Nah am Rhein – dann weit weg

Weiter auf dem Rheinsteig von Linz bis nach Rengsdorf oberhalb von Neuwied: Mit ersten kurzen Felspassagen im alten Wingert und am Ende weiten Blicken nach einem langen Aufstieg.

Das trubelige Linz ist ein guter Startpunkt für die nächsten beiden Etappen. Aber Achtung: Es geht über 2300 Höhenmeter! Von Linz nach Rheinbrohl zuerst knapp fünfeinhalb Stunden über 19,8 Kilometer, dann folgen 29 Kilometer nach Rengsdorf, für die der Wanderführer gute acht Stunden reine Wanderzeit angibt. Diese Werte, das zeigt sich bis zum Finale in Wiesbaden, sind realistisch geschätzt und setzen ein zügiges, trainiertes Wandertempo voraus.

Blick von der Ruine Hammerstein rheinaufwärts.

Der Rheinsteig ist eben nichts für den kleinen Sonntagausflug. Das zeigt sich schnell auch bei diesem „Doppelschlag“. Es geht ständig bergauf und bergab, so unmittelbar hinter der Donatuskapelle in Linz. Nicht über einen bequemen breiten Waldwirtschaftsweg, sondern über teilweise steile, wilde Trampelpfade führt die Route. Dafür sind die Blicke von oben auf den Rhein und die Rheinburgenlandschaft immer die Mühe wert.

Jetzt, auf dem Kaiserberg in Höhe der Mündung der Ahr in den Rhein gegenüber bei Sinzig, ist im Hintergrund noch die Ahreifel zu erkennen. Bald wird auch dieser „Orientierungsrahmen“ wie zuvor schon das Siebengebirge, hinter einer Rheinbiegung aus dem Blick verschwunden sein. Eine erste Ahnung von dem, was im Oberen Mittelrheintal auf den Rheinsteig-Wanderer zukommt, wird sich dafür im weiteren Verlauf dieser beiden Etappen zeigen.

Oberhalb von Dattenberg hat der Steig wieder eine dieser überraschenden Passagen, die den Weg so abwechslungsreich machen. Es geht entlang der Bruchkante eines ehemaligen Tagebaus durch den Wald, immer wieder mit Aussichtspunkten auf den Strom. Das idyllische kleine Ariendorf, das Gut Arienheller – Hersteller eines bekannten Mineralwassers – werden passiert. Dann führt der Weg oberhalb des Schlosses Arenfels durch eine Art Lianen-Wald. Es geht an Streuobstwiesen vorbei, durch Hohlwege oberhalb von alten Gärten, schließlich windet sich der Pfad hinunter nach Rheinbrohl.

Andernach

Von Rheinbrohl nach Rengsdorf wird es „schwarz“. Diese Farbe haben die Wanderführerautoren den als „schwer“ und „anstrengend“ bewerteten Etappen vorbehalten, wo alle anderen „blau“ (für leichte Wanderung) oder „rot“ (mittelschwer) gekennzeichnet sind. Man kennt dieses Farbstufensystem vom Skifahren.

Schloss Arenfels und Bad Hönningen.

Jetzt also die erste „Schwarze Piste“. Nun ist ein ausreichendes Zeitpolster für avisierte acht Stunden reine Gehzeit ebenso zu empfehlen wie Trittsicherheit und eine gewisse Schwindelfreiheit. Aber das gilt ja auch für einige Wanderungen in der Eifel.

Was man an Höhe gewinnt, verliert man bald auch wieder – ein ständiges bergauf und bergab.

Gleich mal 100 Höhenmeter heißt es in Rheinbrohl hinauf zur Lay über dem Örtchen zu knacken, der fast schon erwartbare Wachmacher zum Etappenstart. Wieder lohnt sich die kurze Strapaze, denn von der Lay hat man einen der letzten Blicke Richtung Bonn, genauer nach Wachtberg und den Random, zudem auf den Jachthafen von Brohl und flussaufwärts im Rhein die Insel Hammersteiner Werth.

An alten Trockenmauern im Weinberg.

Keine 60 Minuten später ist es mit der zuvor gewonnenen Höhe wieder vorbei. Man ist auf verschlungenem Waldweg stark abwärts nach Hammerstein abgestiegen, noch knapp oberhalb des kleinen Ortes war ein Rothirsch in der Brunft an diesem Tag, Mitte September, für einige Minuten ein lautstark röhrender Begleiter. Jetzt also wieder auf Rheinniveau.

Aber nur kurz – vielleicht Gelegenheit für eine erste Kaffeepause – denn dann geht es erneut hinauf über einen ersten, kurz leicht alpinen Pfad zur Ruine Hammerstein. Von hier oben ist nun erstmals die Landschaft des nächsten Kapitels des Rheinsteigs zu sehen: Die Öffnung des Stromtals bei Andernach zum Neuwieder Becken.

Man ist nun eine Zeit lang oberhalb von Leutesdorf. Das ist eine Passage, die sich für einen gezielten Nachmittagsausflug wirklich lohnt aufgrund ihrer schönen Wegführung und ihrer Vielseitigkeit. Leutesdorfer Naturfreunde haben hier einen Streuobst-Lehrpfad angelegt, es gibt einen Skulpturenweg – und die Mini-Weinberglage „Hüllenberger Stolperstein“.

Vor seilgesicherten Passagen ist immer eine leichtere Alternativstrecke markiert.

Schließlich geht es aber durch einen alten Wingert steil bergab. Der Pfad ist teilweise seilgesichert und an einigen wenigen Ecken etwas ausgesetzt, glücklicherweise aber nicht allzu lang. Wo auf dem Rheinsteig solche Passagen auftauchen, ist immer eine leichtere Alternativroute markiert. Mitten im Hang, unmittelbar am Fels, ist sogar ein kleiner Unterstand. Eine der schönsten Rheinsteig-Mittagspausenstationen, wie sich zeigen wird.

Durch die Neuwieder Stadtteile Fahr und Gönnersdorf schlängelt sich der Rheinsteig in der Folge in wilden Haken. Man sollte genau auf die Markierungen achten, die innerhalb von wenigen Metern mit den Straßen wechseln.

Dann ist dieses Wirrwarr überstanden und der Rheinsteig führt zum zunächst unscheinbaren Beginn einer Steigung am Ortsausgang von Altwied hoch in den Wald. Noch ist das eher moderat, doch es zieht sich. Nach einem steilen Abstieg zur Laubachs Mühle wird es dann schweißtreibend: Serpentinen und Rampen führen endlich auf die Höhe von Rengsdorf, dem Etappenziel. Das sind im gemächlichen Fall noch einmal gut 45 Minuten gewesen. Es ist – ab Altwied – der längste Anstieg des gesamten 320 Kilometer langen Wanderweges.

Blick ins Neuwieder Becken von oberhalb Rodenbach.

Da macht diese „Schwarze Route“ ihrer Bewertung dann doch alle Ehre. Kurz vor Rengsdorf geht der freie Blick dann viele Kilometer bis in den Westerwald. Davor, noch gerade am Horizont zu erkennen, das silbern schimmernde Band des Rheins.

Die beiden Folgeetappen führen weit ins Hinterland des Neuwieder Beckens das, nebenbei bemerkt, historisches Grenzgebiet ist: Hier entlang war auch ein Abschnitt des römischen Limes mit seinen Wehrtürmen und Hangkantenpalisaden gebaut. Er ist genauso UNESCO-Welterbe wie das Obere Mittelrheintal, das sich unterhalb von Koblenz anschließen wird.

Titelbild: Im Wingert oberhalb von Leutesdorf.

INFO
www.rheinsteig.de
Wanderführer: Rheinsteig, Klaus & Falco Harnach, Kompass Karten GmbH, Innsbruck, 3. Auflage 2019.