Am 13. April hat die neue Saison auf dem Rursee begonnen. Und Herbert Harth sitzt jetzt ab und zu am Steuer. Der „Kapitän“, der keiner ist, ist Dienstältester am Steuer der „Rursee-Bötchen“. Heidewitzka, da sind wir dabei.
„Wir sind ja nicht auf großer Fahrt auf dem Meer!“ Daher ist Herbert Harth, der Kapitän, gar keiner sondern der Inhaber eines Schiffsführerpatentes. Und der Schiffführer der von der Rursee-Schifffahrt 2017 neu gekauften „St. Nikolaus“ steht auch nicht, Wetter gegerbt, am Ruder-Rad mit Seemannsbart unter freiem Himmel auf der „Brücke“. Herbert Harth sitzt stattdessen entspannt auf dem Ledersitz in seiner großen Kabine, eine Hand lässig am kleinen Steuergriff, den Blick auf die Bildschirmanzeigen im Cockpit. Aber mit einem Auge durch die großen Panoramascheiben voraus auf den Obersee.

9,9 Kilometer pro Stunde ist die „St. Nikolaus“ gerade schnell. Und dabei völlig geräuschlos. Nur beim Ablegen zur „12-Uhr-Fahrt“ in Einruhr, Harth hatte zuvor die museal wirkende kleine Schiffsglocke vor der Steuerkabine per Hand geläutet, war ein leises Surren zu hören. „Das ist der Bugstrahler. Der sitzt im Tunnel, daher der Ton“, meint Harth beiläufig. Rund 100 Tonnen – bei maximaler Fahrgastzahl von 250 Personen – wollen durch die Kraft von 117 Lithium-Ionen-Akkus in neun Racks a 13 Einheiten im Schott unter ihm bewegt werden.
Auf dem Oberdeck ist da schon mal Erwin Hoss aus Stolberg begeistert. Mit Ehefrau und einem befreundeten Ehepaar aus Euskirchen ist er gerade zugestiegen: „Kein Qualm, kein Motorgeräusch. Herrlich!“ Wie zur Bestätigung der Stille lassen sich selbst die Enten am Ufer, vergeblich auf von den Fahrgästen herab geworfenes Futter hoffend, nicht von dem 33 Meter langen und 7,20 Meter breiten Schiff stören.

„Ich wünsche ihnen eine wunderschöne Fahrt. Steuerbord, quer ab, wie es in der Seefahrtssprache heißt: Was Sie dort sehen, ist alles schon der Nationalpark Eifel“, erklärt derweil der Schiffführer durchs Mikro über die Lautsprecheranlage. Das macht Herbert Harth im Prinzip nun schon im 57. Dienstjahr so. Er blickt auf gerade nur minimal gekräuseltes Seewasser. Zwei Stunden wird die Rundfahrt von Einruhr über Rurberg und die Urftsee-Staumauer dauern. Das kann er in der Saison bis Ende Oktober vermutlich schon im Schlaf. Die Biegungen der Talsperren auf dem Ober- und dem Rursee rauf und wieder runter. Immer schön in der Mitte bleiben! Seit dem Ruhestand 2008 macht er das aber nur noch ab und zu.
„Ich habe die alle durch“, meint der 75-Jährige, der seit 1962 die verschiedenen Schiffsgenerationen für die Rursee-Schifffahrt gesteuert hat. Als gebürtiger Rurberger sei er ohnehin „vom Wasser nicht weg zudenken. Als Kinder haben uns die Eltern vor dem See gewarnt“. Als Jugendlicher nahm er die Mahnung als Motivation fürs Gegenteil: Rein ins Boot und raus aufs Wasser.

Dieselantrieb sei auf dem als Trinkwasserspeicher angelegten Talsperren-Verbund schnell verboten worden. So hat Harth über die Jahrzehnte die verschiedensten Batterie- und Akkuantriebe kennen gelernt. Und erst die Steuertechnik: „Die ersten Schiffe, ich meine, es war auch die erste ‚Nikolaus‘ dabei, hatten noch ein fest stehendes Ruderblatt und eine fest stehende Schraube. Da ging es nur vorwärts und rückwärts“. Mit dem „SCHOTTEL Navigator“, wie sie auch die kleine „Eifel“ hat, die gerade in Einruhr vertäut am Ufer liegt, war die Schraube schon um 360 Grad drehbar. Und jetzt fährt Herbert Hardt eben mit der aktuellen High-Tech. Dazu gehört: Die „St. Nikolaus“ ist komplett barrierefrei und hat eine Behindertentoilette.
Vor ihm zeigt der Monitor die Kw-Leistung an, den Ladezustand der Akkus, die Geschwindigkeit, aber auch die Temperatur im Motorraum: 22,4 Grad sind es unterwegs zur Urftsee-Staumauer, dem Wendepunkt der Rundfahrt. Der Batterieraum hat eine eigene Heizung und Klimaanlage.
Im Notfall kann die Lux-Werft Online die St. Nikolaus steuern.
„Nein, der Titanic-Effekt kann auf unserem Schiff nicht passieren“, winkt Rudolf Baum unter Deck ab bei einer kleinen Besichtigung der Versorgungs-Schotts im Bück-Gang. Er meint Panik an Bord aufgrund einer drohenden Havarie. „In 20 Sekunden sind wir spätestens wieder am Ufer“, beruhigt Baum, der wie Herbert Harth das Schiffsführerpatent hat. Zudem: Die Lux-Werft in Mondorf-Niederkassel, die das Schiff exakt für die Bedürfnisse der Rursee-Schifffahrt gebaut hat, ist über eine Internetverbindung Online und könnte im Notfall das Schiff „übernehmen“.
Unterdessen steuert Herbert Harth den Anleger vor der Urftsee-Staumauer an, was in den 1960er Jahren nur am Wochenende möglich war. Das Areal gehörte zum militärischen Sperrgebiet. Unter der Woche ging es nur von Einruhr nach Rurberg und zurück. Ein knapp 45 Minuten kurzes Vergnügen.

Rudolf Baum greift zur Rettungsweste, wartet, bis das Schiff in Schrittweite zum Anleger ist. Ein kleiner Hüpfer, vertäuen: „Anleger Urftsee-Staumauer. Sofort Weiterfahrt“, kommt es aus dem Lautsprecher. Fahrgäste steigen zu, Fahrgäste steigen aus. Kaffee und Kuchen, vielleicht ein Snack? Servicekraft Elke Zimmermann bleibt entspannt. Alles im Angebot in der Bordküche. „Es hängt von der Gruppe ab. Wenn eine Gruppe junger Leute zum Junggesellenabschied kommt, können aber schon mal zwei Kästen Bier fällig werden“. Für eine zweistündige Fahrt mit dem Bötchen auf dem Obersee.
„Über allem lacht der Sonnenschein./Herrlich ist es doch bei uns Daheim!“ Cäcilia Drove, 22-köpfiger Kirchenchor aus dem Kreis Düren, ist auf der Rückfahrt in Rurberg zugestiegen und tut, was ein Chor tun muss: Er singt. Einige Herren wurden nach Einnahme der Plätze auf dem Oberdeck zwecks Getränkeversorgung sofort zurück ins Unterdeck abkommandiert. Der Rest singt oben zur Einstimmung „Eifelland“.

Und während knappe 25 Minuten später die „Nikolaus“ wieder in Einruhr festmacht, Schiffsführer Herbert Harth die Schiffsglocke läutet, Rudolf Baum die Schiebetür zum Boot öffnet, die am Anleger wartenden Fahrgäste zusteigen, erklingt es von oben fröhlich „Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch all!“ Cäcilia Drove hat, offenbar schon vorweihnachtlich eingestimmt, die Situation erkannt.
293 „Kinderlein“ waren es, alle Zu- und Abgänge an den Anlegestellen eingerechnet, auf dieser 12-Uhr-Fahrt. Jetzt werden es vielleicht noch mehr. „Die 14-Uhr-Fahrt ist die schwierigste“, weiß Herbert Harth aus Erfahrung. Dann hätten die Fahrgäste meistens zuvor gegessen. Da komme der Durst mit an Bord. In allen seinen 57 Dienstjahren habe er, so der Kapitän, der keiner ist, aber unterwegs „noch nie Jemanden verloren“.
Hinweis: Die Fahrt auf der „St. Nikolaus“ fand im Sommer 2018 statt.
INFO
Die Rursee-Schiffhart bietet Rundfahrten und Sonderfahrten auf dem Rursee und dem Obersee an. Alle Schiffe können für Sonderfahrten gebucht werden.
Rundfahrten starten ab Schwammenauel (Rursee) und ab Einruhr (Obersee) montags und freitags um 10, 12, 14 und 16 Uhr in der Hauptsaison (29.4.-8.9.). Dienstags bis donnerstags ab Schwammenauel zusätzlich um 11, 13, 15 Uhr; zusätzlich dienstags bis donnerstags ab Einruhr um 11, 13, 15 und 17 Uhr. Zusatzfahrten am Wochenende, auf dem Obersee gibt es auch eine „Nationalparkroute“.
Fahrpreise:
Rundfahrten Rursee und Obersee: Zwischen 11,20 Euro und 21 Euro (Erwachsene); 28,60 Euro bis 53,60 Euro (Familien). 10-er-Karten: Rursee-Rundfahrt (1,45 Stunden): 100,80 Euro; Obersee-Rundfahrt (1 Stunde) 72 Euro.
Neben allen Einzelstrecken sind auch Pauschalangebote für Gruppen ab zehn Personen buchbar.
Weitere Informationen an allen Anlegestellen und im Internet: www.rursee-schifffahrt.de