Es kann nur Einen geben!

In diesen Wochen werden in Deutschland zwischen 24 und 25 Millionen Weihnachtsbäume verkauft. Millionenfach eine Herausforderung: der oder keiner! Natürlich auch in der Eifel.

„Hauptsache, er gefällt Ihnen!“ Martin Roters reicht seinem Gegenüber aus dem kleinen Bauwagen heraus einen winzigen Becher. Trester mit Honig versetzt. Das kann, je nachdem muss es auch, nach der zuvor getanen Arbeit jetzt so sein! Vor dem Wagen sind es gerade knapp unter null Grad, ein kaltes Lüftchen macht es ungemütlich. Doch solche Umstände stören die Wenigsten, die hierhin den Weg gefunden haben. Sie suchen den Einen! Und sie suchen ihn da, wo er verwurzelt auf seine Bestimmung wartet. Frischer geht es schließlich nicht als in der Weihnachtsbaumkultur.

„So klein, wie er Ihnen gefällt!“, rät Martin Roters.

Auf gut einem Hektar bewirtschaftet Martin Roters im Kerpener Wald die 1976 angelegte Blaufichtenkultur. Sie ist mittlerweile im dritten Umbruch. Im vergangenen Rekordsommer hat Roters zwar stellenweise Trockenschäden festgestellt, aber die Sitkafichtenlaus machte ihm an einigen Ecken mehr Sorgen. Bäume, die davon befallen sind, musste er fällen. Die allermeisten seiner Blaufichten blieben aber von beidem verschont und sind so bis auf weiteres das, wofür sie gewachsen sind: Lauter Möglichkeiten eines Festtagbaums. Mal schon im Advent draußen, oder ab Heiligabend als Weihnachtsbaum drinnen. Eine traditionell spätestens an Mariä Lichtmess (2. Februar) endende Bestimmung.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden Tausende Licht-und-Kugel-Trägerpflanzen von Kunden aus dem Gerolsteiner und Hillesheimer Land, aber auch aus Köln oder Bonn bei Roters mitten im Wald entweder mit den bereitgestellten Blattsägen abgesägt, mit Handbeilen geschlagen, oder der Spezialist fürs Jahresende-Grün übernimmt den kleinen Job bis hin zum Lieferservice selbst. Bis zum 23. Dezember ist Roters jetzt zwischen 10 und 16 Uhr in seinem Bauwagen und wartet auf die „Baumsucher“, die am Ortsausgang von Kerpen einfach der Beschilderung in den Wald folgen müssen (Tel.: 0177-5257134).

Manche seiner Kunden hätten die Tour zu ihm in den Wald da gleich zum Anlass, „fast schon einer Kappensitzung“ gemacht, schmunzelt der Grün-Händler. Es habe sich um eine Thekenmannschaft aus Köln gehandelt, die bei ihm über gut 15 Jahre hinweg alljährlich gleich dutzendfach die Bäume geschlagen und gekauft habe. Am Ende durchaus einer Wahl mit Qual, denn „Jeder sucht ja SEINEN Baum und keinen anderen“, so Roters: Gerade gewachsen, mit mindestens einer schönen Seite.

Für viele deutsche Wohnzimmer soll der geschmückte Eckensteher dabei nicht mehr eine Nobilis (Edeltanne) oder Blaufichte sein. Stattdessen führt an der nach dem finnischen Biologen Alexander von Nordmann (1803-1866) benannten Tanne auch im 508. Jahr nach der ersten Erwähnung eines öffentlich aufgestellten „Weihnachtsbaumes“ – es war wohl eine geschmückte  Holzypramide und sie stand im lettischen Riga oder in Estland, da herrscht eine gewisse Uneinigkeit – kaum ein Axthieb vorbei.

Den kann man sich vor dem Schuppen in der Ortsmitte des idyllischen Burgortes Kerpen sparen. Hier hat Alois Keul am Tag vor dem dritten Advent seinen alljährlichen Weihnachtsbaumverkauf begonnen. Seit 1983 ist er im Saisongeschäft. Schon fast 100 Bäume aus dem eigenen Wald haben so in diesem Jahr nach knapp fünf Stunden am Eröffnungstag eingenetzt den Besitzer gewechselt. Im Schuppen gibt es dazu auf Wunsch Glühwein und „Apfelsaft“.

Keul ist Mitglied im Arbeitskreis Rheinland-Pfalz der offiziellen Jahresende-Festgrünerzeuger. Rund drei Hektar groß ist seine seit 32 Jahren bestehende Kultur oberhalb der von Kollege Roters. Der Anbieter im Kerpener Ortszentrum hat auch ein Herz für Last-Minute-Sucher: „In diesem Jahr verkaufen wir die Bäume noch bis zum Mittag an Heiligabend.“ Das sollte man sich vorsichtshalber merken.

„Sie können natürlich auch wegen der Plätzchen kommen“, meint Alois Keul.

So idyllisch das alles in der Vulkaneifel ist – andernorts heißt es: Auf zur Blattsägen-Schlacht! Ebenfalls am Samstag vor dem 3. Advent wurden im Waldgebiet Buhlert zwischen Strauch und Schmidt in der Gemeinde Simmerath rund 800 Fichten und Edeltannen von ihren glücklichen Neu-Besitzern abtransportiert. „Schlagen Sie Ihren Weihnachtsbaum selbst!“ lautet hier seit einigen Jahren das Motto. Das ließen sich Hunderte nicht zweimal sagen. 15 Minuten sind dabei der „Finder-Durchschnitt“. Manche seien zwar schon nach „zwei Minuten so weit“, fasst Dietmar Wunderlich Erfahrungen aus 18 Jahren Weihnachtsbaumverkauf im Gemeindewald zusammen, „aber Andere brauchen eine Stunde und mehr“.

Auf einer Strecke von 1,5 Kilometern parallel zur L 264 ist die Gelegenheit zum Selber Schlagen des „Baums“ – was den Preis fürs Jahresendegrün deutlich senkt – an drei Stationen möglich. „Hier nur Fichte!“ schallt es aus dem Bauwagen an Station 1 schon mal vorsorglich. Station 3 ist ausschließlich den Freunden der Nordmann-Tannen – Nadeln stechen nicht! – und Nobilis vorbehalten.

Rund 1500 Bäume werden pro Jahr neu angepflanzt, weil sich das „Selber-Schlagen“ Event-Angebot bei den „Baum-Suchern“ aus der Städteregion, dem Südkreis Euskirchen, sogar aus Köln und dem Niederrhein schon längst herumgesprochen hat. Das Wesentliche befindet sich vor Ort links und rechts von Kassenhäuschen, Einnetzgeräten und Glühweinbude in eingezäunten Schonungen und ist in allen Größen verfügbar. Genug für Jeden? Doch hier ist Mann oder Frau ja nicht allein! Entlang der ausgetretenen Pfade zwischen den Fichten- und Tannenreihen immer wieder die ernüchternden frisch abgeschlagenen Stümpfe: Hier stand Einer, der für Jemanden schon der Wahre war. Können Idealvorstellungen vom „Baum“ so unterschiedlich sein? Zu spät!

Event im Gemeindewald: Das alljährliche „Weihnachtsbaum Selber-Schlagen“ bei Simmerath lockt hunderte Besucher an.

Das gilt im Prinzip auch für den Festtagsglanz-Giganten, der bis vor einem Jahr noch in Mülheim bei Blankenheim stand. Eine 25 Meter hohe, frei stehende Rotfichte. Perfekt gewachsen. Zu schön, um bleiben zu können. Es kamen die Profis vom Baumfäll-Spezialisten, es rollte ein Tieflader an. Und dann ging die bestellte, gefällte, per Haken am Kranausleger auf die Ladefläche gelegte und festgezurrte, Pracht nach Köln. Dort zierte der Riese aus Mülheim, am alten Standort der letzte seiner Art, den Weihnachtsmarkt auf dem Roncalliplatz. Gutes aus der Eifel!

Das schnöde Ende dieser Star-Karriere eines Weihnachtsbaumes als Brennholz und – gehäckselt – Grünfutter für den Kölner Zoo sei nur der Vollständigkeit halber hinzugefügt.

Alles für den Baum
Die Weihnachtsbaumanbieter aus der Eifel nehmen vor Ort für den laufenden Meter in der Regel zwischen 11 und 15 Euro. Auf den Märkten in den Ballungsgebieten verlangen Kollegen aber schon mal für die Nordmann-Tanne bei der Standardgröße zwischen 1,50 bis 2 Meter mehr als das Doppelte. Unterschiede ergeben sich aus der Qualität. Die Nordmann-Tanne – 85 Prozent des Gesamtumsatzes bundesweit– sollte nicht mehr als 20-25 Euro den laufenden Meter kosten, am anderen Ende der Preisskala die einfache Tanne fünf bis sieben Euro den Meter. Insgesamt sind die Preise mit denen aus dem Vorjahr vergleichbar.

Der allgemeine Trend geht zu etwas kleineren Bäumen. Nach Angaben der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald hat das Interesse an regionalen Produkten auch bei Weihnachtsbäumen zugenommen. 30 Prozent der im Alter von acht bis zwölf Jahren geernteten Bäume werden direkt bei landwirtschaftlichen Betrieben gekauft, weitere 30 Prozent im Straßenhandel und der Rest in Supermärkten sowie in Garten- und Baumärkten. Bundesweit gibt es zwischen 2000 bis 4000 Produzenten. In Deutschland haben NRW (vor allem im Sauerland), Niedersachsen und Schleswig-Holstein die größten Anbauflächen.