Entertainer auf dem Bock

Auch dieser „Sommerjob“ ist eine Entdeckung der Langsamkeit: Horst Steffens aus Höven fährt Planwagen mit dem Zweispänner zwischen Vogelsang und Wollseifen. Das geht zwar gemächlich, doch langweilig wird ihm dabei nie.

Small Talk muss man können! „Nehmen Sie auch Hunde mit?“ Eine mögliche Interessentin ist sich einen Moment unsicher. Ihre beiden belgischen Schäferhunde wirken ebenso. Die Antwort kommt sofort „Hunde und auch schöne Frauen!“ Horst Steffens in dunkler Jacke, dunkler Hose, kariertem Hemd und mit einem sommerlich-weißen Sonnenhut, grinst. Irgendwie erinnert der Aufzug an einen Gondoliere. Nur  nicht in Venedig und auch ohne Boot.

Ein Eimer Wasser nach getaner Arbeit: Horst Steffens gönnt Schimmelstute Kokoline und Wallach Brutus die Erfrischung.

Was der 61-Jährige Spontan-Charmeur stattdessen anbietet ist eine Fahrt im Planwagen. Jetzt, zwei Stunden lang vom „Kulturkino“ in Vogelsang IP zur Wüstung Wollseifen und wieder zurück. Das kann durchaus romantisch werden, wenn der Mann auf dem Bock etwa hinter sich eine  Hochzeitsgesellschaft sitzen hat. Und gemütlich wird es ohnehin bei sechs km/h schnellem Schritttempo der beiden Kaltblüter vor ihm im Geschirr und am Zügel. Außer dem Geklapper der Hufeisen auf dem Asphalt und sanftem Quietschen der Mechanik des Planwagens stört unterwegs nur, was die Fahrgäste von sich geben die Stille. Selbst das kleine Radio, das Steffens vorne mit Musik versorgt, ist dezent leise eingestellt. „Kleine Kinder schlaffen unterwegs einfach ein“, erklärt Steffens  die offenkundig beruhigende Wirkung, die das gleichmäßige Tempo im Planwagen hat.

Den „Meinungssverstärker“ braucht der Kutscher nur selten.

15 Fahrgäste sind gerade zugestiegen. Steffens verriegelt die Einstiegsklappe am Heck, steigt auf den Bock, streift sich die festen Lederhandschuhe über. Die Handbremse wird frei gekurbelt, der rechte Fuß ruht ohne Druck auf der Fußbremse. Ein kurzes Kommando. Schimmelstute Kokoline und Brutus, der Braune aus Irland, starten. Ein entschiedener Ruck. Horst Steffens dirigiert mit sanftem Zügelzug nach rechts. Die griffbereite Kurzpeitsche bleibt im Köcher. „Das ist der Meinungsverstärker“, meint der Mann, der nur „selten“ mal eine so klare Ansprache macht.

Auf der „Niederländer-Bank“ – sieben Fahrgäste vom Kind bis zum Opa aus Nijmwegen sind an Bord – stellt sich nun mit Blick auf die von der Planwagendecke an dicken Schnüren hängenden Flaschenöffner die Frage nach Getränken. „Du trinkst, was Du brauchst, und Du bist ehrlich: 1,20 Euro die Flasche“ meint Steffens von vorne, für den das Duzen der Normalfall ist.

Ale bestens! Die „Niederländer-Bank“ unterwegs im Planwagen.

Das mit dem Kutscher und  Planwagenfahrer sei ja nicht von ungefähr so, fährt er fort, während Kokoline und Brutus gleichmütig von der Straße nach Vogelsang auf den parallel verlaufenden Spazierweg durch den Wald mit Hufeisen-freundlicherem Schotter und Grün abbiegen. Der Vater habe schon in den 1970er Jahren damit begonnen. Der Sohn, gelernter Installateur, betrieb zunächst eine Autoverschrottung, doch das „Pferde-Gen“ hatte er geerbt. Horst Steffens war bis zu einem Unfall 2004 Turnierreiter.

Es war das linke Bein: „Alles an Sehnen und Kapseln kaputt“. 2006 erhielt er die 50-prozentige Berufsunfähigkeit. Da habe er beschlossen, in „die Selbstständigkeit zu gehen“. Drei „Standbeine“ habe er heute: Seit 2006 die Kutschen- und Planwagenfahrten, dazu der Buchladen seiner Frau in Simmerath, schließlich die Vermietung von Ferienwohnungen. Acht Kaltblüter stehen im Stall für Fahrten aller Art: Vom offenen Zweispänner bis zu Sechsspännern etwa bei Rosenmontagszügen.

Für die beiden Kaltblüter ist die „rollende Last“ ein Leichtes.

Vier Planwagen für 20 bis 40 Personen gehören auch zum Fuhrpark. Was gebraucht wird,  kommt aus der Garage neben dem Stall in Höven  auf den Tieflader hinter dem 12-Tonner für die Pferde. Wenn er dann für eine Sonderfahrt gebucht wurde, ist der Ärger bei Steffens mit der Eingabe der Achszahlen im Toll-Collect-Mautsystem vorprogrammiert. Da werde doch die Anfahrt zum Auftraggeber teurer als die Gebühren für die Teilnehmer der Planwagenfahrt selbst, so der Mann, der sich offenkundig am liebsten nicht ärgert, sondern entspannt über den Rücken seiner beiden gutmütigen Kaltblüter auf die Strecke vor ihm schaut.

Mal Kaltblüter streicheln: Alma (links) und Therez Imre aus Köln ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen.

„Rollende Last“ können Kokoline und Brutus, jeweils rund 800 Kilo schwer, bis zum doppelten ihres Körpergewichtes ziehen, aber ruhende nur die Hälfte. Ersteres ist gefragt, auch wenn, so Steffens bereitwillig weiter, „es in den Sommerferien eigentlich gar nicht so viel zu tun gibt“. Dann hätten die Leute genug Alternativen. Doch ansonsten – von April bis Oktober, dann über Weihnachten, bei Gelegenheit auch gerne durch den Schnee – ist die Nachfrage da: „Junggesellenabschiede zum Beispiel nehmen deutlich zu!“

Das  Wichtigste ist jetzt auf Höhe des Parkplatzes Walberhof anderes: Vertrauen. Seines zu den Pferden vor ihm, und umgekehrt. Man hat gerade den Eindruck, dass Kokoline und Brutus vor allen Dingen darauf hoffen, dass ihr Besitzer weiß, was er tut. An ihnen liegt es nicht. Den Weg zur Pausenstation vor der ehemaligen Schule in Wollseifen haben sie offenkundig schon lange verinnerlicht.

Der Planwagen ist im Wesentlichen ein Eigenbau – aber TÜV hat er trotzdem.

Horst Steffens, der so gerne gesprächsbereite Mann auf dem Bock, weist unterdessen darauf hin, dass in 30 Jahren Planwagenfahrt weder sein Vater noch der Sohn mit dem Gefährt einen Unfall hatten. Dabei klopft er mit der behandschuhten Hand aufs Alurohr der Abgitterung zu den Pferden. Aluminium – darauf hatte er damals beim Eigenbau des sieben Meter langen Planwagens ja besonders geachtet. „Ich habe nur an die Pferde gedacht: Je leichter der Wagen wird, umso mehr Passagiere können  sie ziehen“. Also ist aus Eisen nur das, was der TÜV verlangt. Etwa Räder und Deichsel.

Im 30-Plätze-Planwagen, mit dem er gerade unterwegs ist, können aber auch vier Rollstuhlfahrer einsteigen. Die Tischreihe und die Sitzbänke sind unmittelbar hinter der Einstiegstreppe klappbar. Stahlösen im Boden dienen  der Sicherung der Rollis.

Von der „Niederländer-Bank“ kommt unterdessen kurz vor der Rückkehr in Vogelsang spontan ein „Cool und relaxed!“ von Danny Auwens. Dieses so unspektakuläre Vergnügen war an diesem Sommertag genau das Richtige. Im Internet über die Nationalpark-Eifel-Seite gebucht. Alles bestens!

Pünktlich auf die Minute ist Horst Steffens zwei Stunden nach dem Start wieder am Abfahrtspunkt vor Vogelsang IP angekommen. Keine Passagiere warten. Für heute Feierabend? „Nein, jetzt  beginnt die ganze  Arbeit. Verladen, Rückfahrt zum Stall, Abschirren und Waschen der Pferde.“ Was bisher geschah, war ihm schlicht ein Vergnügen.

INFO
In der Region gibt es einige Anbieter für Kutschen- und Planwagenfahrten. Horst Steffens fährt ganzjährig mit den Planwagen. Touren können auch für Fahrten außerhalb der Region gebucht werden.
Tarife:
Erwachsene: Von Vogelsang-Kino nach Wollseifen, Einfache Fahrt 7 Euro, Hin- und Rückfahrt 10 Euro.
Kinder bis zum 12. Lebensjahr (einschließlich) fahren zum halben Preis
Einfache Fahrt 3 Euro, Hin- und Rückfahrt 5 Euro
Familientarif (Eltern mit bis zu drei Kindern bis einschließlich 12 Jahre): 25 Euro
Weitere Informationen unter: Telefon 02472-5369,  0177/4478041, kutsche-steffens.de