Klepperkinder-Tage

Zwischen Karfreitag und der Osternacht schweigen die Glocken. Sie seien nach Rom zur Segnung geflogen und kommen an Ostern wieder zurück, so die Legende. In der Zwischenzeit wird in vielen Dörfern der Eifel von Kindern gekleppert. Der Lärm von hölzernen Ratschen, Raspeln und Kleppern hat eine lange Tradition.

Lara aus Stadtkyll mit ihrer Ratsche.

„Die habe ich von meinen Opa!“ Lara, zehn Jahre alt, ist stolz. Um den Bauch am Stoffriemen hängend hat sie eine ungefähr 30 Zentimeter große Kiste aus Buchenholz. Und jetzt dreht sie die Handkurbel, mit der eine Walze mit Nocken in der Kiste in Bewegung gesetzt wird. Holzleisten werden so angehoben, die beim Zurückschnellen ein unüberhörbares knallendes Geräusch erzeugen. Lara ist schon fünf Mal ein „Klepperkind“ in Stadtkyll an der Oberen Kyll gewesen, und ihre Ratsche, die auch Räppel genannt wird, gehört natürlich dazu.

Bis zu 30 Kinder zwischen dem Kita-Alter bis etwa 15 Jahre können so in der Karwoche im Ort unterwegs sein. Sie treffen sich am Karfreitagmorgen am Josephsbrunnen neben der Pfarrkirche, werden für die verschiedenen Routen durch den Ort eingeteilt – und dann geht es schon los. Mit Ratschen, Raspeln und Klappern oder Kleppern ziehen sie morgens um Sieben, am Mittag und gegen Abend um 18 Uhr durch die Straßen. Kurios ist das nicht. Es hat vielmehr in der schon immer katholisch geprägten Eifel eine große Tradition.

Die Klepperkinder strukturieren den Tag.

„Et lockt Bettglock“ – „es läutet die Betglocke“ -, „Et lockt Mettisch“ –  „es läutet zu Mittag“ skandierten die Kinder etwa in Weinsheim bei Prüm. Oder auch „Et Lockt fird iarscht“ – „Es läutet zum ersten (mal)“ und „Et lockt zu Hof“ – die Aufforderung an die Kirchgänger sich auf den Weg zur Karfreitag-Liturgie zu machen. Appelle im Dialekt, die in den Dörfern unterschiedlich sind, aber immer die gleiche Botschaft haben: Wo zu der Zeit Christi am Kreuz und im Grab aus Respekt die Glocken schweigen, strukturieren die Klepperkinder ersatzweise den Tag. Bis zur Wiederauferstehungsfeier, der Ostermette in der Nacht zum Ostersonntag.

 

 

Laras Opa Cornelius Bach, 70, ist selbst als Kind kleppern gegangen. Seine Klepper, ein Hämmerchen, das – ähnlich einer Handglocke – auf eine Holzleiste schlägt und dabei ein klapperndes Geräusch erzeugt – hatte er damals geschenkt bekommen. Später hat Cornelius Bach die kleinen Instrumente, die auch die Schellen der Messdiener in der Kirche während der Karwoche ersetzen, selbst  gebaut und den Klepperkindern in Stadtkyll geschenkt. War eine Raspel, Ratsche oder Klepper defekt – Opa Bach hat sie repariert. „Als meine Familie damals nach Stadtkyll gezogen ist, gab es die Tradition hier leider nicht mehr. So kannte ich es aber doch aus meiner Kindheit. Also haben wir die Tradition hier einfach reaktiviert.“

Das wurde laut: Die Klepperkinder aus Büdesheim 2009. Foto: Udo Schickora

In der Regel werden die kleinen Instrumente für die Weck-Umzüge der Kinder durchs Dorf vererbt. Und ist die Karwoche vorbei, sind sie wohlbehalten aufbewahrt, bis sich kurz vor der nächsten Karwoche etwa in Hillesheim, Prüm, im Kreis Euskirchen etwa in Bleibuir, Sistig oder Sötenich, die Klepperkinder zu den Runden neu verabreden. Besonders weit verbreitet ist die Tradition zum Beispiel in den Dörfern der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Selige Helena Stollenwerck Simmerath. Gekleppert wird in Dedenborn,  Eicherscheid,  Simmerath, Kesternich, Rollesbroich, Hammer, Lammersdorf, Steckenborn, Strauch, Einruhr, Rurberg, Woffelsbach und Paustenbach.

Die „Kleppermeister“, oder „Kupphären“, wie sie in Pronsfeld in der Westeifel heißen – immer die Ältesten, die dabei sind – ordnen die Gruppen. Die Routen sind meist entsprechend den historischen Siedlungskernen der Orte. In Pronsfeld etwa gehen der Züge „durchs Oberdorf, durchs Mitteldorf, einer zu den ‚Holländern‘“, so der Heimatforscher Joachim Schröder.

Mal richtig Krach machen können – mit kirchlichem Segen sozusagen. Die Büdesheimer Klepperkinder 2009. Foto: Udo Schickora

Unterwegs waren traditionell nur Jungen, die Messdiener der Pfarrgemeinde. Das hat sich mittlerweile geändert. Geblieben sind die gesungenen Dialektsätze und die Zeiten, zu denen gekleppert wird. „In meinem Geburtsort Mirbach in der Vulkaneifel haben wir aber auch noch am Morgen des Ostersonntag gekleppert, als die Auerstehungsmette noch am Morgen des Ostersonntags gefeiert wurde“, so Conelius Bach: „Lück stohnt opp, Lück stohnt opp, sonst is der Herrjott vür Üch opp“. Die Dorfbewohner wurden so rechtzeitig gerufen. Sonst sei Christus ja schon vor ihnen auf“ge“standen.

Für Österreich hat die UNESCO 2015 das Kleppern als immaterielles Kulturerbe“ unter Schutz gestellt.

Für Manche ist der Lärm, den die selbst gebauten Holzinstrumente machen, schlicht Krach. Das akustische „Erlebnis“ ist unbestritten. Den Kindern, die dabei sind, macht das Spaß. Einerseits. Aber sie bekommen für den Glockenersatzdienst traditionell am Karsamstag, nach dem letzten Klappergang, eine Belohnung für das Jeräppel um den Ohren: Eier, Süßigkeiten, auch kleine Geldgeschenke.

Das Klappern oder Klepppern ist in Deutschland schon mindestens seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesen. Für Österreich hat es die UNESCO 2015 als „immaterielles Kulturerbe“ unter Schutz gestellt. Hört man es nicht mehr, fällt das Schweigen der Glocken, das es ersetzt, dem Einen oder Anderen vermutlich gar nicht auf.