In den Notzeiten des 19. Jahrhunderts erlernten viele Familien in Neroth das Drahtbinderhandwerk. Ein Produkt in verschiedenen Varianten wurde zum Verkaufsschlager: Neroth wurde das „Mausefallendorf“.
„De Scheenz bekäppt nobes!“ Mätthi Leifgen, 2017 mit 91 Jahren verstorbener Nerother, konnte sich in solchen Momenten ein Grinsen nicht verkneifen. Sein Gegenüber verstand in der Regel nichts, so die Übersetzung. Weil er kein „Jenisch“ sprach: Die alte Geheimsprache der Händler war in Mitteleuropa weit verbreitet. Und auch Mätthi Leifgen beherrschte den Spezialdialekt.

Die Geheimsprache führt zurück in die Geschichte der Bauernfamilien Anfang des 19. Jahrhunderts entlang der Nerother Hauptstraße. „Der erste Nerother, der mit der Herstellung von Mausefallen in Neroth begann war zweifellos der 1802 geborene Theodor Kläs“, heißt es in der kleinen informativen Broschüre zum Thema (siehe INFO). Demnach hatte Kläs das Handwerk auf seinen Wanderschaften als fliegender Händler wohl von slowakischen Kesselflickern gelernt.
Aus der Armut heraus begannen die Nerother das Metallflechtwerk. In fast dreiviertel der Familien war das vor allem über die Wintermonate üblich. Und auch Mätthi Leifgen, der noch die Geheimsprache der Händler sprach, war später dabei. Mit den Nerother Mausefallen im Rucksack war er viele Monate lang zu Fuß unterwegs. Leifgen kam innerhalb eines Jahres sogar bis nach Königsberg an der Ostseeküste.
Nach England und Irland gingen Chargen mit bis zu 4500 Stück.
Bis in die 1950er Jahre war das Herstellen von Mausefallen im 1000-Einwohner Dorf noch üblich. Abnehmer etwa für die bekannten kunstvoll geflochtenen korbartigen Lebendfallen – sie waren das Hauptprodukt der in den Nerother Familien hergestellten Fallen – fanden die Händler wie Mätthi nicht nur in ganz Deutschland. Beliebt waren die tödlich-tückischen „Lochfallen“, auch etwa in Irland und in England. Lieferscheine belegen Chargen von bis zu 4500 Stück, die dorthin exportiert wurden. Oder die noch heute handelsüblichen Schlagfallen, die aber keine Nerother Erfindung sind.
Helga Wallenborn, die Vorsitzende des 1983 gegründeten Nerother Heimatvereins, kennt die Geschichten rund um die Nerother Mausefallen gut. Sie sind zu Neroths „Wahrzeichen“ geworden, ein Hingucker ist eine riesige Schlagfalle an der Fassade vor dem „Café Mausefalle“ von Dietmar und Christiane Weides an der Hauptstraße.

Kurz hinter der Abbiegung zur Layenstraße, am Dorfplatz mit der 1782 erbauten St. Wendelinus-Pfarrkirche, hat die Dorfgemeinschaft 1995 die ehemalige Dorfschule aus dem Jahr 1844 zum bekannten „Mausefallenmuseum“ umgebaut. Helga Wallenborn schließt die Eingangstüre auf.

Pro Jahr an die 2500 Besucher wollen dieses in der Eifel einzigartige Museum sehen. Zum Beispiel die 1979 an der Hauptstraße ab- und im Museum originalgetreu wiederaufgebaute Drahtwerkstatt von Josef Pfeil. 1885 hatten vier Hersteller die „Nerother Drahtware-Hausindustrie Joh. Jak. Pfeil & Co.“ gegründet. Feil entwickelte etwa eine „Schwipp-Galgenfalle“, Rundloch- oder Würgefallen. Doch er war nicht der Einzige, der kreativ Lebend- und Schlagfallen für die unerwünschten Nager als Manufakturbetreib produzieren ieß.
Eine kleine Nischenbranche entstand in und rund um Gerolstein mit bis zu 150 Arbeitsplätzen.
Peter Mick aus Neroth ließ 1903 sein „Automatisches Fang-Haus für Ratten und Mäuse“ patentieren. Im nahen Neunkirchen gab es die „Eifeler Drahtwaren Genossenschaft“, im gleichen Jahr richtete Christian Oos in Gerolstein sein Unternehmen neu aus: Aus seiner Drahtzieherei wurde eine Drahtwarenfabrik mit Johann Jakob Pfeil als Teilhaber. Etwa zur gleichen Zeit begann E.R. Feymann aus Neroth mit der Produktion von Drahtwaren in Gerolstein und Mülheim am Rhein. 1894 begann die Rudolf Even Co. aus Daun damit, Drahtwaren von Arbeitern aus Neunkirchen und aus der Struth, eine der damals ärmsten Gegenden der Vulkaneifel, zu verkaufen. Um etwa 1900 gründete Mathias Hunz sein Drahtwarengeschäft in Neroth.
Eine kleine Nischenbranche war in der Vulkaneifel entstanden mit bis zu 150 Arbeitern Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts an verschiedenen Standorten. Unter anderem der Erste Weltkrieg, der eine Umstrukturierung der Eisen verarbeitenden Industrie verlangte, die wachsende Konkurrenz durch industriell gefertigte Drahtwaren und der Wegfall staatlicher Förderung führten zum Niedergang des ursprünglich von Nerother fahrenden Händlern begründeten Handwerks.

Die Fabrik von Christian Oos, heute eine Industrieruine, produzierte zuletzt 1993 noch drei Mausefallen, 1997 wurde sie nach 116 Jahren geschlossen. Josef Pfeil, Sohn des Firmengründers, hatte schloss 1979, nach dem Tod seines letzten Angestellten, seine Werkstatt geschlossen. Sie ist heute im Mausfallenmuseum wieder zu sehen.
Die Mausefalle schlechthin, wie man sie mit Neroth in der Vulkaneifel verbindet, ist aber die runde Korbfalle, eine Lebendfalle. Volker Duttlinger, der in Neroth lebt, baut sie noch heute. Im „Mausefallenmuseum“ kann man sie kaufen.
„Das sind aber nicht unsere Verkaufsrenner“, grinst Museumsführerin Helga Wallenborn und schließt hinter sich die Eingangstür zum Museum wieder ab. „Das sind die Kuchengitter!“
Titelbild: Die bekannteste Mausefalle aus Neroth ist die Lebend-Korbfalle. Der Korb besteht aus geflochtenem Draht, ausgenommen die Blechtüre, durch die die Falle entleert wurde. Die Eingänge bestehen aus nach innen ragenden Drahtenden. Nachdem sich eine Maus ins Innere gequescht hatte, verhinderten diese Spieße ihre Flucht.
INFO
Mausefallenmuseum
Mühlenweg, 54570 Neroth
Öffnungszeiten:
1.4.-31-10.
mittwochs 14 bis 16 Uhr
freitags 15-17 Uhr
Gruppenführungen ganzjährig nach telefonischer Anmeldung: 06591-81121
mausefallenmuseum@neroth.de
Literatur:
David Drummond/Joachim Dagg: Mausfallen aus Neroth und ihre Hersteller – Die Geschichte einer Hausindustrie in der Eifel; Heimatverein Neroth, 2012, ISBN 978-3-00-037766-2. Im Mausefallenmuseum zum Preis von 4 Euro erhältlich.