Rheinsteigromantik

Eigentlich nur eine „Wiederholungswanderung“ auf der „Königsetappe“ des Rheinsteigs. Doch die  Begeisterung bleibt. Eine schöne, teilweise aufgrund der Ausblicke auch spektakuläre Runde zwischen St. Goarshausen und Kaub mit der Loreley, einem tiefen Tal, dem Klettern vorbei an einem Heiligen und schließlich dem Ziel an einer berühmten Rheinquerung.

Auf dem Rheinsteig von Bonn nach Wiesbaden gilt die Strecke von St. Goarshausen nach Kaub als Königsetappe. Schnell geht es steil aus Goarshausen den Patersberg hinauf zur Burg Katz. Auf dem Boden vor dem unteren Toreingang eine große Plakette: Der Ausblick von hier stromaufwärts über St- Goarshausen und hinüber nach St. Goar gehört zur „Turner-Route“, die Stationen der Rheinreise des Malers aus dem Sommer 1817 folgt. Die Bilder, die Turner damals in seinen Skizzenbüchern zeichnete und später als Aquarelle nach den Vorlagen malte, haben den Begriff der „Rheinromantik“ maßgeblich mitgeprägt.

Einstieg in Goarshausen, auf der Höhe oberhalb der Loreley, nach der Weinlese (zwischen Loreleyplateau und Spitznack), Blick von der Loreley stromaufwärts (von links oben).

Von hier aus geht der Anstieg weiter hoch bis zum Plateau oberhalb des Loreleyfelsens. Das weitläufige Areal mit Sommerrodelbahn, der bekannten Open-Air-Zeltdachbühne, dem „Turnerheim“ von 1928, einem „Mythenweg“ mit den Audio-Erzählungen der verschiedenen „Loreley“-Sagen und dem „Strahlenweg“ zur Felsspitze wird bis 2029 zur Bundesgartenschau im Oberen Mittelrheintal umgebaut. Wer von hier oben aus schon die spektakuläre Aussicht genießt, sollte aber noch rund zwei Kilometer weitergehen, vorbei an der „Rheinsteig Rast“ zur „Felsenkanzel“.

Sie liegt etwas versteckt auf einer leicht ausgesetzten kleinen Felsenstufe unmittelbar neben dem aufragenden schmalgradigen Spitznack. Von hier aus ist der Blick stromaufwärts die Rheinhänge entlang bis nach Oberwesel, stromabwärts in die Loreley-Biegung, der berüchtigten Engstelle voller Untiefen, noch beeindruckender.

Stromabwärts von der Aussichtskanzel über den Spitznack zur Loreley.

Weiter führt die Etappe zunächst zum „Lennig“, einem kleinen Aussicht-Tempelchen auf der Felsenspitze an der tiefen Einkerbung des Urbachtals. Danach geht es einen steilen, alten Weinbergpfad hinab, vorbei an einem ehemaligen Unterstand mit Regenwasserauffangbecken auf dem Dach, bis zur Talsohle.

Das Urbachtal vom Aussichtstempelchen Lennig

Beim anschließenden langen Aufstieg durch den Hangwald zum Roßstein wird der Weg zunehmend pfadiger, bis er schließlich, bei einer steilen Passage aus dem Wald heraus über den Felsen auf der Kante und ins Sonnenlicht führt. Diese letzten Meter sind teilweise zurecht Seil gesichert, eine gewisse Trittsicherheit ist nützlich.

Fast auf der Kuppe des Roßsteins angekommen passiert man am Fels eine unterlebensgroße Statue aus Bronze: Der hl. Christopherus trägt das Christuskind, manche nennen das Ensemble auch nur „Vater mit Kind“. Von hier aus hat man zudem einen schönen Blick auf Oberwesel am jenseitigen Rheinufer, die Schönburg, Liebfrauen- und Martinskirche, die sehenswerte mittelalterliche Befestigungsanlage mit Türmen, Zinnen und anderes mehr.

Auf dem Weg zum Roßstein

Bis hierhin war die Königsetappe des Rheinsteigs ein teilweise kraftrauendes auf und ab, nun wird es deutlich entspannter. Nach Überquerung der Hochebene unterhalb von Weisel, eine ungewohnt offene Perspektive in Richtung Taunus nach den Wanderungen durch die Hangwälder, biegt der Weg wieder zur Hangkante ab, Es geht an alten Trockenmauern entlang, erste Blicke auf die Burg Pfalzgrafenstein im Rhein bei Kaub, wenig später auch auf die Burg Gutenfels oberhalb des Ortes, die Wingerte werden mehr und größer.

Christopherus auf dem Roßstein

Die alte Zollfeste auf einem Felsen im Rhein wurde von Ludwig dem Bayern 1327 und 1328 aus einem Festungsturm, der ausschließlich Zollzwecke diente entwickelt. Kaub und die Festung gehörten seit 1277 zum Herrschaftsbesitz der Wittelsbacher. An der schiffsbugartigen Spitze von Pfalzgrafenstein sind der vergoldete bayerische Löwe, der das Rautenwappen in seinen Klauen hält, angebracht. Heute sind Pfalzgrafenstein neben der Marksburg bei Braubach und der Burg Boppard die einzigen unzerstört erhaltenen mittelalterlichen Festungsbauwerke im UNESCO Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal.

In Höhe Kaub ist der Rhein bei Niedrigwasser extrem flach. Das nutzte während der napoleonischen Befreiungskriege auch der preußische Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher. In der Neujahrsnacht 1814 (eine Vorhut in Nachen) und dann innerhalb von nur fünf Tagen ab dem 2. Januar ließ er auf einer Pontonbrücke rund 50.000 Soldaten, 15.000 Pferde und 182 Geschütze der Schlesischen Armee den Rhein überqueren.

Blick auf Oberwesel vom Roßstein

So drängte er im weiteren Verlauf des Vormarsches die nach der Völkerschlacht bei Leipzig geschwächten napoleonischen Truppen immer weiter zurück. Natürlich gibt es in Kaub ein „Blücher Museum“, auch die guten ersten Logieradressen der preußischen Generalität am einstigen Rheinufer sind noch vorhanden, und eine überlebensgroße Blücherstatue weist energisch mit dem Arm in Richtung Westen, nach Frankreich, das Land Napoleons.

So geschichtssatt am deutschen und europäischen „Schicksalsstrom“ endet die Königsetappe des Rheinsteigs nach sechs Stunden, rund 22 Kilometern und an die 1300 Höhenmetern. Selbst bei der Wiederbegehung lautet das Fazit: So viel Rheinromantik zwischen Loreley und altem Zollgemäuer ist einfach begeisternd.

Burg Gutenfels oberhalb von Kaub und Burg Pfalzgrafenstein im Rhein

Titelbild: Blick vom Roßstein über die Christopherusstatue auf Oberwesel