Raffer, Läufer und 104 Eier

Osterbräuche haben in allen katholisch geprägten Regionen eine lange Tradition. Natürlich auch in der Eifel. Die „historische Eierlage“ in Schönecken am Ostermontag ist in dieser Form bundesweit einzigartig. 

Dass die Schönecker „Eierlage“ jemals nicht stattfinden könnte – für die altehrwürdige Junggesellensodalität des Burgfleckens ist das undenkbar. „Wir sind schließlich die Urheber der traditonellen Eierlage“, heißt es selbstbewusst, „sie ist noch nie ausgefallen!“ 1764 ist der erste schriftliche Nachweis der „Eierlage“ am Mittag des Ostermontags dokumentiert. „Wir gehen davon aus, dass es sie aber schon seit 1500 gibt“, so Schriftführer Stefan Hermes von den Traditionswahrern.

Im Abstand einer preußischen Elle: Ein Ei nach dem anderen.

Der Sage nach wollten vor 519 Jahren die Junker, die den adligen Herren auf der Burg oberhalb von Schönecken dienten, wissen, wer ihrer zivilen Helfer aus dem Dorf denn der Schnellste und Tüchtigste sei. Es entstand ein Wettkampf der besonderen Art, der  – bis auf Kleinigkeiten – bis heute unverändert fortgeführt wird. Bis zu 800 Zuschauer wollen dann dabei sein.

Zeitgleich starten ein „Raffer“ und ein „Läufer“, beide tragen traditionell weiße Hose, langes Hemd und Mütze, am Ostermontag nach einem Bruderkuss am Burgmannenhaus aus dem späten 17. Jahrhundert in der Von-Hersel-Straße im alten Ortskern Schöneckens. In diesem Jahr sind es  Christian Gitzen (Läufer) und Julius Thiel (Raffer). Sie haben sich am Palmsonntag gegen zwei andere Duos bei einer Versteigerung der „Eierlage“ durchgesetzt.

104 rohe Hühnereier müssen „Raffer“ und „Läufer“ bei den Schöneckern sammeln.

„Dabei steigern wir runter, von 25 Euro in 50-Cent-Schritten, bis wir von der Junggesellensodalität den Eindruck haben, dass drei geeignete Paare übrig bleiben“, so Sodalist Stefan Hermes zum Prozedere. Er war 2014 „Raffer“ der „Eierlage“ (Video auf YouTube). Nach Beratung in der historischen „Stuff“ des Burgmannenhauses, das auch Vereinslokal ist, wird das aktuelle Eierlagepaar öffentlich den Schöneckern verkündet.

Julius Thiel (links) ist in diesem Jahr der „Raffer“, Christian Gitzen der „Läufer“.

Die beiden müssen nun in der Karwoche bei der Bevölkerung des Burgfleckens bis zum Ostermontag mindestens 104 rohe Eier erbitten – die Hauptbestandteile der „Eierlage“. Im Abstand von einer preußischen Elle, das sind 66,68 Zentimeter, werden die „Rohlinge“ auf Von-Hersel-Straße ausgelegt. Die Strecke ist rund 3,4 Kilometer lang, hin und zurück als 6,8 Kilometer. Errechnet haben das die Schönecker Sodalisten mithilfe einer Gaußschen Summenformel.

Beim Startschuss beginnt der „Raffer“ sie einzeln aufzuheben und zurück zum Sammelkorb zu bringen. Zeitgleich startet auch der „Läufer“. Er läuft 7,28 Kilometer ins Nachbardorf Seiwerath und wieder zurück. 151 Höhenmeter sind zu überwinden. Wer wird schneller sein? Der „Raffer“, der das geschickte Greifen mit Kartoffeln oder Kieselsteinen trainiert hat?

Bis heute trägt die Junggesellensodalität „feinen Zwirn und Hut“ bei der „Eierlage“, wie hier die damaligen Sodalisten am Ostermontag 1907. In der Mitte: „Raffer“ und „Läufer“. Bild: Junggesellensodalität Schönecken

Oder doch der „Läufer“, in der Regel ist er Hobbyjogger und fit genug, dessen Rückkehr an der „Kemel“, dem Wendepunkt seines Rückweges von Seiwerath, mit einem Böllerschuss signalisiert wird? „In den vergangen Jahrzehnten ging es eigentlich 50 zu 50 aus“, so Stefan Hermes. Die  Schnellsten halten den Rekord, ausweislich der Chronik, die immerhin bis 1866 zurückgeht, seit Jahrzehnten: 1974 war Läufer Hans Kleis in 31,45 Minuten wieder da. Zwei Jahre später raffte Wilhelm Müller die 104 rohen Eier in 29,25 Minuten zusammen. Das letzte Ei allerdings legte er nicht mehr in den Sammelkorb ab. Das kann er, so ist es Tradition, einfach in die Luft werfen.

Der Ablauf der Schönecker „Eierlage“ wird mittlerweile andernorts in der Eifel kopiert – sie findet unter anderem in Neroth, Bollendorf  und in Neuerburg statt (alle am Ostersonntag, 21. April).

Startberechtigt sind nur gebürtige Schönecker Junggesellen, die keine Kinder haben.

Sie würden ja öfter gefragt, ob nicht auch Frauen mitmachen dürften, so der Hauptmann der Schönecker Junggesellensodalität. Ausgeschlossen. Denn raffen oder laufen können nur Mitglieder der Sodalität, aktuell sind es 44 zwischen 18 und 57 Jahren. „Und es müssen Schönecker Jungs sein, die unverheiratet sind und keine Kinder haben“, so Stefan Hermes. Der Sieger, egal ob „Raffer“ oder „Läufer“, erhält den Siegerstrauß dann allerdings von der Dame seiner Wahl. Auch wenn so die Gefahr besteht, dass er schon bald nicht mehr aktiv bei den Sodalisten dabei sein darf.

Weitere Osterbräuche in der Eifel

 

Der „Osterbaum“ auf dem Hahnplatz in Prüm. Das Bild stammt von 2017, als der Platz noch im Umbau war. Mittlerweile ist er fertig gestellt.

Bunte Ostereier an Sträuchern oder Bäumen – das sieht man in den Eifelorten wie in allen katholisch geprägten Gebieten Deutschlands in der Osterzeit überall. Früher wurden Eier zum Auferstehungsfest Christi vor allem rot gefärbt, so der Eifeler Heimatforscher Joachim Schröder: „Der roten Farbe schrieb man eine besondere Schutz- und Lebenskraft zu.“ Weshalb bis vor wenigen Jahrzehnten in der Westeifel auch die Bezeichnung „Ruut Ustern“ – „Rote Ostern“ – gebräuchlich gewesen sei, so Schröder.

Passionsspiele, Eierschattern und Osterfeuer

Die Bezeichnung ist heute so gut wie vergessen. Das gilt wohl auch für das früher nicht nur in der Westeifel übliche „Eierpicken“ und „Eierschattern“. So wurden Wettspiele genannt, bei denen es darum ging, mit seinem hart gekochten Ei am Ende die der anderen Mitspieler „angeschlagen“ zu haben. Nur das eigene Spielgerät blieb unversehrt und brachte den Sieg.

Eher spielerisch geht es auch beim „Ostereierschießen“ etwa in Wahlen, in Kottenheim oder in Plaidt in der Osteifel zu  (in diesem Jahr in allen drei Orten am 14. April). Die Teilnehmer schießen auf die Ringe-Scheibe, etwa bei der St. Sebastianus Schützenbruderschaft in Bitburg. Wer die meisten Ringe hat, erhält die meisten der gefärbten Eier.

Die Passionsspiele in Wallersheim werden alle fünf Jahre aufgeführt, das nächste Mal 2023. Das Bild stammt von 2018.

Ein besonderer Brauch endet zwar an Karfreitag, gehört streng genommen aber zu den Osterbräuchen dazu. Alle fünf Jahre werden im kleinen Wallersheim die „Passionsspiele“ veranstaltet.  Nicht so bekannt wie der große „Bruder“ in Oberammergau, aber auch hier ausschließlich mit Darstellern aus dem Ort. Der nächste Termin ist 2023.

Ein Spektakel aus vorchristlicher Zeit ist das „Osterfeuer“ am Ostersonntag, das etwa in Bad Neueunahr jährlich einige hundert Besucher anlockt. Was im Frühjahr aus den Gärten an Grünabfall am Feuerplatz aufgehäuft worden ist – gelegentlich ist auch der Weihnachtsbaum vom Vorjahr noch mit dabei – wird dann verbrannt.

INFO: Beginn der „Schönecker Eierlage“ ist am Ostermontag, 22. April, wie immer um 14 Uhr. Eine lesenswerte Broschüre enthält alle Hintergründe zur Tradition: „Schönecker Eierlage – Entstehung, Geschichte und Ablauf eines historischen Brauches im Eifelort Schönecken“, herausgegeben von der Junggesellensodalität Schönecken, 2008, 108 Seiten, 2 Euro. Erhältlich bei der Junggesellensodalität.