Sachen gibt‘s: Peter Lönnendonker hat die historischen Rufnamen auch aus der Eifel gesammelt. Tausende Varianten kamen zusammen. Teil 2 zur Sprache der Eifeler.
Man muss sich den klischeehaft spröden Angestellten im öffentlichen Dienst eben anders vorstellen: Er ist genau, er hat eine Lust am Detail. Verwaltungsroutine? Weit gefehlt. Doch nicht Jeder oder Jede „auf’m Amt“ ist wohl so versessen aufs auch Allerkleinste wie Peter Lönnendonker aus Düsseldorf.
Der 60-Jährige hat – man kann es nicht anders nennen – außerhalb der Dienstzeit seine Leidenschaft sozusagen geheiratet. Denn dank Ehefrau Margarete Maria Susanne (gebürtige Zender aus Grevenbroich) machte er sich um ein Kuriosum verdient: Lönnendonker recherchierte 750 deutsche Hauptvornamen mit 36.600 Rufnamen-Varianten. Tausende kommen auch aus der Eifel.

Das Ganze verdankt Peter, der Fan der kleinen sprachlichen Unterschiede, dem Johannes. „Der Ururgroßvater meiner Frau, ein Philipp Spoo aus Winterspelt, hatte vier Söhne, die alle Johannes hießen. Das führte natürlich sofort zu Verwechslungen“, beginnt der selbst ernannte „Rufnamenforscher“ und hat gerade auf dem Rechner einen Ordner seines zweiten Buches zum Thema geöffnet. „Historische Rufnamen der ehemaligen Rheinprovinz und BeNeLux“ heißt der etwas spröde Titel des im Kleinverlag erschienenen Werkes. Doch dahinter verbirgt sich eine ganze Welt.
Jedenfalls: Die vierfachen Johannes wurden in der Familie seiner Margarete Maria Susanne, die eigentlich Margareta Maria Susanna heißen sollte, was bei der Eintragung ins Familienstammbuch geflissentlich vergessen worden sei, „Johann, Hannes, Hänni und Jean gerufen“. Für das, was die Eltern aus welchen Gründen auch immer verschleiert hatten, musste im Alltagsgebrauch die Unterscheidbarkeit gefunden werden. Inklusive der eleganten französischen Variante.
„Ich brauche den Rufnamen, Ort des Vorkommens und das Datum des Eintrags zum Beispiel in Standesamtsbüchern, Familienstammbäumen oder Taufregistern“
Von solchen Alternativen, Abkürzungen und Abänderungen eines Vornamens gibt es, das hat Peter Lönnendonker nach achtzehnjähriger Recherche schriftlich, alleine im Großraum Niederrhein-Eifel-Nordluxemburg-Ostbelgien-niederländisches Limburg und Gelderland „an die 10.000“. Auf eigene Kosten hat er das von ihm recherchierte und das von befreundeten Ahnen- und Namensforschern aus der Eifel, aber auch aus Australien, der USA ober Brasilien zur Verfügung gestellte Datenmaterial kategorisiert. Entscheidende Unterstützung boten ihm die Kollegen aus der Eifel innerhalb der Westdeutschen Gesellschaft für Familienforschung.
„Ich brauche den Rufnamen, Ort des Vorkommens und das Datum des Eintrags zum Beispiel in Standesamtsbüchern, Familienstammbäumen oder Taufregistern“, erklärt Lönnendonker seine Strategie aus der Vielzahl des früher oft nur mündlich Tradierten ein Forschungsergebnis zu machen. Am Ende kann eine Variante sogar erstmals im frühen Mittelalter aufgetaucht sein – ein seltener Glücksfall. Das gedruckte Ergebnis seiner Forschungen hat er wichtigen Bibliotheken zur Verfügung gestellt.
„Maritzebill“ heißt eigentlich Maria Elisabeth, Elisabeth kann auch Billa sein, was sich auch von Sybille ableiten lässt.
Stefan Nicolay, Diplom-Archivar im Bistumsarchiv in Trier, war angesichts „der vielen Stunden genealogischer Forschungsarbeit und mühevollen Tuns“ für die zweite, erweiterte Auflage von Lönnendonkers Standardwerk vom „Erkenntnisgewinn bei der Zuordnung der Rufnamen zu den Eigennamen“ begeistert. Die erste Auflage des Buches befindet sich im Stadtarchiv Bitburg.
„Das glauben Sie nicht!“ meint der Rufnamenforscher und scrollt gerade die von ihm erfassten 401 Varianten des Vornamens „Margarete“ entlang des Rheins und in der Eifel am Bildschirm herunter. „Griett“ ist davon abgeleitet, Gertrud – natürlich immer in allen nur möglichen Schreibweisen. Dass die „Bille“ oder „Billa“, wie sie teilweise in der Eifel heute noch gerufen wird, eigentlich Elisabeth oder Sybille ist, die „Maritzebill“ aber eine Maria Elisabeth, wer hätte es gewusst?
350 Varianten für Johannes
Dass etwa aus dem ursprünglichen Johannes – registrierte Rufnamenvarianten: 350 – auch Hännes, Hännis, Haanes, Hahnes oder, wie 1922 in Winterscheid, Hänni geworden ist, wundert den Experten nicht mehr. „Wobei einige Schreibweisen der Rufnamen dadurch entstanden, dass sie von den Geistlichen und den Standesbeamten einfach nach dem Gehörten aufgeschrieben wurden.“ Etwa das niedliche „Niehsgen“. Die gibt es in der Eifel wie auch den „Äb“. Der steht unter anderem für die Vornamen Abel und Adalbert, oder die „Ria“, die eigentlich eine Maria ist. Apropos: Maria – 318 Varianten – und Josef: Da macht man in den unendlichen Tiefen des Archivs des Rufnamenforschers „ein Fass auf.“
Rufnamen als Teil der Siedlungsgeschichte
Als wichtiges Nebenprodukt der Arbeit, die nach Peter Lönnendonkers Überzeugung „wohl nie enden wird, ergibt sich neben vielem Kuriosem auch Ernstes: Eine Kultur- und Zeitgeschichte der linksrheinischen Regionen und der Eifel: „Wenn sie das Vorkommen der Rufnamen erfassen, entdecken Sie zugleich die Siedlungsgeschichte der Region. Sie erfahren von den vielen Aus- und Einwanderungsbewegungen der Bevölkerung.“
Seine Ehefrau, die letztlich den Impuls fürs Forscher-Gen ihres Peters auslöste, nennt er nicht Margarete Maria Susanne, auch nicht Margaretha Maria Susanna, wie von ihren Eltern einst gewollt, sondern schlicht: „Mäggi“. Für „Lönni“, was sein Spitzname ist, doch das ist ein anderes Feld der Sprachforschung, seine ganz private Rufnamenvariante.
Das Buch:
Peter Lönnendonker: Historische Rufnamen der ehemaligen Rheinprovinz und BeNeLux
2. erw. Auflage, 412 Seiten, 39,95 €
ISBN 978-3-86424-331-8
Teil 1: „Platt os e Geheichnis„ (10. Mai)