Die „Nohner“

1927 wurde die legendäre „Nordschleife“ am Nürburgring eröffnet. Doch Motorsport gab es in der Eifel schon vorher. Im kleinen Nohn in der Vulkaneifel hatten Fritz und Peter Hoffmann schon drei Jahre vorher beschlossen: „Wir bauen so ein Ding!“: Die „Nohner“ – das Motorrad aus der Eifel.

Schmale Reifchen, darin der noch dünnere Keilriemen für den Antrieb: Fritz Hoffmann posiert 1924 in der Nähe von Bodenbach in der Vulkaneifel auf einem Zweirad, dessen Design-Vorlage unverkennbar ein Fahrrad ist. Mit Hilfsmotor? Weit gefehlt: In Ledermontur sitzt Fritz Hoffmann aus Nohn auf dem Gefährt. Ein von ihm und seinem Bruder Peter gebautes Motorrad. „IZ-10171“ lautet das handbemalte Kennzeichen samt Prüfstempel des „Kraftrades“: Die „Nohner“.

„So 60 Kilometer bekam die schon drauf“, meint Walter Hoffmann. „Wenn es bergab ging.“, meint Walther Hoffmann (links). Sohn Rainer ist mit der „Nohner“ sogar schon Oldtimer-Rennen gefahren.

„Mein Vater und sein Bruder waren Konfektionäre, von denen es auch in der Eifel ein paar gab“, erinnert sich Walter Hoffmann, Sohn von Fritz Hoffmann. Die „Gebrüder Hoffmann“ hatten mitten im Dorf eine Schmiede. Was lag da den erfindungsreichen Eifelern näher, als es mal zu versuchen. Fahrräder hatten sie zuvor schließlich auch schon gebaut. „Sie haben zum Beispiel die Fußrasteranlage geschmiedet“, erklärt Enkel Rainer Hoffmann. Oder  Rahmenteile gelötet. Was fehlte, wurde aus dem Katalog bei Spezialisten bestellt: Getriebe, Lampe, der Ledersitz – der nur gefedert war, aber nicht gedämpft. Der Motor kam von DKW oder Villiers in England.

Was Hoffmanns so zusammenschraubten, segnete der „Dampfkesselüberwachungsverein“ (DÜV), Vorläufer des TÜV, 1924 ab: „Nohn, 18. Febr. Die Gebrüder Peter und Friedrich Hoffmann von hier legten die Prüfung als Auto- und Kraftradführer vor dem  Prüfungsingenieur des Dampfkesselüberwachungsverein von Koblenz mit Erfolg ab. – Eine gleichzeitig stattgefundene Begutachtung ihres selbstgebauten Motorrads mit Markenbezeichnung „Nohner“ lautet auf ‚ausgezeichnet‘.“

Fritz Hoffmann 1924 auf seiner „Nohner“.

„So 60 Kilometer bekam die schon drauf“, meint Walter Hoffmann. „Wenn es bergab ging.“ Unterwegs war es allerdings nicht ganz so einfach, erinnert er sich. Schon als Junge war er natürlich auf der „Nohner“ in den 1940er Jahren unterwegs. „Es gab ja kaum asphaltierte Straßen. Aber Hufnägel und Kuhfladen.“ Ärgerlich auch, dass der „Gendarm“ von Nohn den jungen Walter erwischte – jedenfalls danach: „Er wies meinen Vater und mich scharf zurecht. Aber wohl vor allem deshalb, weil er auf seinem Dienstfahrrad nicht hinter mir herkam.“ Weit weg kam er trotzdem nicht. Der kleine Tank reichte nur für an die 50 Kilometer. Da konnte der Herr Gendarm in Ruhe auf die Rückkehr warten.

Die Geschäftsidee: „Nohner – das Motorrad aus der Eifel“, schlug allerdings fehl. Gegen die aufkommenden industriellen Motorradhersteller hatten die Brüder aus der Eifel keine Chance. Sieben „Nohner“ wurden aber verkauft, bevor die Kleinserie nach rund zwei Jahren 1926/27 wieder eingestellt wurde. Übrig gebliebene Teile wurden verschrottet.  Die Schmiede der Großeltern ist  vor gut 50 Jahren aufgegeben worden.

Ende der Geschichte? Nicht ganz. „Ich bekam 1978 von einem Freund den Tipp: Im Schuppen der Schmiede Deiner Großeltern steht ein Motorrad“, erinnert sich Rainer Hoffmann. Er schaute nach: Die Reifen fehlten, auch die Lampe und der Tank – aber der Rahmen war noch da. Hoffmann, KFZ-Ingenieur, machte sich ans Werk und baute die letzte noch erhaltene „Nohner“ wieder auf. Es ist die mit der Seriennummer „6“. Mit HURTH-Getriebe aus München, einem Stecktank, nachgerüsteten Kettenantrieb und laut angeschraubtem Rahmenstempel „Brems PS: 5“ bei 85 Kilogramm Gewicht.

Heute steht die „Nohner“ im Schaufenster des Reisebüros mit Tankstelle von Hoffmann am Ortsrand von Nohn vor einem ebenfalls historischen Setra S 6 Reisebus. Immer mal wieder stutzen Motorradfahrer beim Betanken ihrer Maschine wenn sie beiläufig in den Ausstellungsraum gucken: „Nohner“ steht handgemalt auf dem orangefarbenen Stecktank des Unikats: Fährt die überhaupt noch?

Rahmennummer: 6, Brems PS: 5: „NOHNER“: Das Rahmenschild des einzigen noch erhaltenen Exemplars des Motorrads aus der Vulkaneifel.

„Klar, kein Problem!“ grinst Rainer Hoffmann. Er rollt das gute letzte Stück – nachgemaltes Kennzeichen: IZ-10067 wie einst im Straßenbetrieb – auf den Hof. Zuletzt 2005 und 2006 war er mit seiner „Nohner“, statt des einstigen Keilriemens mit Kettenantrieb, ja am Start. Bei der alljährlichen „Ernst-Neumann-Neander-Gedächtnisfahrt“ zwischen Insul und Bad Münstereifel.  Neumann aus Kassel war ebenfalls Motorrad-Konfektionär. Wie sein Künstlername hieß auch die Kleinserie: „Neander“. Sein Patent hat später Opel übernommen.

Etwas kompliziert sei die Betätigung des voluminösen Schalthebels für den 3-Gang-Betrieb seines 194 Kubikzentimeter Hubraum starken Zweirads ja schon, gibt Rainer Hoffmann zu: „Dafür müssen Sie den Gashebel der Nohner auf Standgas stellen und kurz runter greifen.“ Er bockt die „Nohner“ auf dem Standbügel am Hinterrad auf. Kein Vorläufer des E-Bikes – aber irgendwie kommt Einem der Gedanke dann doch.