Opening ’21: Rheinromantik

Wander-Opening ’21: Die „Stahlberg-Schleife“, ein nur 12,7 Kilometer langer Rundweg innerhalb des „Rheinburgen-Wanderwege“-Angebotes, ist für den Saisonstart wie geschaffen: Eine abwechslungsreiche Route mit einem uralten Weinstädtchen als Start und Ziel, phantastischen Weitblicken ins UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal und einigen Überraschungen unterwegs.

16 Wehrtürme hatte die Stadtbefestigung von Bacharach (30 Minuten mit dem PKW südlich von Koblenz) einst, fertig gestellt um 1400 und wohl bis zur endgültigen Zerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg in den 80er-Jahren des 17. Jahrhunderts ein wirkungsvoller Schutz.

Burg Stahleck über Bacharach.

Gekrönt wird das alte Handels- und Weinbaustädtchen von der Burg Stahleck. Und hier beginnt die „Stahlberg-Schleife“, mit dem steilen Anstieg hoch zur Burg, die heute eine Jugendherberge ist. Rund vier Stunden über 12,7 Kilometer mit 550 Metern Höhenunterschied stehen an. Beim ersten Anstieg sieht man Bacharachs schnuckelige Altstadt, „Malerwinkel“ genannt, seine Gassen und Fachwerkhäuser, die drei Stadttürme zum Rheinufer, Fortifikationen wie die Zinnen der Talsperre Richtung Steeg und die hochgotische Ruine der „Wernerkapelle“ also nur von oben.

Das ist schon romantisch genug für den oder die so gestimmte(n). Einen ersten ummauerten Aussichtsplatz auf dem Sonnenturm der ehemaligen Stadtmauer, oberhalb der Burg, hat man „Victor Hugo Fenster“ genannt. Der Dichter sei „vermutlich der größte französische Rheinliebhaber aller Zeiten gewesen“, sind die Autoren einer erläuternden Texttafel überzeugt und zitieren gleich aus Hugos „Le Rhin. Lettres á un Ami“ von 1842. Ein Auszug:

„Wenn die Sonne eine Wolke beiseite streicht und aus einem Dachfenster des Himmels blickt, so ist nichts so anziehend wie Bacharach. Alle diese betagten und mürrischen Fassaden entrunzeln sich und werden lustig. Die Schatten der Türmchen und der Wetterfahnen zeichnen tausend sonderbare Gestalten.“

Blick auf Steeg.

„Türmchen und Wetterfahnen“ – davon entfernt sich der Wanderer jetzt zügig auf dem erst weiter ansteigenden Waldweg und in der Folge hangparallel auf mittlerer Höhe in Richtung Steeg. Das Örtchen liegt sprichwörtlich „zu Füßen“ im engen Seitental. Im Dachstuhl der St. Anna-Pfarrkirche – so die Steeger Touristiker – lebe in den Sommermonaten „Deutschlands größte Population des Großen Mausohrs“. Die Fledermäuse, ausgewachsene Tiere werden zwischen 6,7 und 7,9 Zentimeter groß und haben eine Flügelspannweite zwischen 35 und 43 Zentimeter, verlassen ihre Kirchturmheimat allerdings in den Wintermonaten und ziehen sich in die Tiefen alter aufgelassener Schieferstollen zurück.

Eis am Eingang zu einem der Schieferstollen bei Steeg, die von den „Großen Mausohren“ als Winterquartier genutzt werden.

Diese Ruheplätze, genauer deren Eingänge, werden bald auf der „Stahlberg-Schleife“ passiert. Am Tag der Begehung, es war der erste warme Frühlingstag, hingen noch einzelne Eiszapfen am Zugang zur größten Höhle, ein letzter Wintergruß.

Burg Stahlberg mit dem Steeger Tal.

Dann geht es über den Münzbach und auf der Gegenseite wieder hinauf, erst kurz einen wilden Pfad an einer steilen, dicht mit dicken Efeuästen bewachsenen Schieferwand entlang. Zwischenziel ist die zweite Burg der Runde, zugleich Wendepunkt der Schleife. Burg Stahlberg ist auf einem Felssporn über dem Steeger Taleinschnitt erbaut, heute eine Ruine. Die Burg wurde Ende des 17. Jahrhunderts zerstört. Teile des Ringwalls, ein Rundturm sind noch erhalten, Fundamente weiterer Gebäude wie der Pallas oder die ehemalige Kapelle wurden entdeckt. Die ältesten Mauern stammen aus dem Zeitraum zwischen 1158 und 1168.

Von der Nordspitze des Sporns hat man einen tollen Blick ins Steeger Tal. Hier steht eine Sitzbank, ideal für die erste kleine Pause.

Weiter geht’s von der Burg Stahlberg wieder weg und eine von insgesamt zwei etwas härteren Steigungen hinauf, jetzt über einen steilen Waldweg. Später folgt, schon weiter entfernt von der Stahlburg, der längere Aufstieg zur Gemarkung „Auf der Wetzkant“. Doch die Mühe lohnen sich.

Auf der Höhe: Blick Richtung Rheintal und die Gegenhänge der rechten Rheinseite. Hier verläuft der „Rheinsteig“.

Denn jetzt ist man auf der Höhe eines Hunsrückausläufers, der schließlich jäh ins Obere Mittelrheintal abbricht. Man sieht so auf die Gegenhänge am jenseitigen Flussufer und erkennt gut die Windungen des Stromverlaufs anhand der Geländeeinschnitte. Hier wird das Rheintal flussabwärts von Bacharach schnell zunehmend enger, die Hänge schroffer. Nach Kaub ist wenige scharfe Biegungen weiter der Rossstein und die 90-Grad-Kurve an der Loreley erreicht.

Die Bacharacher Werth, auch Heyles“en Werth genannt.

Rheinabwärts aber, einige Minuten später auf der „Stahlberg-Schleife“ wunderbar zu sehen, breitet sich das Flussbecken aus. Oberhalb vor Bacharach liegt die Bacharacher Werth mitten im Strom. Eine kleine Fähre fährt zur Insel, die eigentlich Heyles’en Werth heißt und seit 1815 in Besitz der Familie Bastian ist. Winzer Friedrich Bastian aus Bacharach bewirtschaftet eine der ungewöhnlichsten Monopollagen Deutschlands,  Seit 1963 wächst hier wieder Wein.

Blick rheinaufwärts nahe des „Vier-Burgen-Blicks“.

Die „Stahlberg-Schleife“ führt zunächst über das Hochplateau, an Feldern vorbei, auch durch Parzellen einer weiteren Weinberglage: „Bacharacher Posten“, ebenfalls von Winzer Bastian. Und dann geht es steil hinab. Der „Orion Steig“, benannt nach einer Schmetterlingsart, die hier heimisch ist, führt über Stufen, Serpentinen, Treppen am Ende hinab ins Städtchen, bis ganz nach unten sind die wechselnden Perspektiven auf Bacharach mit der St. Peter-Pfarrkirche und den Strom selbstredend sehenswert.

Noch knapp unterhalb des Plateaus im Hang hat Winzer Bastian einen besonders schönen Aussichtspunkt geschaffen, den „Heinrich Heine Blick“. Der Dichter – in Analogie zu Victor Hugo vielleicht Deutschlands größter Reinromantiker – widmete Bacharach und der Geschichte der Juden am Rhein ein Romanfragment: „Der Rabbi von Bacharach“. Fehlt nur noch ein „Engländer-Eck“, bekanntlich waren Lord Byron und William Turner ebenfalls von der Kulisse des oberen Mittelrheintals begeistert.

In Bacharach angekommen ist man sofort mitten drin im „Malerwinkel“. Was sich kitschig anhört – aber wenn es doch stimmt? Die pittoresken, reich verzierten Fachwerkhäuser und -häuschen sind alt und sehr alt. Alleine das „Alte Haus“ am Marktplatz sei „als Teil einer Bühnenkulisse“ durch „viele Länder der Welt gewandert“ heißt es stolz auf einer Schiefertafel an der Hauswand des Gebäudes aus dem 16. Jahrhundert. Unweit ist anders als oft üblich mal kein eher sinnleerer Trinkspruch in die alten Balken geschnitzt, sondern überraschend Grundsätzliches: „Wo kein Freyheit, da ist kein Freud“. Wohl wahr.

P.S.: So schön Bacharach ist, an den alten Häusern im „Malerwinkel“ müsste dringend was getan werden, um diese Jahrhunderte alte Schönheit weiter zu erhalten. Eifelschreiber-Leser haben mittlerweile zurecht darauf hingewiesen. Da hat Bacharach sicherlich eine gewaltige Aufgabe vor sich, die ohne Landesmittel oder Gelder etwa aus EU-Töpfen kaum zu stemmen sein wird. Immerhin: der Ort ist Teil des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal, vielleicht sind so Fördermittel zur Stadtsanierung leichter erreichbar.

Am Rheinufer.

Titelbild: Bacharach vom Orionsteig gesehen.