500 bis 1000 Gäste täglich wollen durch eine 680 Meter lange Halbröhre aus Edelstahl den Berg hinunter sausen. Doch davor hat auf der Sommerrodelbahn in der „Erlebniswelt Eifeltor“ bei Mechernich die Betriebsordnung den Rodelbahn-Streckenwart gestellt. Ein Mann mit viel Gefühl im Fuß.
Der Sneaker ruht. Sascha Ewertz, 38, aus Mechernich hat gerade die Karten kontrolliert. Jörg Buschmann und vorne Tochter Lara, 7, müssen warten. Die beiden sitzen im Hartschalensitz des Rodels und haben sich vermutlich zuvor die „Beförderungsbedingungen“ der Sommerrodelbahn in der „Erlebniswelt Eifeltor“ nicht durchgelesen. Geeignete Kleidung sollen sie tragen, ohne Alkoholeinfluss sein, und Vater Jörg bitte sehr den Fahrhebel mit beiden Händen greifen: Zieht er nach hinten, wird gebremst. Ansonsten wird es immer schneller.
Jobbeschreibung: Ruhe bewahren!
Wann endlich? Noch blickt der Streckenwart am Start mit dem Saisonjob zwischen April und Ende Oktober entspannt vor den beiden Fahrlustigen die ersten Meter der Edelstahl-Halbröhre entlang. Der Vorrodler von Vater und Tochter Buschmann ist gerade losgefahren. Der rechte Fuß von Sascha Ewertz im Sneaker blockiert die Bahn. Das mit seinem rechten Fuß macht der Streckenwart seit sechs Jahren über sieben Monate täglich mehrere hundert Mal. Es ist, wenn man so will, die Kernbeschreibung seines Job-Profils: Den Start kontrollieren, Ruhe bewahren!

Ewertz muss natürlich schon lange nicht mehr auf seinen Rechten schauen, um den Bahnrand genau da zu treffen, wo der Sneaker in Direktkontakt zur Rodelkante stehen soll. „Erst wenn der da durch die erste Kurve ist, paar Sekunden später, kann der Nächste los“, so Ewertz knapp und klar.
„Bremsen!“ – die kleinen Warnschilder auf der Strecke bewirken manchmal bei den Gästen genau das Gegenteil.
Jetzt zuckt der Fuß zurück. 680 Meter. Sieben Kurven, darunter ein 90-Grad-Rechtsbogen. Langsam nehmen Vater und Tochter Fahrt auf. Die ersten Meter sind für die zwei Tagesurlauber aus Düsseldorf noch friedlich. Dann spüren sie schon den zunehmenden Fahrtwind. „Bremsen“ warnen kleine Warnschilder vor den größten Biegungen und „Langsam“ am Ende der Strecke nach kurzen eineinhalb Minuten. Streckenwart Adam Borowsky muss an diesem Tag unten am Hang darauf achten, dass auch der Rodel von Vater und Tochter Buschmann ausrollt, im Stahlseil einhakt und im Schritttempo mit den beiden wieder zum Start den Berg hinauf gezogen wird.
„Unterwegs können wir ja nicht in den Fahrbetrieb eingreifen“, meint Werner Peters lapidar. Er ist Inhaber und Geschäftsführer der 1997 eröffneten Sommerrodelbahn. In den zwölf Jahren seitdem hat er mit den 500 bis 1000 Gästen, die an schönen Tagen auf dem Rodel hinunter sausen wollen, einiges erlebt. Ein Hochzeitspaar war schon öfter dabei. Ein Brautkleid sei zwar „schwer auf dem Rodel zu verstauen“, doch passiert sei bei den Flitterminuten nichts. Ein gutes Omen fürs Eheglück.

„Flitterfahrt“ durch die Halbröhre
Wenn allerdings die Oma unterwegs abbremse, absteige, um mit dem Enkel Blumen auf der Wiese nebenan zu pflücken – dann kann Peters oben am Start froh sein, wenn es weiter unten nicht zum Auffahrunfall kommt. Oder wenn Jugendliche die Fahrt mit dem Smartphone filmen wollen und dabei nicht aufs Tempo achten: Unfall auf der Sommerrodelstrecke. Der empfohlene „Sicherheitsabstand“ von 25 Metern vor dem Vorausfahrenden wurde unterwegs nicht mehr eingehalten. Wer dann auffährt, ist schuld – wie im richtigen Straßenverkehrsleben. Und der Auffahrende geht in dem Moment schlimmstenfalls „ab wie eine Rakete“, so der Rodelbahnchef. Da kann Streckenwart Sascha Ewertz am Start noch so lange den Fuß im Sneaker vor der Freigabe gehalten haben.
Als vor sechs Jahren allerdings ein PKW über die Bahn rollte, hielt auch Peters die Luft an: „Ein Vater wollte die Fahrt seines Sohnes mit dem Handy filmen. Den Wagen hatte er oberhalb des Starts auf dem Parkplatz abgestellt und vermutlich nicht die Handbremse gezogen“. Der PKW setzte sich langsam in Bewegung, dann, den steilen Weg zur Bahn schneller werdend, in Richtung Rodelbahn. Ein Holperer über die Edelstahlröhre. Auf der Wiese dahinter blieb das Auto endlich stehen. Unmittelbar danach habe der Sohn auf seinem Rodel in der Röhre die Stelle passiert, so Peters.
Wie viele Tonnen an Rodeln er pro Saison in die Startreihe wuchtet – der Streckenwart hat es nicht gezählt
Sascha Ewertz, mit dem Kollegen Jaroslav Bychobski im Saisonjob am Starthäuschen, wuchtet jetzt mit festem Griff von den 40 Einzel- und Doppelrodlern das aus der Bahn, was gerade an Fahrgerät mangels Nachfrage nicht benötigt wird. 25 Kilo Kunststoff und Eisengestell ist ein Einzelrodel schwer. Wie viele Tonnen da pro Saison zusammen kommen? Er hat es noch nie ausgerechnet. Jedenfalls sind kräftige Oberarme in seinem Job über die Zeit ein natürliches Arbeitsergebnis.
Erst nach Feierabend geht es auch für den Streckenwart bergab. Zu Fuß. Kontrolle der Röhre, für deren Sauberkeit schlicht der Eifelregen sorgt, vor allem aber die Suche nach verlorenen Gegenständen entlang der Strecke. Meistens findet er Handys. „Von 100, die verloren gehen, kommen nur zwei zu ihrem Besitzer zurück. Der Rest wird von Anderen mitgenommen oder vergessen“, rechnet sein Chef kurz überschlägig aus. Sich darüber noch zu wundern hat er sich abgewöhnt.
Schwarzspringer auf der Trampolinanlage – ein zuverlässiger Ärger
„Dann zählt es!“ meint Bahnchef Peters derweil, wenn er an den Jahresumsatz mit Blick auf die nächste Sommerferienzeit und schönstes Wetter denkt. Im Kassenhäuschen wirft er lieber einen Blick auf den Monitor, der die Trampolinanlage nebenan überwacht. Schon wieder: „Die Personen auf den Trampolins 1, 2, und 3: Verlassen Sie bitte das Trampolin. Sie haben keine Karte“, ruft er streng durchs Mikrofon. Notgedrungen hat Peters offenbar ein hervorragendes optisches Kurzzeitgedächtnis. Schwarzrodler hat er dank Sascha Ewertz, dem Mann mit dem Stopp-Sneaker, so gut wie keine. Aber die Schwarzspringer! Fast wie im Schwimmbad vom Beckenrand.
INFO
Sommerrodelbahn in der Erlebniswelt Eifeltor
Preise: Einzelfahrt ab 2,30 €, Doppelfahrt ab 3 €
Betriebszeiten: Täglich 10-18 Uhr