Wer in vielen Eifeldörfern mit dem Bus fahren will, kann Pech haben: Da kommt schon lange keiner mehr. Deshalb gibt es in der Region Bürgerbusse.
Es ist kurz vor Neun Uhr am Morgen und mitten in Hergarten an der Bushaltestelle „Amt“ ist es usselig und zugig. Wer jetzt hier auf den Bus wartet – dem kann es ja wie in vielen Eifeldörfern gehen: Ist der Schulbus schon durch, kommt lange nichts mehr. Wenn überhaupt. Auf eine der „Mitfahrerbänke“ setzen und warten, die andernorts angeboten werden? Trampen 2.0? Ina Döring braucht das nicht, dennoch steigt sie gleich ins Warme: Dank Marita Beul. Die sitzt am Steuer eines Acht-Sitzer-Busses, bunt beklebt mit Werbung von Unternehmen in der Gemeinde Heimbach, und ist pünktlich da.

Beul fährt den Bürgerbus – einer von 138 in Nordrhein-Westfalen und von nur rund 300 in ganz Deutschland. Das Angebot für die Gemeinde Heimbach ist sogar das einzige in der NRW-Eifel und das zweitälteste im ganzen Land: Seit 1986 im Taktverkehr mit täglichen Fahrten „Früh“, „Morgens“, „Nachmittags“ und „Abends“. Kindergarten- und Schulöffnungszeiten sowie die Anbindung an den ÖPNV im Landkreis Düren eingeschlossen. Vor allem auch dann, wenn es älteren Menschen möglich ist.

Wie Marita Beul und auch ihr Ehemann Matthias sind aktuell 48 Fahrer und Fahrerinnen ehrenamtlich unterwegs, vier braucht es pro Tag. Gäbe es die Fahrerinnen und Fahrer im Bürgerbusverein nicht, wäre selbst die Förderung dieser Initiativen durch das Land NRW in Höhe von 7500 Euro pro Jahr, zusätzlich zum Geld für die Anschaffung neuer Fahrzeuge, ja sinnlos.
Dabei ist der Bedarf auch in der Eifel eindeutig: „Ich hätte sonst keinen, der mich zum Arzt fährt“, so Peter Hecking, gerade in Hergarten zugestiegen ist. Und Margarethe Rybaki, rüstige Rentnerin, hat ja keinen Führerschein und käme sonst nicht nach Heimbach, um dort etwa nach ihrem Elternhaus zu schauen. „Über den Sinn unseres Busses muss man nicht diskutieren“, ist Ina Döring vom Bürgerbusverein Heimbach überzeugt. Dafür sprechen die Zahlen: 10.196 Fahrgäste 2015, 12.768 im Jahr 2016 und 11.506 Fahrgäste wurden 2017 befördert. Nicht genug für die Träger des ÖPNV um zusätzlich wirtschaftlich funktionierenden Linienverkehr auf der Route anzubieten. Aber viel zu viel, um die Menschen deshalb in ihrer Mobilität einzuschränken.
Im Bürgerbus rund um Daun ist die Mitfahrt sogar kostenlos
Im an Heimbach im Kreis Düren angrenzenden Eifelteil des Kreises Euskirchen (der Altkreis Schleiden) gibt es – noch – kein vergleichbares Angebot, obwohl die Zahl der kleinen Streusiedlungen etwa in der Gemeinde Hellenthal eher noch größer ist. Stattdessen sei ja das kreisweite „Taxibus+“-Angebot da, meint Heiko Rothbrust vom RVK, das ähnlich wie ein Bürgerbus funktioniert: Es ergänzt die ÖPNV-Fahrpläne, der Bus kann telefonisch vorbestellt werden, auf Wunsch werden ältere oder immobile Fahrgäste an der Haustür abgeholt, auch Menschen im Rollstuhl.

Kleiner Haken sind die Preise. Berechnet wird der RVK-Tarif plus ein Zuschlag für den Taxibus. Zum Vergleich: Für die Fahrt mit dem Acht-Sitzer in und um Heimbach herum zahlen Erwachsene 1,50 Euro, Kinder 1 Euro (Geschwister im Kindesalter kostenfrei), für Schulkinder gibt es für 17 Euro die Monatskarte.
Da stutzt Gerd Becker kurz. Er ist Vorsitzender des Vereins „Bürger für Bürger“ in der Verbandsgemeinde Daun im rheinland-pfälzischen Landkreis Vulkaneifel. Der Verein betreibt seit zwei Jahren mit sechs Linien einen Bürgerbus, der 48 Dörfer rund um die Kreisstadt Daun anfährt, ein Zusatzangebot kommt aus der Mini-Gemeinde Sarmersbach (188 Einwohner) hinzu. Die Mitfahrt beim Nahverkehrsversorger rund um Daun ist sogar kostenlos. „Wir wollen unabhängig sein“, meint Becker. Stattdessen steht eine Spendenbox am Fahrersitz.
Möglich ist das dank der Finanzierung durch den Verein und einen jährlichen Zuschuss der Verbandsgemeinde Daun in Höhe von 5000 Euro. Man bleibe zwar trotzdem für 2018 auf einem Defizit für den Fahrbetrieb sitzen, so Becker, aber da würden eben der Verein, der 750 Mitglieder hat, helfen.
Die Bundesregierung hat ein neues Förderprogramm auch für Bürgerbusse aufgelegt.
67 Bürgerbusse (Stand: Januar 2019) gibt es im abseits der Rheinschiene wesentlich ländlich strukturierten Rheinland-Pfalz. In der Eifel etwa in den Verbandsgemeinden Arzfeld, Bitbuger Land, Speicher, Wittlich-Land und eben in Daun (Überblick auf der Bürgerbus-Seite des Landes).
In Bleialf im Landkreis Bitburg-Prüm wurde die Anschaffung des nötigen Mehrsitzers mit Geldern aus einem kreisweiten Modellprojekt und der Verbandsgemeinde Prüm gefördert. Der „Bürgerbus Schneifel“ für 13 Dörfer zweimal wöchentlich zum Mittelzentrum Prüm soll im kommenden Frühjahr seinen Fahrdienst aufnehmen. Die Ehrenamtlichen am Auftragstelefon für die Routenzusammenstellung und 45 Fahrer stehen bereit, so Bleialfs Bürgermeisterin Edith Baur, die den Nahverkehrsversorger mitinitiiert hat.

Wer es ihr in Rheinland-Pfalz gleichtun will, findet Unterstützung bei der Agentur Landmobil. Wichtig: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat ein neues Förderprogramm „LandMobil“ aufgelegt.

Zurück nach Heimbach, wo Marita Beul die Endhaltestelle an der Bahnstation der Rurtalbahn erreicht hat. Kurze Pause. Steigen Fahrgäste um von Bahn auf Bus? Ina Döring vom Bürgerbus Verein ist jedenfalls dankbar, dass auch das Ehepaar Beul den Linienverkehr als Fahrer unterstützt. Denn das muss ja nicht immer so bleiben, selbst wenn der Heimbacher Verein wie die meisten anderen Bürgerbusvereine in der Eifel die Kosten für zuvor nachzuweisende ärztliche Untersuchungen, oder Umschreibungen des benötigten PKW-Führerscheins übernimmt.
Ob in Heimbach, Daun oder Bleialf: Alle Initiativen sind tatsächlich heilfroh, wenn sich genügend Fahrer und Fahrerinnen finden, die in ihrer Freizeit diesen wichtigen Mobilitätsdienst auf dem Land für die Gemeinschaft übernehmen. „In zwei, drei Jahren könnten wir ein Problem kriegen, wenn wir keine neuen Fahrer finden. Viele, die jetzt fahren, werden dann dafür einfach zu alt sein“, warnt Ina Döring.
Manche meinen ja nur : Was solls – in der Eifel fährst Du Auto! Stimmt – Fahrer werden tatsächlich gesucht! Für den ehrenamtlichen Dienst. Gute Stimmung beim Job meistens garantiert. Im Bürgerbüsschen kennt man sich ja.
Titelbild: Grafik Katja Sallas/Verein Bürger für Bürger Daun
„Alle gerne einsteigen“ – Teil 2 der Eifelschreiber-Serie zum Öffentlichen Personennahverkehr in der Region.
Teil 1: „Die Flitsch ist da!“