Die Kittelschierz

Geblümt oder einfarbig, mit kurzen Armen, vorne geknöpft: Das ist der „Blaumann“ der Landfrau. Die „Kittelschierz“. Darf doch nicht wahr sein? Von wegen.

„Die Älteren, ab Ü70, tragen es schon noch. Die Generation, die damit aufgewachsen ist, findet es einfach praktisch!“ Brigitte Willems , Mitglied  im Landfrauenverband Daun, der 1400 Mitglieder hat, muss es wissen. Und deshalb kommt es in ihrem Wohnzimmer in Oberstadtfeld jetzt zu Überraschendem. In mehrfacher Hinsicht, wie sich zeigen wird.

Christine Schmitz (rechts) mit Brigitte Willems.

Christine Schmitz kommt herein. Sie fühlt sich ja etwas unwohl. Was für sie immer der Normalfall war, das, was sie gerade trägt, das soll etwas Besonderes sein? Ihre „Kittelschierz“? Seit ihrer Schulzeit ist das für die heute 84-Jährige doch nicht der Rede wert. Fast alle Frauen ihrer Generation in den Eifeldörfern trugen den „Blaumann der Landfrau“. Um die 50 dürften es alleine in ihrem Landfrauenleben gewesen sein, schätzt Schmitz: Ein Kleid, früher aus Baumwolle, heute aus Mischgewebe, einfarbig, einfaches Muster, vorne geknöpft, knapp über Knie lang. „Kürzer wäre damals auch unzüchtig gewesen“, betont Brigitte Willems. Dazu ist die Alltagstextilie ohne Arme, weit und bequem geschnitten, und hat zwei Seitentaschen: „Das ist die Kittelschierz“, da sind sich Christine Schmitz und Brigitte Willems sicher. Und sie irren!

Ja, das werde oft verwechselt, beginnt Heimatforscher Joachim Schröder aus Pronsfeld. Denn das den Namen wirklich verdienende Modell der „Kittelschierz“ gebe es schon seit mehr als 100 Jahren nicht mehr und hatte sich möglicherweise aus der ländlichen Tracht heraus entwickelt. Die Kleid-Variante gleichen und irreführenden Namens, die auch Christine Schmitz aus Oberstadtfeld trägt, löste es wohl seit Ende des 1. Weltkriegs allmählich ab, schätzt Schröder.

Hannelore Blameuser, die aus einer alten Steffelner Familie stammt, gibt dem Fachmann Recht: „Die Kittelschierz ist eine wirkliche Schürze, meine Oma hat sie noch getragen“. Die Schierz, nicht das Kleid, sei meist dunkel, auch schon mal schwarz gewesen. Waden lang. In der mit breiten Trägern am Rücken geknoteten weiten Schierz sei alles nur Mögliche transportiert worden: Obst, Gemüse, Einmachgläser aus dem Keller – einfach an den Enden zusammengerafft, fertig ist der Tragebeutel.  „Und in den Seitentaschen hatte meine Oma schon  mal ein paar Pfennige für uns Kinder dabei“, so Blameuser. Die Bäuerin trug dazu im Sommer ein Kopftuch, das auch ein geknotetes Stofftaschentuch sein konnte.

Christine Schmitz in Oberstadtfeld stören solche Feinheiten nicht. Ihre „Kittelschierz“ ist jedenfalls das, was sie schon immer war: Ein Kleid, das schon ihre Mutter „morgens an, und abends ausgezogen hat.“ Für den Haushalt, Feld-, Garten- und Stallarbeit, beim Kochen und beim Putzen. Bei Festen oder der Kirmes gab es die Feiertagsvariante in Weiß. „Nur in der Kirche wurde sie nie getragen, allenfalls unter dem Mantel.“

Schmitz jedenfalls trägt „den Kittel“, um das mit dem Kleid oder der Schürze einfach mal wegzulassen,  weiterhin. War ein Modell kaputt und nicht mehr zu nähen, kaufte sie eben auf dem Krammarkt im nahen Daun ein neues. Wäre Oma Schmitz Online, ginge es mittlerweile einfacher. „Das kostet so um die 20 Euro, früher Mark. Teuer war die Schierz ja nie“, meint Schmitz. So viel Getue um etwas so Normales! Aber wenn sie keine mehr hätte? „Dann würde mir was fehlen!“

Titelbild: Drei in Gillenbeuren. (Foto: Dorothea Kirsch)

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