Burg hatte schon der französische Romancier Victor Hugo (1802-1885) erkannt, der zwischen 1862 und 1871 viermal Vianden besuchte, ab 1871 hier im Exil lebte. Hugo war wegen seiner Verbindungen zur Pariser „Commune“ in Frankreich des Landes verwiesen worden.
Victor Hugo war von seiner Wahlheimat begeistert. Im Restaurant „Victor Hugo“ in Vianden sind einige seiner Zeichnungen zu sehen, die der Dichter hier anfertigte.
Er bezog ein kleines Haus an der Ourbrücke, in dem heute ein Museum an seine Jahre in Vianden erinnert. Der Dichter war von seiner Wahlheimat offenbar begeistert, denn er fertigte zahlreiche Zeichnungen von Luxemburger Burgen und Landschaften an. Im „Maison de Victor Hugo“ sind einige Arbeiten neben Tagebuchaufzeichnungen und in Vianden entstandenen Gedichten ausgestellt. Ein paar seiner Grafiken, dazu ein Porträt des alten Victor Hugo sind auch im Gastraum des Hotel-Restaurants „Victor Hugo“ gegenüber zu sehen.
Eine Ecke weiter erinnert die 1732 auf den Fundamenten eines fast 500 Jahre älteren Gotteshauses erbaute barocke Trinitarierkirche an ein bedeutendes Ereignis in Viandens Geschichte: Graf Friedrich II. von Vianden war bei der Beteiligung am fünften Kreuzzug (1228-1229) in Gefangenschaft geraten. Den Trinitariern gelang es, ihn freizukaufen. Friedrichs Sohn schenkte daraufhin dem Orden 1248 aus Dankbarkeit ein Hospiz, das in der Folge zum Kloster vergrößert wurde.

Wer jetzt zu Fuß am Ourufer entlang Vianden Richtung Norden verlässt, der glaubt bald an eine optische Täuschung: Brachial riegelt die „Barrage“ der Our-Staumauer das Flußtal ab. Der Stausee dahinter erstreckt sich über neun Kilometer. Die St. Rochus Kirche und der Viandener Friedhof wirken vor dieser Wand wie hingestellt, die Größenverhältnisse sind einen Moment unklar, denn das Kirchlein wirkt wie aus einer Modelllandschaft.
Wer will kann oberhalb der Staumauer und bis zum Wehr Stolzemburg nun einen schönen wilden Felsenpfad durch den Wald entlang wandern. Vianden ist ein Start- und Endpunkt der vier „Ourschleifen“-Wanderwege im „NaturWanderpark delux“.
Weiter geht es jetzt über die CR 355 erst an der Our entlang, dann biegt die Straße scharf nach Westen ab. Geradeaus führt eine Stichstraße hinab zu einer natürlichen Halbinsel und nach Bivels. Der Ortsname bedeutet so viel wie „bei Fels“ oder „Um den Fluss“ und beschreibt so treffend die geografische Lage. Bivels galt lange Zeit als „eines der ärmsten Dörfer der Umgegend“, heißt es in einer Online-Darstellung. Zwischen 1954 und 1964 wurde die Our gestaut und das „Pumpspeicherwerk Vianden“ errichtet. Durch die Aufstauung musste ein großer Teil des Ortes abgerissen und auf einem künstlich aufgeschütteten Plateau neu aufgebaut werden. Geblieben ist jenseits der Halbinsel, auf einem kleinen, dem Uferhang vorgelagerten Hügel, die Ruine der Burg Falkenstein.





Abstecher ins Wanderparadies der Kleinen Luxemburgischen Schweiz (v. links im Uhrzeigersinn): Schiessentümpel, Eingang zur Kohlscheuer, Rittergang, La Rochette, Haalerbach.
Das „Pumpspeicherwerk Vianden“, Europas größtes dieser Art, ist im nördlichen Teil Luxemburgs eine besondere Touristenattraktion. Das Wasser wird hier in zwei Becken auf dem 460 Meter hohen Nikolausberg gepumpt und dann zur Stromerzeugung wieder auf bis zu neun Turbinenanlagen „losgelassen“. Die unterirdische Zentrale, eine in den Berg gebaute Maschinenhalle, kann besichtigt werden.

Weiter an der Our entlang wird die Tallandschaft wilder und zerklüfteter, der von dichten Wäldern und steilen Tälern gekennzeichnete Teil des Ëislek. Bei Dasburg/Dasburg Pont lohnt ein Abstecher über die N10 nach Clervaux im namengebenden Tal der Clerve, die dort einen 90-Grad-Bogen macht.
Das Städtchen überragt das von den Benediktinern 1909/1910 im neoromanischen Stil erbaute große Klostergebäude der Abtei St. Mauritius und St. Maurus. Vorbild war die Abtei von Cluny. Wenige Meter um die hohen Klostermauern herum, kurz bevor ein Pfad durch den Wald hinunter ins Städtchen führt, steht ein wuchtiges Gedenkkreuz.
Clairveaux ist nicht nur wegen der großen Bendiktinerabtei hoch über der Clerve einen Besuch wert.
In großen Takenplatten dargestellte Szenen, in Inschriften in Granitplatten verewigte Slogans („Wir können nicht lügen“) erinnern an den „Klöppelkrieg“: Den vergeblichen Aufstand zwischen dem 26. und 31. Oktober 1798 gegen die napoleonischen Besatzungstruppen. Damals hatten sich Bauern aus dem Ösling, dem damals ärmlichen Norden Luxemburgs, grenznahen Gegenden Belgiens und dem deutschen Islek verbündet.

Mit wenigen Flinten, vor allem aber landwirtschaftlichem Gerät wie Heugabeln und Knüppeln („Klöppel“) bewaffnet, zogen mehrere hundert Männer aus der Region gegen das Militär. Es kam zu drei Schlachten: In Arzfeld, am Tiergarten unterhalb der Burg von Clairvaux und in Amel. Die letzten Gefechte fanden auf der Brücke im belgischen Stavelot statt. Der Aufstand wurde niedergeschlagen, auf Eifeler Seite verloren mindestens 30 Bauern ihr Leben.
Gedenkstätten an den „Klöppelkrieg“ gibt es in Arzfeld, Daleiden, Dahnen – der Ort hatte die höhsten Verluste zu beklagen -, in Luxemburg und seit 1899 oberhalb von Clairvaux an der Benediktinerabtei.
Der Ort an der Clerve wurde aber noch einmal Schauplatz eines Krieges. Am Eingang zur Burg fanden die letzten Kämpfe der „Ardennenoffensive“ im Winter 1944/45 in Clairvaux statt. US-General Patton mit seiner 3. Armee befreite die Luxemburger endgültig von der deutschen Besatzung. Eine Dauerausstellung in der Burg erinnert an die Ereignisse.
Normalerweise gehört auch ein Sherman-Panzer aus Pattons Panzerbrigade zu den Exponaten. Am Eingang zum Burghof dient er als eine Art Wegweiser. Derzeit ist er ersetzt: Die Gemeinde Clerf zeigt im gesamten Stadtgebiet auf Banner gezogene Porträts von Menschen der Region.
Das ist eine Referenz an eine noch ganz andere und hochkarätige Dauerausstellung im Museum. Der legendäre Magazinfotograf Edward Steichen (1879-1973) stammte aus dem luxemburgischen Béweng. Für das Museum of Modern Art in New York hatte er 1955 mit Werken ebenfalls namhafter Fotografenkollegen eine Ausstellung kuratiert die er „The Family of Man“ nannte, ein humanistisches Manifest mit Menschenbildnissen aus aller Welt gegen Faschismus und Weltkrieg.
Die Schau tourte zunächst rund um den Globus, bevor sie nun dauerhaft in Clairvaux gezeigt wird. Sie gehört zum Unesco-Weltdokumentenerbe.
Über Lieler führt diese kleine Grenzfluss-Route nun in Richtung des belgischen Ouren und zurück ins Ourtal. Das „Drei-Länder-Eck“ zwischen Deutschland, Luxemburg und Belgien ist gleich mehrfach Ort einer Würdigung. Unter Bäumen sind wuchtige Basaltblöcke aufgestellt, die an die Unterzeichner der Römischen Verträge im März 1957 und an die Begründer der europäischen Gemeinschaft, also etwa an Konrad Adenauer und Robert Schuman erinnern.


Das Europa-Denkmal und das „Brückenschlag“ von Christoph Mancke über den Grenzfluss Our.
Das „Europa-Denkmal“ wurde 1977 von der Europäischen Vereinigung Eifel- und Ardennen (EVEA) errichtet. Wenige Meter weiter findet Europa etwas prosaischer zueinander. Ein kleiner Bachlauf strömt von belgischer Seite in Höhe der Georges-Wagner-Brücke auf luxemburgisches Uferland zu. Die Our selbst ist – das gilt entlang der ganzen 92 Kilometer der deutsch-luxemburgisches Grenzflüsse Our und Sauer – Kondiminium: verwaltungsmäßig neutrales Land. Erst jenseits der Brücke ist Deutschland und das Gemeindegebiet von Sevenig im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Mehr Drei-Länder-Ecke und Europa auf kleinstem Raum geht zwischen Eifel und ihren Nachbarregionen kaum. (sli)
INFO: Die offizielle Seite des Luxemburg-Tourismus: www.visitluxembourg.com
Titelbild: Staumauer und Schloss Vianden
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