Der Schlafsaal der Mönche

In 3,5 Quadratmeter kleinen Schlafzellen, aufgebaut in drei großen Gemeinschaftsschlafsälen, verbrachten die Brüder und Patres in der Abtei Mariawald die Nacht. So war das bei den Trappisten oberhalb von Heimbach wie bei vielen anderen Orden über Jahrhunderte üblich. Die Tradition wurde erst zur Jahrtausendwende beendet. Mariawalds letzter Abt Josef Vollberg gewährte jetzt einen seltenen Blick in das, was auch für ihn über Jahre „ein Teil der gelebten persönlichen Armut war“.

Die „Klausur“ einer Abtei ist der Teil, der der Öffentlichkeit verschlossen ist. In der Abtei Mariawald leben und meditieren hier die derzeit zehn Brüder der Trappistengemeinschaft. Sie sind die letzte Mönchsgemeinschaft ihres Ordens in Deutschland, das noch im eigenen Kloster lebt. Hier wollen sie ganz für sich und ihren Glauben sein. Und hier schlafen sie natürlich auch. Untergebracht ist die Klausur in dem aus dem Jahre 1911 stammenden neogotischen Teil der Abteigebäude, von außen durch große Fenster im ersten Obergeschoss erkennbar. „Da oben ist der Bruderschlafsaal, dazu gab es den Novizen- und den Patresschlafsaal“.

Abt Josef Vollberg im ehemaligen Schlafsaal.

Abt Josef Vollberg öffnet die große Holzpforte zum Gebäude, durchs Treppenhaus geht es nach oben. Eine normal hohe Tür: Dahinter ein vielleicht fünf Meter großer hallenartiger Raum. Alte Eisenfenster, die noch aus der Erbauungszeit des Gebäudes 1911 stammen können auf der einen Seite. Gegenüber neuere Fenster aus Kunststoff. „Da stand immer der Wind drauf, wir haben sie deshalb vor Jahren ausgetauscht. Doch richtig dicht kriegt man alle Fenster dennoch nicht“, so der Abteivorsteher. Dass es hier zugig zuging, kann man sich gut vorstellen. Zwei nackte Lampenbirnen hängen von der Decke, auf dem Boden Reste von Linoleum. Unmittelbar mit Betreten des Raums versperrt ein mittelgrau gestrichener, 1,95 Meter hoher und oben offener Holzeinbau den Blick. Acht Meter breit, unterteilt auf beiden Längsseiten in vier jeweils 1,80 breite Schlafzellen.

Über den kleinen rund geschnitzten Eingangsbögen vereinzelt kleine Schildchen: „Br. Sebaldus“ etwa. „Am Eingang war ein Vorhang, der so etwas wie Privatsphäre bot“, erinnert sich Abt Josef Vollberg.  Privatsphäre in einem Saal auf rund 3,5 Quadratmeter: Rechts stand ein jetzt abgebautes auf den Zentimeter genau zwei Meter langes und 85 Zentimeter breites Holzgestell für ein Lattenbett, darauf keine Matratze, eher eine weiche Unterlage und die Decke. Für größere Brüder gab es zwei 2,25 Meter lange Betten in zwei größeren Zellen im Novizenschlafsaal.

An der Stirnseite seiner Schlafzelle im Brüderschlafsaal hatte auch Bruder Sebaldus, in dessen jetzt leeren „Privatraum“ wir gerade sind, eine kleine Holzablage, „etwa für ein Muttergottesbild, eine Kreuz oder ein Weihrauchfässchen“, so Abt Josef. Gegenüber an der Wand zwei, drei schmucklose Kleiderhaken. Vis-a-vis dem Eingang überspannt eine dünne Holzlatte die schmale Breite des Raums von innen nur 1,76 Metern: „Da wurde der Bettbezug tagsüber hochgeklappt, um wenigstens ein bisschen zu lüften“, erinnert sich der Abt. Nach oben ist die Zelle offen – man fühlt sich mit Blick aufs Ganze an Fotos von Flüchtlingsunterkünften in Turnhallen erinnert – nur dass die Mariwalder Schlafzellen noch karger in der Ausstattung sind.

Bis in die 1960er Jahre haben die Brüder in ihren Zellen sogar noch in einem eigenen „Schlafhabit geruht“, so Abt Josef Vollberg: Auch der Schlaf war dem Leben in Jesus geweiht. Profane Nachtkleidung wurde erst danach üblich. Und damit die Ordensgemeinschaft in den drei Schlafsälen keine der Gebetszeiten verpasste – die Vigil, die Erste des Tages, ist um 3 Uhr in der Nacht – „gab es erst ein Lichtsignal, dann eine funkgesteuerte Klingel“, schmunzelt der Abt.

Namensschildchen an einer Schlafzelle.

Auch an das Wecken kann er sich gut erinnern. Er legte 1992 in der Abtei Mariawald die Ewige Profess ab, von 1986 bis 1997 verbrachte er die Nächte im  „Novizenschlafsaal“ nebenan: „Da musste man sich erst dran gewöhnen, aber ich wusste ja, was auf mich zukam“, so Abt Josef. Zum Beispiel, dass auch Mönche schnarchen.

Von den vermutlich Anfang des 20. Jahrhunderts in der Schreinerei der Abtei gezimmerten Schlafzellen, im Brüderschlafsaal alleine 20, aufgeteilt in zwei Blöcke mit jeweils acht und einem mit vier Einheiten, ist heute nur noch der eine 8er-Block erhalten. „Die anderen haben wir, nachdem wir sie nicht mehr brauchten, abgebaut und wohl verschrottet“, vermutet Abt Josef Vollberg. Seit der
Jahrtausendwende hat in der Abtei jeder der aktuell zehn Brüder seine eigene Zelle. Mit Tisch, Bett, Stuhl, Fenster – und alle mit kleiner Heizung.

Der eine Block mit den acht grau gestrichenen Schlafzellen im hohen Raum der Klausur ist so auch ein Relikt und Zeugnis alten Klosterlebens, wie es über Jahrhunderte nicht nur in Mariawald üblich war. Reif für Brennholz? Abt Josef Vollberg zögert: „Man könnte ihn eigentlich auch einfach stehen  lassen. Wir haben sogar noch die Vorhänge für die Zelleneingänge“.

Nachtrag: Zum Jahresende 2018 geben die Trappisten in Mariawald ihr Kloster auf. Nur die Wirtschaftsbetriebe werden weitergeführt.