Getappt, nicht gegangen!

Er sei eigentlich Paartherapeut, meint der Tanzsportlehrer. Das kann ja heiter werden, denkt man, und versucht beim „Discofox-Crashkurs“ erst einmal richtig zu gehen. So fängt ja alles an.

Im Sport- und Gymnastikraum des Familienzentrums stehen also elf Paare, angereist aus dem gesamten Gemeindegebiet von Nettersheim, und erkennen zuerst erstaunt, dass Tanzen anscheinend so etwas wie Nahkampf ist zu rhythmischer Musik. Das jedenfalls muss man wohl schlussfolgern, wenn man einer Untersuchung glauben will, die der Schrittfolgenbeauftragte, Tanzlehrer André Schweers zitiert: Die Art der Bewegungsabläufe beim Tanzen werde nur vom Shaolin-Kung-Fu getoppt. Er, Schweers, nenne sich daher auch „Tanzsportlehrer“. Das sind ja Perspektiven.

Tanzsportlehrer sein hat viel mit Idealismus zu tun, das ist Einem nach dem Disco Fox-Crashkurs klar.

Discofox jedenfalls ist seit Mitte der 1960er Jahre populär. Ein „Social Dance“. Im Unterschied zu den bekannten Standard- und Lateintänzen wie Langsamer Walzer oder Cha-Cha. Und ob Kung Ju oder nicht: Der Tanz soll vor allem doch Vergnügen bereiten. Wer so tanze kann, hatte bei der Erstkontaktaufnahme unter den Geschlechtern über Jahrzehnte Vorteile. Jetzt wissen wir: Es geht eigentlich um nichts Anderes als ein Rendezvous zu drei Rhythmusschritten im Vier-Viertel-Takt. So kompliziert hatte man sich das gar nicht vorgestellt.

Auch Steffi und Hartmut aus Berk, beim Crashkurs bleibt es bei den Vornamen, sind wild entschlossen diesen besonderen „Eignungstest“ zu bestehen: „Wir sind auf einen Geburtstag eingeladen, da wird getanzt; und dann auf einer Party.“ Bis dahin müsse das eben fluppen. „Discofox, der läuft doch überall!“ so Egon aus Blankenheim, stolze 76, und auch als Novize hier.

Das ist der Grundschritt, des Discofox‘ Kern. Von hier aus entwickeln sich gefühlte 500 Drehfiguren, die ganze große Welt des Tanzvergnügens.

Doch jetzt erst einmal aufgestellt: Die Damen links, die Herren rechts und los gegangen. Die Herren vor: links, rechts, links; die Damen zurück: rechts, links, rechts.  Schon falsch, wenn es so gelaufen wäre! „Die Herren machen beim dritten Schritt nur einen Tap, das linke Bein wird dann nicht belastet, die Damen beim dritten das rechte Bein nicht belasten“, befiehlt der Meister der Drehungen. Das ist der Grundschritt, des Discofox‘ Kern. Von hier aus entwickeln sich gefühlte 500 Drehfiguren, die ganze große Welt des Tanzvergnügens.

Hier wird nicht getanzt, sondern gearbeitet.

Man solle sich das mit dem angedeuteten Schritt, dem Tap, so vorstellen, als ob man in dem Moment sein Lieblingshaustier, der Lehrbeauftragte nennt passenderweise keinen Golden Retriever sondern ein Meerschweinchen, unter der Fußspitze habe. Gerade hat man die Bilder wieder aus dem Hirn verbannt, da wird es ernst: Die Herren gehen vor, die Damen zurück. Es wird getappt, und jetzt das Ganze wieder zurück.

Er biete auch Demenztanzen an, und Tanzkurse für Kinder, meint der Mann mit der Schrittfolgen-Expertise unterdessen: „Kinder lernen acht Mal schneller Discofox als Ü-50-Jährige. Ich lebe vom Vergessen Anderer!“ Wirkungstreffer!

Dann werden wir älteren Schrittfolgenvergesser eben wieder wie die Kinder! Jedenfalls ist dieser Grundschritt definitiv nicht aufs leichte Körbchen zu nehmen, um mal den putzigen Namen einer Discofox-Drehfigur ins Spiel zu bringen. Die lernen wir an diesem Abend aber nicht. Wir sind ja nur „Leistungsstufe Null“, so der Fachmann zur Einordnung. Körbchen? Können wir vergessen.

Stattdessen erst mal die richtige Tanzhaltung eingenommen. „Die Hand der Dame liegt auf der des Herrn wie zum Handkuss“, gibt der Profi vor. „Handkuss“ – so romantisch wird hier Unfallprophylaxe umschrieben. Denn es sollen Handgelenksverletzungen bei den zwei (!) Figuren vermieden werden, die wir jetzt lernen. „Die Dame geht, die Dame kommt“, könnte man die Trennung aus dem Handgelenk nennen; „Damensolo“ die zweite. Da wird die Dame ausgedreht, dann dreht sie wieder ein. Spätestens da zeigt sich, wie orthopädisch sinnvoll eine „Handkuss-Tanzhaltung“ sein kann.

Zurück zur Partnerschaftskrise. Die kann, so der Tanzsportlehrer unwidersprochen, durch folgenden Wortwechsel ausgelöst werden: „Du führst ja nicht!“ und „Du lässt Dich ja nicht führen!“ Ja, das kommt vor. Es gilt daher: Hier muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss! Er führt.

Mann ist so frei: Tanzsportlehrer Schweers mit einer Arabeske.

Wie war das noch in der Sektbar….?

„Die Geführte ist aber nur so gut, wie seine Führung“, lässt der Schrittfolgenanleiter ein paar Sekunden zu schnell Männerträume platzen. Tatsache ist aber, dass es beim Discofox im Novizenrund im Familienzentrum gerade nicht überall so harmoniert, wie man es sich wünschen würde. Egal, ob es an ihm liegt, oder an ihr, oder an der Musikauswahl, oder daran, dass die Tanzfläche zu voll war.

Ob am Ende von eineinhalb Stunden Crashkurs mehr gehoppelt als gesprungen, ob locker aus der Hüfte geschwungen oder steif wie ein Lineal im Kreuz gestakst wird, ob heillos mit dem Oberkörper gewackelt oder auf den Fuß des Gegenübers gelatscht:  Am Ende verleiht uns Tanzsportlehrer André Schweers kollektiv die „Tanzreife“.

Mit Blick auf die schiere Tanzwut, zu der Mann oder Frau jetzt fähig sind, denkt man an eine so segensreiche Einrichtung wie die „Sektbar“ im Saal oder im Festzelt. Die hat kennenlerntechnisch sich oft bewährt. Und manche, da muss man ehrlich sein, können mit einem Bierchen intus ohnehin tanzen wie ein junger Gott oder eine Göttin. Auch ohne Crashkurs.

INFO
Das Familienzentrum in Nettersheim bietet auch am 24. April (fast ausgebucht) und am 13. November Discofox-Crashkurse an, zudem Anfänger- und Fortgeschrittenentanzkurse für Standard- und Lateintänze, sowie einen Solo-Tanzkurs für Frauen. Weitere Informationen auf www.nettersheim.de oder in der Programmbroschüre, erhältlich im Naturzentrum und im Rathaus in Zingsheim.