Nach dem verheerenden Hochwasser vom Juli 2021, als auch viele kleine und kleinste Eifelbäche über die Ufer traten und alles mitrissen, was sich ihnen in den Weg stellte, ist das Thema ihrer Renaturierung mit Anlage von Ausweichflächen für die Wasserrückhaltung bei Starkregenereignissen auf der Tagesordnung. Drei Beispiele in der Ost-, Nord- und Vulkaneifel zeigen, wie’s geht.
Geht es um den Hochwasserschutz sind bei Verbandsgemeinden, den Städten wie Mayen oder auch in den Kreishäusern in Mayen und Ahrweiler sofort sechsstellige Beträge aufgerufen. Im Stadtgebiet von Mayen etwa wird die Nette und auch der oberhalb zugfließende Eiterbach nun in Teilpassagen renaturiert. Anderes dient her wie anderswo dem technischen Hochwasserschutz: 195.000 Euro kostete ein voluminöser Schwemm- und Treibgutrechen in der Nette am nördlichen Stadtrand, der im vergangenen Herbst verbaut worden ist.
Es sei der „größte im Gebiet der SGD-Nord“, meint Oberbürgermeister Dirk Meid. Ziel der Wassersperre: eine erneute Überschwemmung der unterhalb liegenden Stadtteile von Mayen wie im Juli 2021 verhindern. Im vergangenen Januar stapelten sich an den dicken Rohren in der Nette die Eisplatten.

In der Verbandsgemeinde Gerolstein werden unterdessen aus ähnlichen Gründen die Bachufer schön. Nach der groß angelegten Umgestaltung des Kylluferparks am Verbandsgemeinderathaus in Gerolstein, Parkanlagen an der Kyll in Stadtkyll und in Jünkerath, hat nun auch Hillesheim zwischen Schulkomplex, Stadtmauer und Zentraler Sportanlage der VG auf 950 Metern Bachlauffläche einen neuen Hingucker.

„Das kann man schon vorzeigen!“ Gerald Schmitz, Erster Beigeordneter der Stadt Hillesheim, ist der Lokalpatriotismus gut anzumerken – doch dafür hat er ja auch allen Grund. Jahre lag hoffte die „Krimihauptstadt“ darauf, dass sich auch unterhalb des Altstadthügels und der Reste der mittelalterlichen Stadtmauer entlang des Hillesheimer Bachs was tun würde. Dort war das Fließgewässer begradigt, dichte Uferrandbepflanzung machte das Gebiet auf rund 950 Meter Länge wenig attraktiv.
Erst einige hundert Meter weiter, unterhalb des künstlich angelegten Sees, der den Eingang zum viel besuchten „Bolsdorfer Tälchen“ bildet, war mit einem ersten Bauabschnitt, noch in Trägerschaft der damaligen Verbandsgemeinde Hillesheim finanziert, ein großes Flutpolder mit einem Retentionsvolumen von rund 7000 Kubikmetern entstanden, anschließend der Bach renaturiert, das Bachbett vertieft und weitere Retentionsflächen fürs Gewässer geschaffen worden.

Dass die Idee kein Zufall war, hatte sich dann beim Julihochwasser 2021 gezeigt, als der Hillesheimer Bach im unterhalb gelegenen Bolsdorf am südlichen Taleingang erhebliche Überschwemmungen auslöste. Da war klar: Es musste durch entsprechende Maßnahmen weiterer Wasserdruck aus dem Bach genommen werden. Dafür blieb nur der obere Bachlauf Richtung Hillesheim, unterhalb der Stadtmauer übrig.

Der Hochwasserschutz steht so an erster Stelle des zwei Millionen Euro teuren zweiten Bauabschnittes, der in einjähriger Bauzeit im Oktober 2023 fertiggestellt wurde. Fördermittel dafür und die gleichzeitige „Neumöblierung“ des Umfelds mit Spielgeräten für alle Altersklassen flossen aus den beiden Landesprogrammen „Aktion Blau Plus“ und „Land in Bewegung“, weitere Gelder konnte die Stadt Hillesheim über das LEADER-Programm der EU generieren. Am Ende bliebe für die Stadt als Bauträger rund 246.000 Euro Eigenanteil.
Das Areal am Hillesheimer Bach wurde so zwischen dem Ende der Bebauung unterhalb der Stadtmauer, an der Realschule Plus vorbei bis zum neunen Kunstrasen-Kleinfeldplatz renaturiert, die Ufer von Bewuchs freigeräumt. Das Areal um das Fließgewässer ist zugleich zur neuen Ausweichfläche für den Bach bei Hochwasser geworden. Zwei neue Brücken über den Bach wurden gebaut.
Knapp 24 Kilometer weiter nordwestlich war auch die kleine Berke beim Julihochwasser 2021 ausgeufert und hatte im unterhalb liegenden Berk einige gravierende Schäden angerichtet. Das soll jetzt eher unwahrscheinlich werden, denn in einem kleinen Abschnitt oberhalb des Ortes hat die Berke jetzt ein neues Bett. Auf einer Länge von 240 Metern wurde sie renaturiert. Ein Projekt des EU-Förderprogramms „Life helle Eifeltäler“, das im Kreis Euskirchen von der Biologischen Station betreut wird.

„Jetzt hört man sie wieder plätschern!“ Jens Gelderblom steht am Ufer der Berke, und hört aufmerksam zu. Ein Bach, der über das Geschiebe in seinem Bett fließt. Über kleine Stromschnellen je nach Tiefe und Größe der im Bachbett liegenden Steine, über Kolken, mäandernd mal nach links, mal nach rechts. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, doch hier, auf einer rund 240 Meter langen Strecke, hat die Berke das oberhalb von Berk in den letzten rund 70 Jahren eher selten getan: Sie war stattdessen auf nur rund einen Meter Breite in ein künstliches trapezförmiges Bachbett aus einer Steinstickung in Sohle und an den Ufern eingezwängt.
Das Julihochwasser führte zu einem Sinneswandel.
Da plätscherte nichts, da schoss das Wasser ungebremst bergab in Richtung Kronenburger See. Aus Drainagen in den Uferwiesen wurde das Bächlein zusätzlich gezielt mit Wasser versorgt. So wollte und will man bis heute gewässernahe Wiesen für die Nutzung der Landwirtschaft möglichst schnell entwässern können – wie der Bach aussieht, in den entwässert wird, das hat lange Wenige interessiert. „Seit dem Julihochwasser stellen wir aber einen Sinneswandel bei Vielen fest“, so Marietta Schmitz von der Biologischen Station. „Gewässerrenaturierung wird plötzlich als sinnvoll, auch für den Hochwasserschutz angesehen.“

Gute Voraussetzungen für Maßnahmen innerhalb des EU-Förderprojektes „Life helle Eifeltäler“. Doch dort geht es eigentlich um den Erhalt und Schutz von Lebensräumen zweier Schmetterlingsarten. Der Blauschillernde Feuerfalter wurde auch an der Berke auf einem der NABU-Stiftung gehörenden Wiesenstück am Bachlauf oberhalb von Berk gesichtet. Also beantragte der Naturschutzbund über seine Stiftung „Naturnahes NRW“, dem das Grundstück gehört, die Aufnahme ins Förderprogramm. Ziel: Die Renaturierung der Berke, was dem Feuerfalter nützt – sozusagen nebenbei.
Und da kommen Jens und Katrin Gelderblom aus dem Eifeldorf Zemmer im rheinland-pfälzischen Landkreis Trier-Saarburg ins Spiel. Sie sind seit 30 Jahren auch auf die Renaturierung von Gewässern spezialisiert und haben für ihre Arbeit den diesjährigen Eifel Award erhalten. Ihr Auftrag: Rückverlegung der Berke auf dem NABU-Grund in ihr altes Bett.

Nahe des Waldrands jenseits der Schleidener Straße in Richtung Kreisverkehr nach Udenbreth, Rescheid und Dahlem, ist die Berke eigentlich auch auf dieser Teilstrecke in ihrem bisherigen Bett ein schnurgerader Strich, in den 1950er Jahren in ein künstliches Bett eingezwängt. Doch Jens Gelderblom konnte in alten Karten der Region, etwa des französischen Obert Joseph Tranchot, der zwischen 1801 und 1814 auch die Eifel kartografierte, den alten, wild mäandernden Bachverlauf für seine Neumodellierung des Bachbettes rekonstruieren. Zuvor war eine Vermessung des Geländes erfolgt.
„Die Berke kann wieder spielen“ (Jens Gelderblom)
Und dann wurden die alten, 60 Zentimeter tief im Erdreich verbuddelten Tondrainagen au den ufernahen Wiesenbereichen entfernt und die Modellierung ins Gelände übertragen. Der Bagger hob die vorgesehenen Schleifen für jetzt 240 statt der bisher 190 Meter Streckenlänge aus. Es wurde Geschiebe in verschiedenster Größe und Körnung eingebacht. So entstanden auch kleine Stromschnellen – kurz: „Der Bach kann wieder spielen“, so Jens Gelderblom. Und tritt die nicht mehr einen, sondern jetzt zwei bis 3,50 Meter breite Berke bei Hochwasser über ihre Ufer, kann das Wasser auf bis zu 50 Meter Breite in diesem Bereich besser zurückgehalten werden als zuvor.

Bevor die alte Berke in ihrem begradigten Altbett abgeklemmt und so umgeleitet wurde, war per Elektrobefischung der Fischbesatz gesichert und unterhalb wieder ins Bächlein umgesetzt worden. 58 Bachforellen, bis zu 30 Zentimeter groß, Döbeln, Mühlkoppen, Gründlinge, Elritzen, Bachschmerlen und sogar ein Barsch wurden gefangen.
Das alles sind im Blick auf das eigentliche Förderziel streng genommen zweitrangige „ökosystemare Dienstleistungen“, die für sich genommen nicht förderfähig wären bei „Life helle Eifeltäler“. Doch auch die vier jetzt angelegten Blenker – Tümpel etwa für die Erdkröte – dienen ja dem Arterhalt wie das „Geschiebe“ im Bach, das Unterschlupf für verschiedenste Arten ist.
Zwischen September des vergangenen und Januar dieses Jahres wurde die Berke so für rund 80.000 Euro auf 240 Metern in ihren Ursprungszustand versetzt. Man werde noch Erlen am Ufer anpflanzen, so Jens Gelderblom. Baumbestand am Bachufer ist typisch für Eifelbäche, zudem wird so der Aufbau der Vegetation unterstützt. Er blickt zufrieden auf sein Werk: „Das hier ist eine Referenzstrecke“, ist der „Wasserflüsterer“, wie er in der Fachszene angeblich genannt wird, überzeugt. Auf 240 Metern kann der Blauschillernde Feuerfalter jetzt in Ruhe seine Runden über der wieder wilden Berke drehen. Auch ein Beispiel für das Sprichwort, wonach der Flügelschlag eines Schmetterlings die Welt verändern kann.
EXTRA
„Life helle Eifeltäler“, heißt das von der EU geförderte Naturschutzprojekt im Südteil des Kreises Euskirchen. Ein Budget von 4,6 Millionen Euro steht im Förderzeitraum 2021 bis 2027 zur Verfügung. Oberstes Ziel der verschiedenen Maßnahmen sind der Erhalt und die Förderung des Blauschillernden Feuerfalters und des Goldenen Scheckenfalters. Weitere Ziele sind die Optimierung und Vernetzung der Lebensräume beider Arten. Dafür werden etwa Bäche renaturiert, mitberücksichtigt wird dabei die Wasserrückhaltung in der Landschaft, CO2-Bindung, Erhalt und Aufbau klimaresistenter Waldgesellschaften und die Wiederherstellung der Hydrologie durch den Rückbau von Entwässerungsgräben und Drainagen. Die Redynamisierung von Fließgewässern soll zum Wiederanschluss an die Aue und die Ermöglichung temporärer Überflutungen durch den Rückbau von Verbau und Begradigungen führen. Wer wie an der Berke auch auf seinem Grund Bachläufe hat, die nach den Förderkriterien renaturiert werden könnten, kann sich zur Prüfung eines möglichen Förderantrages an die Biologische Station des Kreises Euskirchen in Nettersheim wenden. Info: http://www.life-helle-eifeltaeler.eu
Titelbild: Derzeit der größte seiner Art im nördlichen Rheinland-Pfalz: Der Schwemmgutrechen in der Nette oberhalb von Mayen soll tiefer liegende Stadteile vor Hochwasser durch Verkeilungen von Treibgut an Brücken schützen.

