Der Nächste bitte?

Bis 2020 müssen in den Landkreisen Bitburg-Prüm und Vulkaneifelkreis 46 Hausarztstellen neu besetzt werden. Für die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz „ein Tsunami“. Unausweichlich? Ärzte in Lissendorf, Bitburg und Waxweiler zeigen, was man gegen den drohenden Mangel tun kann. 

Zum Beispiel Winterscheid. Etwa jeder Sechste der 170 Einwohner ist hier über 80 Jahre alt. Und Winterscheid ist in der Region eigentlich überall: Die Bevölkerung wird älter – damit auch krankheitsanfälliger mit einem zusätzlichen Behandlungsbedarf. Doch Winterscheid hat Glück! Dr. Klaus Spies hat mittlerweile ein Ärzteteam aufgebaut mit Praxen in Prüm, Traben-Trarbach, in Waxweiler seit 1995, in Schönecken seit 2012, und in Bleialf, zuständig auch für Winterscheid, seit zwei Jahren.

„Die ärztliche Versorgung  der Patienten muss doch im Vordergrund stehen!“ Das muss er zur Begründung eigentlich nicht hinzufügen. Für alle seiner Festangestellten Ärzte werden die Lohn- und Finanzbuchhaltung, Einkauf und Verwaltung der Medikamente, das  Personalmanagement zentral geregelt: „Die Ärzte brauchen sich dann um nichts mehr als um die Medizin zu kümmern. Und am 30. haben sie ihr Geld auf dem Konto.“

Dr. Klaus Spies aus Waxweiler hat in den vergangenen Jahren ein Ärzteteam zusammengestellt, das mittlerweile in vier Praxen in Eifeldörfern arbeitet.

Ein Beispiel, welche Ideen Mediziner haben, um etwas gegen den Hausarztmangel zu tun. Er ist in der Verbandsgemeinde (VG) Prüm schon akut und der größte im ganzen Bundesland. Die Gründe: „ein relativ niedriger Versorgungsgrad, ein leicht überdurchschnittlicher Nachbesetzungsbedarf, erhöhte Fallzahlen, eine geringe räumliche Praxisdichte“, so die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV).  Die VG Prüm ist im  „Versorgungsatlas“ der KV  seit längerem als „Fördergebiet“ ausgewiesen. Auch das kleine Winterscheid liegt in dem Gebiet.

Wenn der Hausarzt nicht mehr kommt – „vielleicht hilft dann aber VERAH.“ Heinz-Peter Thiel, Landrat im Vulkaneifelkreis, hat 2016 ein „Musterprojekt zur Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung im Vulkaneifelkreis“ initiiert.  VERAH ist ein wichtiger Teil davon. Die „Versorgungsassistentin der Hausärzte“, eine weitergebildete Medizinische Fachangestellte beim Hausarzt, könnte etwa Insulinspritzen verabreichen, Wundverbände wechseln, die Medikation überwachen, den Blutdruck messen und den Kontakt zu den Medizinern halten. Das alleine wird aber wohl nicht reichen.

Gegen den Mangel, dem die Landesregierungen in Mainz wie in Düsseldorf für NRW unter anderem mit einer „Landarztquote“ für Medizinstudierende begegnen wollen. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm müssten bis 2020 rund 45 Prozent, im Landkreis Vulkaneifel 50 Prozent  aller Hausarztplanstellen neu besetzt sein. Macht in beiden Kreisen in Zahlen 46 (Stand: 2012). Alleine schon deshalb, weil die Mediziner dann das Alter von 62 Jahren erreichen, mit dem sie statistisch gesehen laut KV meistens in den Ruhestand gehen. Das viele jetzt schon oft freiwillig überschreiten.

Dr. Burkhard Zwerenz in Prüm ist auch 1. Vorsitzender des Hausärzteverbandes Rheinland-Pfalz: „Der Ärztemangel in der Eifel ist nicht größer oder kleiner als in Mecklenburg-Vorpommern. Das ist ein Problem vieler ländlichen Regionen in Deutschland.“

„Zwei meiner Töchter sind Medizinerinnen. Sie können sich den Job aussuchen! Sie gehen weg. Für 60.000 Euro Förderung würden sie nicht hierhin kommen. Sie würden es tun, wenn sie hierhin wollen – und sich dann über die 60.000 Euro freuen.“ Dr. Burkhard Zwerenz ist seit 1987 in Nachfolge seines Vaters niedergelassener Allgemeinmediziner in Prüm und schon jetzt „der Zweitjüngste der praktizierenden Kollegen“ in der Abteistadt.  Zwerenz ist aber auch 1.Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes Rheinland-Pfalz. Der Verband hat bundesweit 30.000 Mitglieder. „In der Eifel ist der Hausärztemangel nicht anders als im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern“, meint Zwerenz nur.

Dr. Dr. med Achim J.-P. Bogs tut was dagegen. Der Mediziner, der auch Jurist ist, ist überzeugt: „Hier wird ein Hausarzt noch wirklich gebraucht. Deshalb bin ich hier!“ Der 59-Jährige muss sich nicht lange fragen, warum er vor drei Jahren die frei gewordene Hausärztlich-Internistische Praxis im Landkreis Vulkaneifel übernommen hat. Bogs ist eben Arzt mit Leib und Seele.

„Hier ist man Hausarzt mit allem ein bisschen mehr als sonst“, meint Bogs und bezieht das auch auf seine Wochenarbeitszeiten. Das beginnt bei den Haus- und Alten- und Pflegeheimbesuchen, die Bogs im Umkreis von 15 Kilometern fährt, ein wichtiges Angebot für seine älteren, nicht mehr mobilen Patienten. Und es endet nicht an den besonderen Herausforderungen in der Sprechstunde: „Auf dem Land muss ich als Diagnostiker ganz anderes leisten als in der Stadt, wo die Fachärzte nebenan zu finden sind“.  Das sei einfach „ein Glücksfall für Lissendorf“, ist Ortsbürgermeister Lothar Schun erleichtert.

Dr. Michael Jager. Foto: Jager

So würde Dr. Michael Jager in Bitburg das, war er in den vergangenen gut zwei Jahren im Kampf um die Zulassung seiner – deutschlandweit erst zweiten – Mediziner-Genossenschaft „medicus – Eifler Ärzte eG“ mit aktuell elf niedergelassenen Ärzten in eigenen Praxen erlebt hat, nicht bezeichnen.  Vor Gericht musste letztlich entschieden werden, dass die Genossen zum 1. Januar dieses Jahres den Betrieb aufnehmen durften.

Der Zulassungsausschuss der KV in Trier hatte eine Gesetzeslücke in der Frage von Regressforderungen bei ambulanten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) – so ist die Genossenschaft klassifiziert – gefunden. Am Ende meinte sogar Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass das kein Hinderungsgrund sein dürfe, nur weil es bisher noch nicht geregelt sei. Eine Mediziner-Genossenschaft als ein Mittel gegen den Ärztemangel auf dem Land – das ist eben ein Novum. Noch.

„Jetzt können wir endlich loslegen, und auch um neue Ärzte werben, die mitmachen wollen“, freut sich Dr. Jager in Bitburg, der medicus-Initiator. Er wird mittlerweile zu Vorträgen in ganz Deutschland eingeladen: Hilfe zur Selbsthilfe gegen den Ärztemangel auf dem Land ist dann das Thema. Und ob das Modell aus Bitburg auch andernorts funktionieren kann, die Frage.

Wenn Förderprogramme, Prämien, Quoten, die Online-Suche von Gemeinden nach ihrem Hausarzt und Bittbriefe wie von Ortsbürgermeistern der Oberen Kyll alleine nicht reichen, dann denkt man sich zum Beispiel in Waxweiler, Lissendorf und Bitburg:  Selbst ist der Eifeler! Das hat sich schon oft bewährt. Oft leider aus der Not. Reichen wird es in diesem Fall nicht.

Titelbild: Dr. Dr. Bogs in Lissendorf.

„Ort sucht Arzt“: Regelmäßig aktualisiert die KV Rheinland-Pfalz die Online-Suche nach Haus- und Fachärzten auch in der Eifel.