Von Ostern bis Oktober ist in der Eifel Kirmes-Saison. Im kleinen Glaadt an der Oberen Kyll startet heute eine der Ersten. Eine der größten in der Eifel, der Lukasmarkt in Mayen, steht fast am Ende. Doch „Kirmes“ ist nicht gleich „Kirmes“. Und manchmal braucht es Einen, der sie „rettet“.
Heico Nücken ist Schiffsschaukelbremser. Ein Nicht-Ausbildungsberuf wie allgemein der „Junge Mann zum Mitreisen gesucht!“ Das Pappschild mit dem legendären Kirmes-Job fehlt gerade, doch Nücken ist jetzt bei der Arbeit. Wenn er die „Fahrt“ der jungen Gäste in den fünf bunten kleinen Gondeln an der Stahlträgerschaukel beenden will, packt er an den Bügeln zu und verlangsamt behutsam dank Armeskraft.

Ein Euro kostet das Vergnügen, etwa auf dem Platz vor der Mehrzweckhalle in Dollendorf. Wie lange es „geht“ entscheidet Nücken auch schon mal spontan. Im Ort ist Mitte Juni die Antoniusstraße, die zur Pfarrkirche führt, geflaggt. Kirmeszeit ist traditionell Kirchweihzeit. Ein paar junge Leute stehen an Stehtischen vor der Halle. Wenige Kinder mit ihren Eltern schlendern zwischen der Schaukel, dem Kinderkarussell mit den handgemalten Figuren von Walt Disney und der „Süßen Mus“, dem typischen kleinen Kirmessüßwarengeschäft.
So war es zuletzt vor zwei Jahren. In diesem Jahr nicht: Nücken plagen gesundheitliche Probleme, er muss „mal Pause machen“. Aber sonst gibt er freimütig zu: „Ein bisschen bekloppt muss man sein und ein Herz für Kinder haben, sonst macht das keinen Sinn“. Nücken, 45, aus Blankenheim, hat die beiden kleinen Fahrgeschäfte vor ein paar Jahren eigentlich für seine drei Kinder gekauft. Seitdem ist er in manchen Eifeldörfern zum „Kirmesretter“ geworden. Wenn man unter Kirmes Fahrgeschäfte und etwa Schieß- und Los-Bude versteht. Im großen Stil findet eine solche „Nostalgiekirmes“ mit „Jahrmarkt wie anno Dazumal“ im Frühjahr im LVR-Freilichtmuseum in Kommern statt. In diesem Jahr war der Termin vom 14. bis 29. April.
Oft ist die Kirmes tatsächlich nur noch ein Festzelt für die Partynacht.
In der Mini-Mini-Ausführung aber auch auf manchen Eifeldörfern. Wo nicht nur ein Festzelt oder das Bürgerhaus für die Kirmesparty bereit stehen, versuchen Menschen wie Heico Nücken so die Kirmes zu „retten . Damit die Kinder eine Kirmes haben. Bei 150-200 Euro Einnahmen lohnt es sich ja nicht gerade“, grinst Nücken. Er hat vor zwei Jahren eine alte „Knutsch-Raupe“ (Video auf YouTube) gekauft und repariert sie nun. 2020 könnte er sie etwa auf der Kirmes in Blankenheim wieder aufbauen.
Gebuht werden Idealisten wie Nücken mit ihren kleinen Fahrgeschäften von den Vereinen im Dorf, die die Kirmes ausrichten. Da wäre zum Beispiel der 1992 gegründete Kirmesverein in Glaadt an der Obere Kyll, wo traditionell zum Pfarrfest am ersten Maiwochenende die erste Kirmes in der Verbandsgemeinde Gerolstein startet.
Ob in Hollerath das „Holderather Hahnekomitee“, auch in Steffeln oder in Ettelscheid, sind es oft die organisierten Junggesellen, die die „Kirmes“ so zum Namenstag des Pfarrpatrons, oder anderen überlieferten Terminen am Leben halten. Eine solche „Kirmes“ hat ihre eigenen Regeln.

„Wir halten fest am alten Brauch/ und heben jetzt die Kirmesknauch“ singen die jungen Männer des Brauchtumpflegevereins Oberbettingen. „Knauch“ heißt „Knochen“, und ist ein Stierschädel. In Oberbettingen gibt es gleich zwei. Einer wird am überlieferten Platz zu Kirmesbeginn ausgebuddelt, am Ende dort wieder vergraben. Natürlich verbunden mit der Prozession durchs Dorf. „Die Mutter aller Kirmesknochen, sozusagen die „Überknauch“, ist in Oberbettingen ein mit vier Hörnern ausgestattetes massiv-wuchtiges Prachtexemplar eines Stierschädels mit angeschraubtem Zusatzgehörn, weiß bemalt, blutrot die Beschriftung „Kirmes“ und die aktuelle Jahreszahl.
„Wenn Kirmes war, wurde die Verwandtschaft bis in den dritten oder vierten Grad eingeladen“, erinnert sich Alois Mayer aus Daun.
Kirmesmontag veranstalten auch heute noch etwa in Glaadt der Junggesellenverein das früher in großen Teilen der Eifel berühmte „Hahneköppen“. Ein Hahn – mittlerweile aus Stoff – wird kopfüber an eine Leine gehängt. Ziel für die Junggesellen ist es, den Kopf mit einem kräftigen Säbelschlag abzuschlagen. Der Säbel geht reihum, bis jemand den Kopf letztlich abschlägt. Der Junggeselle, dem dies gelingt, gilt als der „Hahnekönig“, der sich eine „Hahnekönigin“ aussuchen darf. Wenn die Erwählte einverstanden ist, wird das Paar gekürt.
Kirmesknauch, Kirmestanz, der Kirmesgroschen für die Kinder, die „Häusertaufe“ wie in Lommersdorf zur Kirmes für die Zugezogenen übers Jahr, auch die „Vor-“ und die „Nachkirmes“ – das sind einige Rituale, die es schon lange vor Beginn der Bestückung des Festes mit Fahrgeschäften gab. Alois Mayer, Heimatforscher aus der Vulkaneifel, kann sich noch gut an die Bedeutung der Kirmes in seiner Jugend in Irrhausen im Islek erinnern: „Wenn Kirmes war, wurde die Verwandtschaft bis in den dritten oder vierten Grad eingeladen“.

Kirmes und Karneval waren einst in den Eifeldörfern die Termine, bei denen die Bevölkerung zusammenkam und die „Kontaktbörsen“. Wer in der Region etwa Gold-, oder Diamanthochzeiter nach dem Anlass des ersten Kennenlernens fragt, bekommt fast immer die Antwort: „Auf der Kirmes“, oder „Im Karneval“.
Die Kirmes in der Eifel, wie sie landauf, landab an den Zufahrtstraßen in die Dörfer auf Transparenten angekündigt wird, hat diesen Charakter im Prinzip bewahrt. Natürlich angepasst an die Gewohnheiten der „jungen Leute“ heute. Live-Musik, Motto-Party im Festzelt oder im Dorfgemeinschaftshaus – nur über die Einnahmen aus diesen Events – „auf der Musik“, wie man es einst nannte – kann auch die Freiwillige Feuerwehr Hillesheim die Kirmes am letzten Juniwochenende finanzieren.
Manche Vereine haben schon den nächsten Schritt getan: Sie setzen auf die auch in der Eifel immer beliebter werdenden „Oktoberfeste“. Da sind die Umsätze für die Vereine garantiert. „Mit der Eifeler Kirmes hat das alles nichts mehr zu tun“, betont Heimatforscher Alois Mayer.
Anbieter mit Fahrgeschäften zu finden wird immer schwerer. Die Aussteller beschränken sich auf wenige große Kirmes-Wochenenden in den Eifeler Mittelstädten.
Auf der Kirmes erwartet man allerdings auch Fahrgeschäfte – und nicht immer ist ein „Kirmesretter“ zur Stelle. Woher nehmen – wenn die Schausteller sich nur um einen Einnahmen sicheren Standplatz auf den großen Kirmesfesten in den Eifeler Städten bewerben?
„Das wird immer schwerer“, bestätigt Otto Hündgen aus Euskirchen aus Erfahrung. Seit zwölf Jahren organisiert er Fahrgeschäfte und Buden für die „Salvator Kirmes“ in Prüm (9.-12.8.). In Daun ist die „Laurentiuskirmes“, die sich um den seit rund 400 Jahren stattfindenden „Laurentiusmarkt“ zum Fest des zweiten Kirchenpatrons der Stadt am 10. August entwickelt hat, die größte Kirmes der Vulkaneifel (10.-14.8.).
„Da waren die Dauner froh mit ihrem Patron, denn der erste der Stadt ist der heilige Nikolaus – doch Kirmes am 6. Dezember?“ Heimatforscher Mayer sieht das ganz pragmatisch. Das Spektakel in der Dauner Innenstadt ist unter anderem für das große Feuerwerk am Kirmessamstag bekannt. Es gibt einen eigenen Bus-Shuttle zum nächtlichen Lichtertheater.

Noch bedeutender ist der „Lukasmarkt“ in Mayen (12.-20.10.), mit dem im Wesentlichen die Eifeler Kirmessaison endet. Im Jahre 1405 wurde der „Lukasmarkt“ auf den Sonntag nach Lukas (18. Oktober) verlegt. Dann ist die gesamte Mayener Innenstadt Kirmeszone. Dazu gehört der „Lukasmarkt“ mit dem in ganz Rheinland-Pfalz noch einzigen Schafmarkt und ein Pferdemarkt.
Und natürlich steht dann in Mayen neben dem großen Kettenkarussell auch ein Riesenrad, (YouTube Video) für Viele der Inbegriff der Kirmes. Vielleicht werden sogar aus dem kleinen Duppach die Mitglieder des Junggesellenvereins zum „Lukasmarkt“ fahren (YouTube Video) Sie haben ihre Hubertuskirmes – (Wochenende um den 2.11.) dann noch vor sich. Und ist die im Dorf vorbei, werden sie, wie immer, den „Kirmesknooch“ feierlich begraben. Bis zum nächsten Jahr.
Titelbild: Die Junggesellen aus Hollerath mit dem „Kirmesknochen“.
Kirmes in der Eifel – Zum Beispiel in diesem Jahr in der Gemeinde Blankenheim:
11.-13.05 Lommersdorf, Ort: Bürgerhalle
15. – 17.06. Ahrhütte
22.6.-24.6. Dollendorf: Vor und in der Mehrzweckhalle
28.06.- 01.07. Mülheim: Festzelt
13.07.-16.07. Reetz: Bürgerhaus
10. – 12.08. Uedelhoven: Bürgerhalle
17.-19.08. Blankenheim
Samstag: Livemusik mit Strike-Up, ab 17 Uhr
Sonntag: Frühschoppen mit Livemusik und Kinderprogramm, ab 11 Uhr
Montag: Livemusik mit Deja Vue, ab 13 Uhr
18. – 21.10. Rohr: Bürgerhalle
19.-20.10. Alendorf: Bürgerhaus
08. – 12.11 Ripsdorf: Beide Gaststätten und Säle
09.11. – 12.11. Blankenheimerdorf: Festzelt im Vogelsang
16.-18.11. Hüngersdorf: Gaststätte Zum Hobbywirt