Jeder Karnevalszoch braucht einen Leiter. In Dahlem heißt er seit 38 Jahren Felix Wawer. Lange genug, meint der 66-Jährige. Am kommenden Karnevalssontag ordnet er die jecken Fußgruppen und Wagen zum letzten Mal.
Schnee, die Sonne lacht: Auch am Teichweg, dem fast tiefsten Punkt von Dahlem, wirkt gerade alles winterlich-friedlich. Felix Wawer steht am Rand und schaut langsam die Straße hinauf, die ziemlich gerade verläuft. An kommenden Karnevalssontag, dem 3. März, wird es um die Mittagszeit mit der stillen Idylle vorbei sein. Stattdessen ein buntes Gewimmel von 19 bunt kostümierten Fußgruppen und dekorierten Wagen, die sich langsam hintereinander aufreihen und auf das Starkommando um 14.11 Uhr warten.
Von ihm, Felix Wawer. Er hat für diesen Moment seit Monaten alles genau vorbereitet. Wie am Bahnhof die Waggons auf dem Schaubild bis zur Spitze. Nur wo dort die Lok, wartet in Dahlem der Musikverein. Wenn dann der Zoch kütt, ist eine gerade Straße auf den ersten Metern wichtig. Ob in Kölns Severinstraße am Rosenmontag, oder in Dahlem am Teichweg, einen Tag zuvor. Felix Wawer weiß das. Er ist der Zochleiter.

Zurück am Tisch in der Küche seines Wohnhauses, blättert der 66-Jährige in einem dicken Aktenordner: „Das sind zwei Jahre“. Anmeldung des Zochs, Versicherungspolicen, TÜV-Abnahme aller Wagen im Zoch, Auflagen der Kreisverwaltung über abzusperrende Zufahrten zum Zugweg, Bereitstellung von vier „Wagenengeln“ pro Festwagen, Verpflichtung von Aktiven der Feuerwehr, einem Team des DRK Dahlem. Die Trierer- und Kölner Straße im Ort sind ja am Karnevalssonntag für ein paar Stunden gesperrt und die Jecken im Zoch und an der Strecke wollen ungestört feiern.
Dass es überhaupt so weit gekommen ist, ist der Fertigstellung der B 51 oberhalb von Dahlem zu verdanken. Bis 1980 floss der ganze Verkehr durch den Ort. Dann war auf einmal Ruhe. Die Gelegenheit, jetzt einen Zoch zu veranstalten? Eine Idee beim Bier im Vereinshaus sei das 1980 gewesen, bevor es 1981 so weit war, erinnert sich Felix Wawer. Er fragte zunächst einen Versicherungsmakler in Dahlem. Einen Zoch versichern? „Unmöglich“, war die Antwort. Und: „Geht einfach vernünftig!“ der Tipp.
„Einer muss es ja machen“, meinte Felix Wawer vor 38 Jahren.
Also dann. Drei am Tresen waren ja wild entschlossen. Georg Janssen-Winkeln konnte malen – also war er für die Dekoration der Wagen zuständig, Peter Schmitz hatte gute Kontakte zum Musikverein für die Musik im ersten Zoch und Felix Wawer, gelernter Tischler, konnte Wagen bauen. Für das Organisatorische nahm er sich noch Günther Blum dazu. In den Dahlemer Nachbarschaften war die Bereitschaft dabei zu sein groß. Sie seien dann einfach losgegangen, erinnert sich der Zochleiter. Mit sieben Gruppen und Wagen, wo es 38 Jahre später ein Dutzend mehr sind.
Wie denn das Amt des Verantwortlichen für das närrische Gewusel durch Dahlem auf ihn gekommen sei? „Na ja“, grinst Felix Wawer“, „Einer muss es ja machen“. 1980, am Tresen im Vereinshaus, so beschlossen.

Ebenso, dass die Zochteilnahme die Jecken nichts kosten sollte und auch kein Verein dahinter stehen. Die KG Dahlem, die heute offizieller Zoch-Veranstalter ist, wurde erst 2002 von Wawer und acht Anderen gegründet. In den 1960er Jahren hatte es im Ort schon einmal einen Karnevalsverein gegeben, der aus finanziellen Gründen scheiterte. Das war für das Trio am Tresen im Vereinshaus 1980 Warnung genug.
Ab 1981 ging stattdessen Einer mit der Spendendose vorneweg, lange Jahre Georg Schmitz. Der Erlös, und das, was an Sponsorengeldern übrig bleibt, werden bis heute im November beim geselligen Abend an die teilnehmenden Aktivengruppen verteilt.

Wieder am Teichweg, der passenderweise am Wohnhaus von Felix und Renate Wawer vorbei führt, hat der Zochleiter fürs Foto die „Dienstkleidung“ mitgenommen. Rote KG-Jacke, die KG-Mütze, Orden. Er hoffe, dass es zum Schluss so bleibt wie in 36 von 38 Jahren zuvor, meint Wawer mit Blick den Teichweg hinauf. Also ohne Probleme. Zweimal war das anders: Einmal löste sich durch einen Windstoß ein stählerner Flügel eines Windrades auf dem Festwagen und krachte nur einen Meter neben Wawer auf den Boden. „Das war mein Schutzengel. Ich bin eben Felix, ‚der Glückliche‘“, meint Wawer.
Glück hatten ein paar Jahre später auch drei Jecken, die durch ein aufgrund der winterlichen Kälte auseinander gehendes Holzgeländer oben auf ihrem Wagen auf die Straße stürzten. Direkt vor einen entgegen kommenden Trekker. Der Fahrer war geistesgegenwärtig und machte eine Vollbremsung. Die Drei blieben unverletzt.

Das ist für den Zochleiter bald alles nur noch Geschichte. Und danach? Das Ehrenamt wird gewissermaßen in der Familie bleiben. Tochter Sarah, aktuelle Prinzessin, ihr Prinz Patrick Lichtenhagen und Sascha Scheiff werden als Trio den Job übernehmen, den sich zuletzt Felix Wawer und Ralf Vogelsberg teilten.
Der wohl Dienstälteste oberste Festzugordner im Südkreis wird dann nicht mehr „fünf bis sechs Mal“ auf dem Weg des jecken Lindwurms durch Dahlem zu Fuß den ganzen Zoch rauf und runter die Kontrollgänge machen, wie in 38 Jahren zuvor. Sondern oben auf einem bunten Wagen mitfeiern können.
Als – nebenbei bemerkt – einiger der seltenen „Doppelprinzen“ im Kreis-Karneval. Regulär war er es in der Session 2016/17 als Felix I. Aber auch – für den nichtsahnenden Wawer völlig überraschend – als besondere Ehrung durch die Vorstandskollegen der KG, deren Präsident er ist, ohne Proklamation auch in der Session 2006/07. Da feierte der Zochleiter von Dahlem schon das 25-jährige Ehrendienstjubiläum.

Die Serie:
Teil 2: Ähzebär und Schelleböumche: Traditionelles im Eifeler Karneval. (18.02.)
Teil 1: Jecke Eifel (11.02.)