Selten hat sich eine vergessen geglaubte Furcht so schnell wiederbelebt: Der Wolf ist zurück! Jetzt auch in Mützenich in der Eifel. Ein zeitlicher Zufall, doch schon morgen sollen die strengen Naturschutzbestimmungen für den Wolf mit einem Beschluss des Bundeskabinetts abgesenkt werden.
Auch in Deutschland stehen die Wölfe, die sich, etwa aus Polen und dem Baltikum kommend, zuerst in Rudeln auf ostdeutschen ehemaligen Truppenübungsplätzen angesiedelt haben, unter strengem Naturschutz (siehe INFO).
Nun soll nach Abstimmung zwischen Umweltministerium und Landwirtschaftsministerium der Umgang mit Wölfen in Deutschland neu geregelt werden. Bereits am morgigen Mittwoch soll der Kompromiss vom Bundeskabinett beschlossen und dann noch im Sommer dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt werden. Da kommt „Der Wolf von Mützenich“ zufällig gerade recht.
Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass künftig nach Wolfsrissen auch dann Wölfe geschossen werden dürfen, wenn nicht klar ist, welches Tier genau zugebissen hat, und zwar so lange, bis es keine weiteren Risse gibt. Das kann auch bedeuten, dass ein ganzes Rudel geschossen wird, wie es in den Erläuterungen heißt. Allerdings muss jeder Abschuss zuvor von den Landesbehörden genehmigt werden. Sowohl Umweltverbände als auch Jäger und der Bauernverband haben den Entwurf kritisiert.
Darauf weist Ditmar Huckschlag hin. Er ist Luchs- und Wolfbeauftragter bei der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz in Tripstadt.

Huckberg empiehlt die „Wolf-Hotline“ (siehe Info) über die Jeder vermeintliche Wolfsichtungen in Rheinland-Pfalz melden kann. Bei Meldungen werden ehrenamtliche Helfer beauftragt, die an den Ort der „Tat“ fahren. Dort können sie vielleicht aus Wolfskot oder Speichelspuren beim Wildaufriss eine brauchbare DNA ermitteln um festzustellen, ob der Märchenmythos wirklich Beute gemacht hat. In fast 100 Prozent aller „Meldungen“ ist es nicht so.
Der „Mützenicher“ könnte ein Einzelgänger sein, ausgestoßen von einem Rudel, um sich ein eigenes Jagdrevier aufzubauen.
Doch der „Wolf von Mützenich“ existiert. Er könnte etwa von einem Rudel verstoßen worden sein. „Ein- bis zwei Jahre alte Wölfe müssen sich ein eigenes neues Revier suchen, und legen dabei Distanzen von bis zu 1000 Kilometern Luftlinie zurück“, so Huckberg. Der „Mützenicher“ könnte ein Einzelgänger bleiben, weil ein Wolfrevier bis zu 350 Quadratkilometer groß und idealerweise unbesiedelt sein muss. Dieses Habitat-Angebot ist in der Eifel heute eher selten zu finden.
Ludger Kluthausen, Betreiber des „Adler- und Wolfparks“ auf der Kasselburg bei Pelm, sieht die emotionalisierte Diskussion um die Wolfsrückkehr – nebenbei ein Erfolg des Naturschutzes – ebenso wie Huckberg: „Man muss sie versachlichen! Zum Beispiel werden Schäfer finanziell unterstützt, wenn sie Hütehunde anschaffen, die in der Schafherde leben“, so Kluthausen. Wer etwa ein Schaf an den gewohnheitsmäßigen Schalenwildjäger – also Rehe und Hirsche – verliert, bekommt eine Entschädigung.
Der letzte „Eifelwolf“ starb 1860 durch einen Schuss des Grafen von Fürstenberg.
„Wölfe haben grundsätzlich Angst vor dem Menschen. Sie gehen dem Menschen aus dem Weg“, klärt Ludger Kluthausen auf. Ditmar Huckschlag ergänzt: „Bleiben Sie bei einer Wolfsbegegnung ruhig, bewegen Sie sich nicht. Nicht weglaufen. Und vor allem den Hund anleinen.“ Ein solches vis-a-vis ist zwar extrem selten, denn der Wolf meidet den Menschen, wenn er nicht anders sozialisiert wurde – etwa wenn er aus einem Gehege gaugebrochen ist.
Ditmar Huckschlag bittet einfach nur: „Es geht um Respekt vor dem Wolf. Man sollte versuchen, ihn zu verstehen. So, wie er ist.“ Und Ludger Kluthausen glaubt fest daran: „Eine friedliche Koexistenz von Mensch und Wolf ist möglich“. Das sehen geschädigte Viehhalter vermutlich etwas anders.
Jedenfalls: Bevor der „Mützenicher Wolf“ auftauchte, lebte der letzte Wolf in der Eifel bis zum Jahr 1860. Dann starb er eines gewaltsamen Todes durch einen Schuss des Grafen von Fürstenberg in den Wäldern um Gerolstein. Das Exponat ist heute in der Ausstellung des Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz Institut für Biodiversität der Tiere (ZFMK) in Bonn zu sehen.
INFO:
„Wolf-Hotline“ des Landes Rheinland-Pfalz: Tel.: 06306 911 199, E-Mail: wolf@snu.rlp.de
Wie der Wolf derzeit geschützt wird:
Internationales Recht: Wölfe sind sowohl durch das Washingtoner Artenschutzabkommen sowie die Berner Konvention geschützt. Deutschland hat beide Abkommen ratifiziert, so dass diese völkerrechtlich verbindlich sind.
Europäisches Recht: Als EU-Mitgliedsstaat verpflichtet sich Deutschland, die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) umzusetzen und das Schutzgebietnetzwerk Natura 2000 zu etablieren. Der Wolf ist über den Anhang IV der FFH-RL besonders geschützt. Deutschland ist dadurch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Wölfe langfristig einen lebensfähigen Bestand aufbauen können (den sogenannten „guten Erhaltungszustand“).
Deutsches Recht: Die Umsetzung der europäischen Vorgaben erfolgt in Deutschland über das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Wölfe sind im gesamten Bundesgebiet über § 44 BNatschG streng geschützt. Bei Verstößen wird per Anzeige die zuständige Staatsanwaltschaft tätig. Je nach Vergehen sind Strafen von bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug oder hohe Geldbußen möglich. Damit besitzen Wölfe in Deutschland den höchstmöglichen Schutzstatus. Für die Umsetzung der Gesetze sind die Länder zuständig, der Bund kann sie dabei unterstützen. Mit Ausnahme von Sachsen unterliegen Wölfe nicht dem Jagdrecht. In Sachsen ist er jedoch mit einer ganzjährigen Schonzeit belegt. (Quelle: NABU)
Titelbild: Fütterung der Wölfe im Gehege auf der Kasselburg.