Der Karneval in der Region ist quicklebendig. Sitzungen, Bälle, lange „Züge“ – und Tausende feiern mit. Doch die Anfänge des jecken Treibens waren einfach und bescheiden. In Jünkerath machte der „Vierklub“ den jecken Anfang.
Das Quartett der Ex-Tollitäten im Jünkerather Karneval schwelgt. Drei dickleibige Bilder-Chroniken liegen in der traditionellen Vereinskneipe und „Prinzenhofburg“ der „Kylltalnarren“, dem Gasthaus Schmengler, auf dem Tisch. Das wahre „Schätzchen“ ist die in Sütterlinschrift verfasste älteste aus den 1950er Jahren von Hubert Heinzen. Neffe Horst hat sie mitgebracht. „Das hier waren die Ersten“. Heinzen deutet auf ein Schwarz-Weiss Foto : Vier Männer im Schnee. Sie tragen Zylinder oder ein Hütchen, Spazierstock und Köfferchen in der Hand: Der „Viererklub“.

Franz Freischmidt, Toni Reuter, Heinrich Knörr und Willi Schmengler hatten schon vor dem Zweiten Weltkrieg so etwas wie den Umzugskarneval in Jünkerath begonnen und nahmen die Tradition im kriegsbeschädigten Jünkerath 1947 wieder auf. Wild entschlossen, sich gerade in Zeiten harter Not den Spaß an der Freude nicht nehmen zu lassen. „Der Erste trug ein Schild ‚Anfang des Zuges‘, der Letzte auf dem Rücken eines ‚Ende des Zuges‘“. Wolfgang Bauschen kann sich an Erzählungen erinnern, wie der Karneval in Jünkerath in der unmittelbaren Nachkriegszeit wieder begann. Es gab noch keinen Verein, es gab 1947 noch keine „Sitzung“ – aber es gab den „Viererklub“.
Die „Jungfrau“ des ersten Dreigestirns nach dem Zweiten Weltkrieg war weiblich: Anni Theisgen neben Prinz Heinrich I. (Knörr) und Bauer Willi Schmengler.Erst drei Jahre später,1950, gab es auch das erste „Dreigestirn“. Heinrich I. (Knörr) aus dem „Viererklub“ war die Tollität, Kollege Willi Schmengler gab den Bauern, Anni Theisgen war die „Jungfrau“. Einmal, dann nie wieder, war in Jünkerath die weibliche Rolle im Dreigestirn auch von einer Frau besetzt. Alle drei trugen schon Ornat. Es muss damals ein kleines Vermögen gekostet haben. Zwei Jahre lang taucht dann eine weitere Jünkerather Karnevalsfigur auf: Der „Hofnarr“ gab die bissigen Kommentare zum Narrentreiben. Und der erste Prinzenwagen „wurde von einem Pferdewagen gezogen“, so Winfried Bauschen.
Gefeiert wurde bei „Schmengler“, auch zwei weitere damalige Jünkerather Gaststätten hatten einen Saal: Der „Jünkerather Hof“ und das „Gasthaus Reifferscheid“. Und die Kostüme? Alltagskleidung, ein buntes Band hier, vielleicht ein angeklebter Schnäuzer da. Kostüme aber für die Frauen: Dirndl, Haremsdame – und „natürlich alles selbst genäht“, so Horst Heinzen. Es galt eben das Motto: Wir haben nix, aber wir machen was draus! In der Karnevalswoche und nicht länger.
1951 wurde die „Große Jünkerather Karnevalsgesellschaft“ gegründet. Die Vereinsfahne, angefertigt von einem Trierer Fahnenmacher, wird gut gehütet. Und es gab die erste „karnevalistische Prunk-Sitzung“. Dabei wurden auch Orden an die Aktiven verliehen. Geld für die Anfertigung eines Sessionsordens aber hatte man nicht. Da half der „Wechselorden“, so Martin Dederichs, Präsident der heutigen Kylltalnarren: „Der Redner in der Bütt bekam vom Elferrat den Orden, brachte ihn runter zur Theke bei Schmengler in der Gasstätte vor dem Saal. Von dort wurde der Orden wieder heimlich zum Elferrat im Saal gebracht und dem Nächsten verliehen.“

Und der Rosenmontagszug? Das Dorfleben war das Thema – und es reichte vollkommen aus für den Spaß am Zugweg: 1952 etwa war das Schmuggeln von Kaffee als Einnahmequelle in harten Zeiten aktuell. „Einige Schmuggler wurden erwischt, es kam zu einem Prozess im Saal des Jünkerather Hofs. Manche meinen, es war eine Art Schauprozess. „Großabnehmer gesucht“, lautete das Motto auf dem umgebauten Heuwagen im Zug: Ein „Gefängnis“ für die Straftäter, dazu ein mit preußischer Pickelhaube kenntlich gemachter Schutzmann und Richter in Robe.
Andere Wagen, so auch 1950, nahmen ortsbekannte Typen aufs Korn: „Wenn irgendwo was weg gekommen war oder gestohlen wurde, dann hieß es: Das war Picks Jupp“, schmunzelt Winfried Bauschen. „Jupp, du hast die Gans gestohlen“ zeigte den vermuteten Kleinkriminellen im Gänsestall.
Schon 1953 endeten die zarten Neuanfänge des Karnevals in Jünkerath. Hier schließt auch die älteste erhaltene Karnevalschronik. Tollität Hermann Becker ist in der Chronik selbst nicht verewigt. Lag es daran, dass er bei Schmengler einen dicken Deckel stehen hatte – und es mit dem Bezahlen am Aschermittwoch jedoch nicht so genau nahm?
Bis 1964 ruhte der Karneval. Dann wurde er vom Junggesellenverein „Immer auf Draht“ für ein paar Jahre wiederbelebt. Seit 1980 gibt es die „Kylltalnarren“. 180 Mitglieder. Ihre Vereinsgeschichte beginnt streng genommen mit vier Männern im Schnee.
Historische Fotos: Archiv Kylltalnarren Jünkerath.