Romantisches am Rhein

Zwischen Bacharach und St. Goar/Goarshausen ist das Rheintal für Viele am Schönsten. Auf 22 Kilometern einer Doppeletappe des linksrheinischen RheinburgenWeges versteht man, warum.

Bei der frühmorgendlichen Anfahrt zum Startpunkt der Doppeletappe des RheinBurgenWeges flussaufwärts in Bacharach liegt das UNESCO-Welterbe „Oberes Mittelrheintal“ noch unter einem dicken Nebelwulst begraben. Das wird sich ändern, nach und nach werden zuerst die oberen Ecken des alten Winzerstädtchens ins Sonnenlicht getaucht: Die Burg Stahleck, die Ruine der gotischen „Werner Kapelle“, die Pfarrkirche St. Peter, der Postenturm im Weinberg.

Bacharach vom „Heinrich-Heine-Blick“ am frühen Morgen.

Durch den „Malerwinkel“, ein besonders idyllisches Fachwerkquartier, geht es durch das Steeger Tor jetzt schnell steil über Stufen und Pfade im Weinberg hinauf bis zum „Heinrich-Heine-Blick“ auf Bacharach und das Rheintal flussaufwärts Richtung Lorch und die nördlichsten Ausläufer des Weinanbaugebietes Rheingau.

Hier auf dem Rheinplateau sind die Wiesen am frühen Morgen noch taunass, unzählige Spinnennetze in feinen Astgespinsten verblühten Rapses glitzern im Sonnenlicht. Nebelfetzen wabern, reißen auf, blau leuchtet der Sommerhimmel hindurch. Am Waldrand äsen Rehe, Wildgänse haben sich zu Gruppen in den ersten Sonnenflecken auf den Wiesen versammelt und steigen unter Protestgeschrei auf, als sich der Wanderer nähert.

Tau, der sich in Spinnennetzen zwischen Rapsastwerk verfängt.

Am Rand erster Rebenzeilen kurz ein Blick auf den Bacharacher Werth, die Insel ist Monopollage des örtlichen Vorzeigeweinguts Hahnenhof von Toni Jost, geht es nun immer an der Hangkante entlang.

Rheinblick vor Schönburg.

Passiert wird in der Folge die unterhalb liegende einstige Schiefergrube „Josef und Anna“, die vor 1890 aufgefahren wurde und bis 1915 in Betrieb war. Der Schieferabbau sei allerdings wegen der steilen Berghänge mühsam und die Lagerung des Abraums schwierig gewesen, heißt es auf einer Erklärtafel am Wegrand, zudem die dauernde Gefahr durch das Rheinhochwasser, besonders im Winter mit Eisgang. So sei 1893 das erste Betriebsgebäude unmittelbar am Rheinufer vom Eis weggerissen worden. Bergarbeiter kamen bis aus Luxemburg oder auch aus Mayen zur Grube im Rheinuferhang. Das Wohnhaus der Beschäftigten stand noch bis Mitte der 1950er Jahre als die Uferstraße B9 erweitert wurde.

Die Zollfeste im Rhein: gebaut wie ein Schiff.

Und dann der erste tolle Rheinblick des Tages: Hier auf Burg Pfalzgrafenstein mitten im Rhein. Die alte Zollfeste der Wittelsbacher, gegenüber von Kaub unter der Burg Gutenfels, ist auf einem Felsen im Rhein gebaut. Wie ein Schiff, dessen spitzer Bug sich gegen den Strom richtet. So sollte im Winter das Eis geteilt werden. Die „Pfalz“ vor Kaub wurde als eine der wenigen Burgen im Oberen Mittelrheintal nie zerstört. Der älteste Bauabschnitt stammt aus der Mitte des 12. Jahrhunderts.

Weinrebenweg, Weinberglagenschild „Dellhofener Römerkrug“, Aussichtspunkt unterhalb der Schönburg,.

Kaub ist – vor allem mit Blick auf den aufkommenden Nationalismus in Deutschland spätestens seit dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 – auch für eine besondere Begebenheit bekannt. Hier überquerten die schlesischen Truppen des legendären preußischen Feldmarschalls Gebhard Leberecht von Blücher im Winter 1814 über eigens gebaute Holzbrücken den Rhein. Angeblich der entscheidende Schachzug zur endgültigen Niederlage Napoleons neben der „Völkerschlacht von Leipzig“ und der beim belgischen Waterloo.

Die Schönburg mit dem „Hohen Mantel“, auf der „Elfenlay“.

Der RheinBurgenWeg passiert auch an der „Sauzahnhütte“ oder der „Pfalzblickhütte“ solche markanten Blickpunkte, verlässt später kurz die Nähe zum Fluss und steigt ab ins Engbachtal, bis es unterhalb von Dellhofen wieder hinauf geht. Nun durch die Weinberglage „Dellhofener Römerkrug“, dann wieder in den Wald, später erneut bergab und über winkeligen Pfad hinauf, bis man unvermutet vor dem wuchtigen, 22 Meter hohen „Hohen Mantel“ steht. So heißt das einst mächtigste Bollwerk seiner Art, die Westmauer der „Schönburg“.

Das musste ja so kommen: Ein US-amerikanischer Immobilienmakler, beseelt von Rheinromantik, kaufte die Schönburg.

Die Burg ist seit dem 12. Jahrhundert eine Ganerbenburg mit drei verschiedenen Burgsitzen gewesen, gesichert durch mehrere „Zwinger“, einen Halsgraben und zur Hauptverteidigungsseite mit dem „Hohen Mantel“. Heute ist in dem Gebäudeensemble aus sieben Jahrhunderten eine Jugendherberge und ein Hotel. Nachdem die Schönburg im 30-Jährigen Krieg mehrfach besetzt wurde, wurde sie schließlich 1689 von den Franzosen zerstört, so Thomas Biller und Achim Wendt im lesenswerten Führer zu Architektur und Geschichte der „Burgen im Welterbegebiet Oberes Mittelrheintal“  (Verlag Schnell & Steiner).

Oberwesel

Und dann passierte das, was wohl in der Hochzeit der „Rheinromantik“ passieren musste: „1885 kaufte der New Yorker Immobilienmakler T.J.O. Rhineländer die Burg und ließ 1906 erhebliche Teile wiederaufbauen“, heißt es bei Biller/Wendt. 1950 schließlich wurde die Stadt Oberwesel der Besitzer, und in den 1980er Jahren wurde der Südteil zum Hotel ausgebaut.

Dieser Teil der Schönburg wurde rot mit weißen Fugen gestrichen, ganz wie die Liebfrauenkirche von Oberwesel, zu der nun der schmale Pfad über die „Elfenlay“ schnell hinabführt.

Oberwesel: Das alte Küsterhäuschen an St. Martin, mittelalterliche Ausmalungen in St. Martin, Rosen am „Ochsenturm“.

Oberwesels Altstadt kann man auf einem eigenen „Stadtmauer Rundweg“ umrunden, alleine 18 mittelalterliche Türme der Wehranlage und Stadttore sind erhalten. Sehenswert ist auch die große Liebfrauenkirche, die mit dem „Goldaltar“ einen der ältesten gotischen Schnitzaltäre enthält. An dieser Kirche kommt der RheinBurgenWeg in die Stadt hinein, an der zweiten großen gotischen Kirche, St. Martin oberhalb der langen Martinstreppe, verlässt er wieder den Ort. Alternativ kann man den Wegeanschluss auch nach einem Gang durch die alten Gassen Richtung Norden suchen.

Der Rossstein

Dann geht es parallel des Rheins und mit Blick auf das Massiv des Rosssteins. Der Felsen markiert nach längerer gerader Passage des Flusses rheinabwärts den Übergang zum berühmten Doppel-S rheinaufwärts bis St. Goar/Goarshausen mit dem Loreley-Felsen., der über Jahrhunderte berüchtigten Schlüsselstelle der Rheinschifffahrt nach beziehungsweise vor den Untiefen und Felsen am „Binger Loch“.

Als Rheinsteigwanderer hat man den harten Aufstieg den Rossstein hinauf bis aufs Plateau, wo eine Wanderhütte wartet, in bester Erinnerung. Der Pavillon ist von Oberwesel aus noch gerade zu erkennen.

„Günderodehaus“ mit „Klunie-Terrasse“ und „Turner-Punkt“, Blick rheinaufwärts, auf dem „Trollpfad“, Blick Richtung Urbachtal.

Doch zu früh gefreut, denn auch linksrheinisch verlangt der RheinBurgenWeg nach Oberwesel Tribut. Es geht mal in Kurven, mal in engen und Serpentinen einen sich ziehenden Anstieg hinauf. Zunächst zum „Sieben Jungfrauenblick“, sieben Felsen im Rein, dann zum „Günderodehaus“.

Karoline von Günderode kannte vermutlich das „Günderodehaus“ nicht. Macht nichts, die pittoreske Adresse hoch über dem Rheintal wurde trotzdem Kulisse für „Heimat 3“.

Dass die Dichterin Karoline von Günderode (1780-1806) hier im kleinen Bauernhof mit Speicherhäuschen gewohnt haben soll und sich aus Liebeskummer 1806 in Oberwesel mit einem Dolch erstach, ist eine Legende. Tatsächlich wählte Günderode den Freitod in Winkel im Rheingau. Und dass sie den Bauernhof hier hoch über dem Rheintal überhaupt kannte, darf bezweifelt werden. Doch der Name blieb. Heute ist es ein beliebtes Ausflugsziel mit einer traumhaften Terrasse.

Unterhalb von Urbar.

Ein anderer berühmter Zeitgenosse der Günderode soll aber tatsächlich hier gewesen sein: J.M.W. Turner (1776-1851), malte während seiner Rheinreise 1817 den Blick auf Oberwesel und den Rhein. Eine im Boden eingelassene Bronzetafel, Station der „Turner-Route“, enthält zum Thema auch einen QR-Code fürs Smartphone.

Bildstock oberhalb des Büttenplatzes.

In Höhe von Rheinkilometer 551 geht der Blick nun ein letztes Mal flussaufwärts bis zur Pfalz im Rhein, nur wenige Minuten später ist man an der rechtwinkeligen Biegung am Rossstein vorbei. Nun ist die dichte Waldkulisse gegenüber mit dem wild-idyllischen Urbachtal unterhalb des ausgesetzten Wanderpavillons am Spitzneck der Blickfang.

Weiter geht es den Berg hinauf und über den einen Kilometer langen „Trollpfad“, ein Skulpturenweg mit einer Reihe munterer Stahlrohr-Blech-Gesellen am Wegesrand. Danach ist der Anstieg beendet. Am „Büttenplatz“ lohnt sich eine Verschnaufpause unter dem Schatten spendenden Dach des Wanderpavillons. Der lange Weg hinauf auf 257 Meter wurde nötig, weil der „Ölbergsteig“, einer von zwei Klettersteigen im Oberen Mittelrheintal, nach wie vor wegen Felsbruchgefahr gesperrt ist.

Loreley-Blick

Die Route führt nun einige Meter von der Hangkante entfernt durch den Wald, bis es dramatisch wird. Ein erster Loreley-Blick oberhalb des Bettecks macht die Schroffheit des zum Greifen nahen 193 Meter hohen Felsens deutlich. Ab Oberwesel bis St. Goar/Goarshausen sind zur Warnung der Schifffahrt sogar „Wahrschauen“ aufgebaut, eine Lichtsignalkette, die mit Videoüberwachung die Zufahrt durch die Engstelle und die scharfen Richtungswechsel zwischen Kammereck, Betteck, Loreleyfelsen und Bankeck überwacht und die Durchfahrt regelt.

Gedenkplatte für Clemens Brentano, Heinrich Heine und Heinrich Silcher am Aussichtspunkt „Maria Ruh“, Blick auf die Loreley rheinaufwärts.

Das oberhalb des Kammerecks noch 300 Meter breite Flussbett wird durch die Felsbarrieren kurz oberhalb der Loreley, am Betteck, schließlich auf 145 Meter eingeengt. Bei der Loreley selbst ist der Rhein 160 Meter breit und war bis zu 25 Meter tief. Es sind die engsten und tiefsten Stellen des Rheins auf seinem schiffbaren Abschnitt.

An der Aussichtsstelle „Maria Ruh“ kann man dann in „Loreley-Romantik“ schwelgen. Eine bronzene Gedenkplatte erinnert an die Protagonisten: Den Dichter Clemens Brentano, der die Loreley-Sage erfand, Heinrich Heine, der das bekannte Gedicht schrieb und an Heinrich Silcher, der es 1837 vertonte.

Wasserfall oberhalb von St. Goar und „Wunschwasser“-Schild.

Es folgt am Ende dieser Doppeletappe des RheinBurgenWeges der Abstieg nach St. Goar über hunderte von Stufen und vorbei am „Wunschwasser“. So hat man den gerade sehr dünnen Wasserfall genannt, der oberhalb eines scharfen Einschnittes im Schiefergestein in Kaskaden herabstürzt und sich dann als Bächlein den Weg durch St. Goar zum Rhein sucht. Man solle einen Wunsch auf einen der umherliegenden Schiefersplitter schreiben, heißt es, und die Schrift, abgewaschen vom Wasser, so in die Welt tragen lassen.

St. Goar

Nach rund acht Stunden Wanderzeit und an die 1550 Metern Höhenunterschied ist so das Ziel eines abwechslungsreichen Tages erreicht. Am Rheinufer vor dem Marktplatz von St. Goar hat man Stufen ins Wasser gebaut, dazu eine Brüstung: eine kleine öffentliche Badestelle, zur Abkühlung bestens geeignet.

Die Loreley-Statue

Jetzt, zum krönenden Abschluss, die Autofähre hinüber nach Goarshausen genommen. Wenige Kilometer flussaufwärts, schon unmittelbar vor dem Loreleyfelsen, ist die Zufahrt zur Hafenmole. Ein 15-minütiger Fußweg führt zu deren Spitze und zur „Loreley-Statue“. Die1983 hier aufgestellte 3,30 Meter hohe Bronzeskulptur stammt von der Bildhauerin Natascha Alexandrova Prinzessin Jusopov. Das ist vermutlich eine weitere rheinromantische Geschichte…

Rheinromantik mal anders: an der Hafenmole oberhalb von Goarshausen.

Titelbild: Kurz nach Sonnenaufgang Anfang Juli zwischen Bacharach und Oberwesel.