Und immer Aschermittwoch?

An diesem Wochenende hätten die ersten Sitzungen der Session 2021 begonnen: Karneval. Hätten – wegen Corona abgesagt. Nun müssen die Jecken Trauer tragen, selbst wenn sie alternative Ideen wie die Macher von eifel-karneval-digital.de entwickelt haben. Der Karneval, wie man ihn bis 2020 kannte, das war doch etwas ganz anderes. In diesem Jahr aber keine Sitzung, kein Zoch und keine Nubbelverbrennung. Ein Stimmungsbild aus den Eifelgemeinden im NRW-Kreis Euskirchen.

„Unterm Strich wäre es für uns auch maximal ein Nullsummenspiel geworden. Gar keine Sitzung zu veranstalten, oder eine mit maximal 30 Prozent der Plätze. Aber die ganze Arbeit hätten wir ja trotzdem gehabt.“ Dirk Metz, 1. Vorsitzender der Löstige Bröder in Kall, macht eine wirtschaftliche Rechnung einer möglichen Sitzung unter Corona-Schutzbedingungen auf, und nach der steht für ihn unterm Strich ein dickes Fragezeichen. Einnahmengewinn für den Verein angesichts der Kosten: Null. Karnevalistischer Spaßfaktor: fraglich.

Eigentlich war den Karnevalisten in NRW schon seit Mitte September klar „wohin die Reise gehen wird“.

Man könne zwar noch abwarten, der Vorverkauf finde aufgrund der gewohnt starken Kartennachfrage nur am 1. Sonntag im Januar statt, doch für den Kaller Oberkarnevalisten ist schon seit der Besprechung der Vertreter der Karnevalkomitees aus Aachen, Bonn, Düsseldorf und Köln in der NRW-Staatskanzlei am 18. September des vergangenen Jahres klar, „wohin die Reise wohl gehen wird“.

2019 weihte das FMK das neue „Standquartier“ im Obergeschoss der Alten Volksschule von Mechernich ein. Seit 2013 hatte man zunächst das Erdgeschoss angemietet. Jetzt hat der Verein Platz zum Tagen, Feiern – und einen hellen Proberaum für die Aktiven seiner beiden Garden. Und jetzt das: kein Karneval! FMK-Vorsitzender Albert Meyer (rechts) mit einem Bild der ersten FMK-Tollität, Marcel Hembach, 2. Vorsitzender, mit einer aktuellen Elferratsmütze.

Am Ende war klar und samt förmlichen Vorstandsbeschluss bestätigt: Sitzung und Rosenmontagszug wird es in Kall erst wieder 2022 geben. Der Literat der KG prüfte, ob die bestehenden Verträge mit Garden, Rednern und Showtanzgruppen für die Sitzung 2022 geschoben werden konnten.

„Dann ist das höhere Gewalt“

Wie groß die rechtlichen Risiken sind, wenn Verträge für die ausfallenden Sitzungen der Session 2021 gekündigt werden müssen, das war auch Albert Meyer, Präsident des Festausschuss Mechernicher Karneval, lange Zeit unklar. Dann war er froh über klare Ansagen der Landesregierung in Düsseldorf. Die hat alles untersagt, damit war auch Meyer „aus dem Schneider. Dann ist das höhere Gewalt“.

Also wird es vom Festausschuss Mechernicher Karneval (FMK) keine Sitzung, keinen Kostümball und auch keinen Rosenmontagszug geben. „Wie sollte das auch gehen? Wir hätten schon für 150 Besucher unserer Sitzung aufgrund des Hygienekonzeptes, das noch im vergangenen Herbst gültig war, sogar in die Mechernicher Dreifach—Turnhalle gehen müssen. Ich sage Ihnen, da will dann auch wieder kaum einer dabei sein“, schwante Meyer.

Wenn kein Zoch kütt…. Bild aus dem Veilchendienstagszug in Ripsdorf 2017.

Der Mechernicher Karnevalist hofft nun, dass der FMK die finanziellen Einbußen durch den Sessionsausfall „einigermaßen verkraften kann.“ Das sehe er aber nicht bei allen Vereinen so: „Da sind manche in existenzieller Gefahr. Da wars das dann mit dem Karneval.“

Wie in Mechernich wurde auch beim KV Ripsdorf schließlich im vergangenen Herbst ein Vorstandsbeschluss gefasst, der die Absage aller Karnevalsveranstaltungen offiziell bestätigt. Doppel-Herrensitzung, Damensitzung, Kappensitung wird es in den kommenden Wochen nicht geben, so KV-Präsident Martin Peetz. Vielleicht werde es eine kleine Karnevalsparty für die Aktiven geben, die hatten auch andere Vereine geplant? Selbst das ist derzeit eher unwahrscheinlich.

Um die 2500 Euro schätzt Peetz den wirtschaftlichen Schaden für den KV, „aber das könnten wir verkraften, wir haben in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet.“

Kein „Geisterzug“ in Blankenheim, dabei wäre der unter Corona-Bedingungen besonders „geisterhaft“ gewesen. Foto: KV Blankenheim

Und der Ripsdorfer Zoch am Karnevalsdienstag, dem 16. Februar 2021? Als „Stehender Zug“ an dem die Jecken vorbei flanieren, von den Wagen gibt’s dafür Kamelle und Strüßjer? Diese mittlerweile auch schon nicht mehr erlaubte Variante aus der Karnevalsszene hält Peetz für kurios genug, um daraus einen Mottowagen zu bauen. Für den Zoch 2022.

Ein Zoch der nicht „geht“ – das war auch für Mike Bruins, Präsi des KV Blankenheim unvorstellbar. Das habe nichts mehr mit dem Brauchtum zu tun, ist er überzeugt. In der Ahrquellenstadt wird es in der kommenden Session keinen Rosenmontagszug und keine Karnevalsparty danach in der Weiherhalle geben. Auch der „Karnevalistische Frühschoppen“, Aufgalopp für die Garden aus dem Kreisgebiete und darüber hinaus, ist natürlich gestrichen.

Björn Wassong aus Weyer hatte gerade als „Ne Jeck im Rähn“ seinen Durchbruch auf den Sitzungsbühnen im Rheinland – schon aus geträumt?

Genauso wie der berühmte „Geisterzug“ am Karnevalssamstag, eine der Traditionsveranstaltungen schlechthin, nachgewiesen seit hunderten Jahren. Eine „Springerreihe“ der Mund-Nase-Schutz tragenden „Geister“ mit 1,50 Metern Sicherheitsabstand in der schmalen Ahrstraße, das geht schon aus Platzgründen nicht. Sarkastisch gemeint könnte man sagen: So „geisterhaft“, ohne alle Zuschauer am Wegesrand, wäre der „Geisterzug“ wohl noch nie gewesen.

„Nein, ganz klar!“ antwortet auch Heinz Heimersheim, 1. Vorsitzender der KG Feyaler Jecken Eiserfey auf die Frage, ob der beliebte nächtliche „Lichterzug“ am Karnevalsfreitag, dem 12. Februar 2021, durchs Dorf gehen wird. „Da gibt es keine Diskussion mehr!“

Und auch kein Stippeföttche, hier von der Prinzengarde Zülpich.

Der Karneval macht in diesem Jahr Pause. Das gilt auch für Nettersheim. Miriam Krüger, Vorsitzende der KG Löstige Höndche, ließ schon die Tollitätenkür im November ausfallen, und nun fallen auch die beiden Sitzungen im Dorfsaal weg, zudem der Kinderkarneval. Am Rosenmontag bleiben die Jecken aus dem Gemeindegebiet, Vereine gibt es neben den „Höndche“ noch in Marmagen, Zingsheim und in Engelgau, voraussichtlich friedlich vor sich hinschunkelnd zuhause.

Voraussichtlich! Denn den Phantasie- und Ideenreichtum der Jecken, doch noch die eine oder andere „Lücke“ zu finden, um ihren Karneval zu feiern, solle man bis Aschermittwoch nicht unterschätzen.

Die Großveranstalter machen jetzt schon die Verträge fürs nächste mal – 2022.

Die wiederum, die schon nach den Gesprächen zwischen den rheinischen Karnevalisten und der Staatskanzlei Mitte September eher verzichten sollten, tun dies natürlich auch: Großveranstaltungen wie die „Mädchensitzung“ der Prinzengarde Mechernich sind gestrichen. Schon Jeck sin, lache, Musik mache, geplant am 20. und 21. November des vergangenen Jahres als Sessionsauftakt in der Mechernicher Dreifachturnhalle, fiel ja wegen Corona aus. Guido Meyer vom veranstaltenden Junggesellenverein Satzvey meint, „wenn wir statt der möglichen 1000 nur 400 Besucher am Abend hätten haben dürfen, konnte die Rechnung nicht aufgehen. So billig können die Bands gar nicht spielen.“

„Die Bands“, die teilweise seit Jahrzehnten nach Mechernich zur frühen Sessionssause kommen sind  Brings, Höhner, Bläck Fööss, Paveier, Kasalla, Cat Ballou, Räuber –  die großen Namen aus dem Kölner Karnevals- und Kölschrock-Musikbetrieb. Meyer ist dankbar, dass sie den Junggesellen keine Probleme machten, weil sie ihren Vertrag nicht erfüllen konnten. „Es gibt ja schon neue Verträge. Für 2021 im November stehen die, wir sind eigentlich schon bei 2022“.

Feiern an Tischen, sitzend, durch Plexiglasscheiben von den  anderen Jecken nebenan getrennt – und bitte nicht mitsingen?

Jecke, die an ihren Tischen sitzen müssen, von den Nachbarn vielleicht durch Plexiglasscheiben getrennt, die nicht mitsingen dürfen, höchstens mitklatschen – diese Vorstellung einer Corona-Sitzung ist auch für Jürgen Ruskowski, Geschäftsführer der Vettweißer KG 1938, der Stimmungskiller.

Noch nicht mal das: Sogar die „Nubbelverbrennung“ soll ausfallen. Oder geht da noch was?

Bei der „Hölle von Vettweiß“, die die KG vom 8. bis 15. Januar geplant hatte, geht es allerdings nicht um 2000 sondern um 10.500 Besucher bei fünf Damen- und einer Herrensitzung. 28.000 Tickets hätte man verkaufen können. Voraussichtlicher finanzieller Schaden für die KG alleine durch die Ticketkostenrückerstattung: 300.000 Euro. Auch hier stehen schon die Termine 2022 fest.

Norbert Niebes, Präsi der KG Blau-Weiß Schleiden und Vizepräsident im Regionalverband Düren des Bund Deutscher Karneval (BDK) ist am Ende der Einzige, der anders denkt. „Unsere Garden trainieren, wir machen vielleicht eine kleine Sitzung“, meinte er noch im vergangenen Herbst. Jetzt kennt er die Corona-Schutzverordnung von diesem Januar und muss selbst diese bescheidenen jecken Träume begraben.

Der Karneval geht weiter. „Aber wird es in Zukunft noch der Karneval sein, den wir bis vor Corona kannten?“

Weihnachten und Karneval – das hat es beides immer gegeben. Karneval auch schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. „Stimmt!“, meint Albert Meyer vom Festausschuss Mechernicher Karneval. Doch dann fügt er hinzu: „Aber wird es in Zukunft noch der Karneval sein, den wir bis vor Corona kannten?“

Update: Derweil überlegen auch die organisierten Jecken aus der Eifel, was man noch retten kann. Etwa mit Live-Streaming per Video. Karnevalsmusik aus dem Vereinslokal für die Mini-Sitzung Zuhause. Es ist eine traurige Vorstellung, doch einen echten Jecken kann das nicht schrecken. Die Vereine in der Vulkaneifel gehen voran mit eifel-karneval-digital.de. Und sie sind nicht die Einzigen! Ein Update folgt in  den kommenden Tagen.

Titelbild: Schnappschuss beim Auftritt vom „Jeck im Rähn“ im Vereinshaus in Dahlem.