Exakt 17,569 Kilometer lang ist die Eisenbahnstrecke zwischen Kall und Hellenthal. Hier fährt auch heute noch eine der letzten Regionalbahnen der Eifel. Genauer wieder. Aufgepasst: Hier kommt die Flitsch!
„Etwas irgendwie Schnelles!“ Marita Rauchberger weiß, dass der Begriff Flitsch für das, was ihr Herzensanliegen ist, Ironie ist. Denn maximal 50 Kilometer schnell auf freier Strecke – so flott wäre ein ambitionierter Radler durchs idyllische Oleftal auch. Doch hier geht es um Etwas auf Schienen: ein MAN-Schienenbus VT 9 der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg in rot mit weißen Dach. Unterwegs zwischen Pfingsten und Oktober.

Heidewitzka, Herr Lokomotivführer! Nächster Halt: Gemünd, Olef, Schleiden, Oberhausen, Blumenthal und Hellenthal. Durch einen 130 Meter langen Tunnel und mitten über den Dorfplatz von Olef. Mit Schrittgeschwindigkeit auf Straßenniveau durchs Dorf – das ist sogar deutschlandweit einzigartig.
Marita Rauchberger teilt die Nostalgie. Dass die „Oleftalbahn“, seit 2012 unter Denkmalschutz gestellt, seit einigen Jahren wieder ihren Taktverkehr an den Sonntagen zwischen Pfingsten und Ende Oktober aufgenommen hat, ist auch ihr und der 1995 von 50 Gründungsmitgliedern ins Leben gerufenen „BuBi“, der Bahn- und Businitiative Schleidener Tal e.V. zu verdanken.
Dabei gab es Regionalbahnen in der Eifel über Jahrhunderte einige. Die meisten waren aus strategischen Gründen angelegt worden. Die Vorläufer der Flitsch allerdings dienten fast ausschließlich zivilen Gütertransportzwecken. Schon kurz nach der Inbetriebnahme der legendären ersten Eisenbahnstrecke Nürnberg-Führth 1835.

Denn da entstand durch die Eisenverhüttung- und Bergbauindustrie im Schleidener Tal die Idee: Ein Zug durchs Oleftal zum Bahnhof in Kall, wo der Anschluss ans deutsche Gesamtnetz ist – das wär’s! Am 8. März 1884 wurde die einspurige „Secundärbahn Call=Hellenthal“ eingeweiht. Fast durchweg parallel und ebenerdig zur Straße zwischen Kall und Hellenthal gebaut, waren keine nennenswerten Höhenunterschiede zu überwinden. In Gemünd-Mauel etwa führen die Gleise so direkt an der ehemaligen Eisenhütte von Albert Poensgen vorbei, der hier einst 500 Arbeitern Lohn und Brot bot.
Zum Güterverkehr kam schnell der Personenverkehr. Die „Oleftalbahn“ diente dem aufkommenden Tourismus in der Eifel, aber bis 2005 auch dem Panzertransport hoch zum „Camp Vogelsang“. Eine eigene kurze Gleisstrecke bis Höddelbusch zur Umladung von der Schiene auf die Straße wurde gebaut.
„Große Bedeutung hatte die Bahn vor allem in den 1950er und 1960er Jahren, in denen auch die Personenbeförderung florierte. In den 1960er Jahren fanden täglich zehn Fahrten in jede Fahrtrichtung statt“, heißt es im informativen Flyer zur Bahn. Aus dieser Zeit stammt auch der eigentliche Begriff „Flitsch“, der den damals komplett dunkelrot lackierten VT 95-Triebwagen der Uerdinger Waggonfabrik meint.
Doch mit zunehmender Automobilisierung der Bevölkerung, dem Niedergang der Eisenhüttenindustrie im Schleidener Tal, dem Busverkehr im ÖPNV und neuen Zügen, die auf der kurzen Strecke durchs Eifeltal nicht mehr rentierlich einzusetzen waren, wurde der Betrieb ab 1981 nach und nach eingestellt, die Strecke schließlich stillgelegt. Die 61-Jährige Marita Rauchberger, Galeristin und „Kulturmittlerin“ aus Gemünd, ist seit ihrer Kindheit „bekennende Eisenbahnfreundin“ und arbeitet gerade an einem Buch zur wechselvollen Geschichte der Flitsch.
Seit 1995 setzten sich Rauchberger und die „BuBI“-Initiative das Ziel, die Strecke zu reaktivieren und einen Triebwagen wieder auf die Fahrt zu schicken. Ein Jahre langer Prozess, an dessen Ende aufgrund politischer Widerstände klar war: „Wir müssen das selber machen“, so Rauchberger. Mit der Rhein-Sieg-Eisenbahngesellschaft (RSE) in Bonn wurde ein Partner gefunden, der die Strecke 2008 von der DB-Netz pachtete und der historische Schienenwagen im Depot stehen hat.

Das Angebot nutze die Oleftaler Eisenbahnfreunde nachdem das NRW-Verkehrsministerium eine Betriebsgenehmigung für 50 Jahre erteilte. „Seit dem 1. August 2010 können wir wieder von Kall bis Hellenthal fahren“, freut sich Marita Rauchberger. Zur Premierenfahrt 1995 auf der wieder frei gegebenen alten Strecke wurde sogar ein historischer TEE – Trans Europe Express – von der DB-Strecke Köln-Trier ab dem Bahnhof Kall durchs romantische Eifeltal geschickt – auch entlang der Fachwerkhäuschen im Meterabstand im kleinen Olef.
Die Flitsch ist ein Stück Heimat für die Menschen zwischen Kall und Hellenthal, das wissen die Eisenbahnfreunde. Und damit diese „Heimat“ wieder er-fahrbar wird, kümmert sich die BuBI-Initiative um die Streckenpflege, und bietet die Fahrten speziell in der Tourismus-Saison an. Zahlreiche Wanderwege wie der Eifelsteig passieren ja das Oleftal, Gemünd etwa ist Etappenort. Hier hält auch der „NationalparkShuttle“, der die Besucher hoch nach „Vogelsang IP“ oberhalb des Rursees, dem einstigen belgischen Militärcamp mit NS-Ordensburg-Vergangenheit bringt. Wer will, kann die Flitsch auch als Charterfahrt buchen.
Wenn sie fährt, ist sie jedenfalls „auch meistens voll“, weiß Marita Rauchberger. Fehlt nur noch die komplette Taktung mit dem „Eifel-Express“ der Deutschen Bahn, sieben Tage die Woche. Da müssen noch einige „dicke Bretter“ mit den Zuständigen gebohrt werden. Bis dahin hat man vorsorglich von sich aus den Fahrplan der Flitsch (PDF) ab und nach Kall an den Takt der DB angepasst. Wartezeit beim Umsteigen höchstes fünf Minuten. Bitte das Gleis wechseln!
Und dann geht es in die Zeitmaschine: Einstieg durch die Ziehharmonika-Schiebetür, innen Holzverkleidung, die schmalen Kippfensterchen über den großen Scheiben, die roten Kunstledersitze mit den Eisenhaltegriffen an den Ecken. Der Fahrersitz auf dem runden Schemel, davor Kurbeltechnik wie damals. Und die Flitsch rumpelt, die Flitsch wackelt, bis sie ruhig dahingleitet.
INFO
In der Eifel gab es einige Regionalbahnen, die einst vor allem als Transportzüge für die Wirtschaft und aus militärisch-strategischen Gründen gebaut wurden. Heute sind ist die Trassen der einstigen „Ahrtalbahn“ oder der „Vennquerbahn“ beliebte Radwanderrouten. Die „Rurtalbahn“ zwischen Düren, Nideggen und Heimbach ist im Taktverkehr der DB eingebunden. Die Rurtalbahn AG betreibt auch die schrittweise Reaktivierung der Strecke Euskirchen-Düren der „Bördebahn“ in der Nordeifel. Der „Vulkan-Express“ zwischen Engeln und Brohl-Lützing am Rhein dient vor allem touristischen Zwecken. Offen ist die Zukunft der früheren „Eifelquerbahn“ zwischen Andernach und Gerolstein. Zwischen Prüm und Gerolstein wurde die einstige Trasse der „Westeifelbahn“ allerdings zum Radwanderweg umgewidmet. Die Gleise werden abgebaut.
Bilder: Die Flitsch auf der Strecke: Bahn- und Businitiative Schleidener Tal (BuBi)
„Die Flitsch ist da“ – Teil 1 der Eifelschreiber-Serie zum Öffentlichen Personennahverkehr in der Region.
Teil 2: „Und der Bus kommt doch!„.