51 Jahre nach der Stilllegung der „Oberen Ahrtalbahn“ ist einer der zur Streckeneröffnung 1912 gebauten Bahnhöfe aus dem Jahrzehnte dauernden Verfall zu „neuem Leben“ erwacht. Andreas Kurth betreibt den „Museumsbahnhof Ahütte“ mit Kleinkunst- und Seminarprogramm, Gastronomie und Zimmervermietung in den ehemaligen Dienstwohnungen, sowie „Zeitreisen“ in die Bahnhofsvergangenheit.
Nein, ein ausgesprochener Eisenbahnfan sei er eigentlich nicht, meint Andreas Kurth. Und doch hat der gebürtige Kölner, der im Nebengebäude des alten Bahnhofs von Ahütte lebt, sich eine original blaue aus einem Polyester-Baumwolle Mischgewebe bestehende Dienstjacke der einstigen Deutschen Bundesbahn (DB) übergestreift. Die trug bis zur Stilllegung der Oberen Ahrtalstrecke 1973 auch der Bahnhofsvorsteher von Ahütte. Und wenn man so will ist Kurth dessen Nachfolger.

Nach langer Suche nach genau einer solchen alten Immobilie, die möglichst viel originale Architektur Innen wie Außen hat und authentisches Mobiliar, war Bahnfan Kurth 2018 auf den wie im Donrnröschenschlaf auf ihn wirkenden Bahnhof am Ortsrand von Ahütte gestoßen. Gebäude und Bahnanlagen stammen noch aus dem Jahr 1912, dem Jahr der Eröffnung der Oberen Ahrtalbahn.
Bis 1973 stand Ahütte an Kilometer 25,5 der Bahnstrecke noch im Dienst. Doch dann war das Gebäude samt Inventar dem Verfall im Prinzip preisgegeben. Es habe noch viele Monate gedauert, bis er die Erbengemeinschaft des Vorbesitzers überzeugt hatte, ihm, dem Kölner in der Vulkaneifel, die Immobilie zu verkaufen, so Kurth. Am Ende punktete er damit, aus dem alten Bahnhof was Neues machen zu wollen: „den neuen Treffpunkt fürs Dorf“.
„Wäre auch noch das Dach undicht gewesen, hätte ich es wohl gelassen“
Bis dahin, das war ihm schnell klar, würde er „einen hohen sechsstelligen Eurobetrag“ investieren müssen, denn was alt war, war nicht immer gut genug für die neue Nutzung. Das sei kein einfacher Weg gewesen, meint Kurth im Rückblick, während er sich aus dem alten Schrank im einstigen Dienstzimmer des Bahnhofsvorstehers eine kleine schwarze Trillerpfeife an der Kordel nimmt. Ein Original, wie sehr vieles im Museumsbahnhof. Vieles sogar noch aus dem Bahnhof in Ahütte. Anderes ist zusammengesucht aber authentisch, frühestens aus den 1970er Jahren. Etwa der Fahrkartenschrank, der aus Thüringen stammt. Dazu kommen Exponate aus der Sammlung der Eisenbahnfreunde Vulkaneifel. Fachlichen Rat für die Möblierung lieferte Manfred Jähnen, anerkannter Eifel-Bahnexperte von den Eisenbahnfreunden Jünkerath.




Das einstige Dienstzimmer des Bahnhofsvorstehers mit Blick auf die Gleise (oben); Dienstmütze, Trillerpfeife, Stempel; historische Fahrkarten, nachgedruckt und Blick in den einstigen Weichenstellraum, der heute als Gastraum der Bahnhofsgastronomie genutzt wird.
Im einstigen Dienstzimmer des Bahnhofsvorstehers von Ahütte gibt es so jetzt auch wieder historische Fahrkarten. Kuhrt hat eine Druckerei gefunden, die nach dem ebenfalls im Museumsbahnhof ausgestellten Musterbuch aus der bundesdeutschen Nachkriegszeit die kleinen schmalen Papptickets nachdrucken kann. Die Karten hängen jetzt – wie einst – im Fahrkartenschrank sauber geordnet in dichter Reihe auf dem Stapel: Kinder, Erwachsene, nur Hinfahrt, Hin und zurück, mit Zuschlag – alles für den Schaffner einst leicht an aufgedruckten Farbstreifen zu unterscheiden. Mit dem Fahrkartenlocher wurden die Billets dann entwertet: Knips, ein Loch in der Pappe, gute Fahrt!
Im Raum der Waage für die Güterabfertigung ist heute die Küche.
Ob hier im ehemaligen Dienstzimmer mit der großen Fensterscheibe zwecks Kontrolle des Treibens auf Gleis 1 und Gleis 2, es sind auch noch rund 50 Metzer Schienen verlegt, ob im Stellwerk nebenan mit einem noch erhaltenen Weichenstellhebel und dem Kurbeltelefon an der Wand, so viel Bahnhofsambiente hätte man hier, wo kein Zug mehr hält, nicht erwartet. Der einstige Betriebsraum mit den Weichenstellhebeln dient heute als Gastraum der Bahnhofsgastronomie. In der über ein paar Stufen erreichbaren, einst baulich vom Hauptgebäude getrennten Güterhalle stehen weitere Tische, im früheren Waagen-Raum wird nun gekocht. Ob diese Raumreihenfolge, ob die Kubatur der Räume und natürlich viele Details sind wie einst. Im heutigen kleinen zweiten Speiseraum der Güterhalle sogar der blaugraue Bodenanstrich.



Das Kurbeltelefon, Teil des einstigen Weichenstellraums, Blick in den vormaligen Wartesaal, der heute für Veranstaltungen genutzt wird.
So macht der Besucher hier in Ahütte eine kleine Zeitreise in die Jahrzehnte, als ein Gepäckstück noch „aufgegeben“ wurde und der Transportpreis nach den Parametern „Wie eilig ist es denn?“, der Entfernung und dem Gewicht per Hand und Taschenrechner ermittelt wurde.

Warten kann man wie Anno dazumal im größten Raum des Museumsbahnhofs, dem Wartesaal, auf den originalen langen Holzbänken mit den geschwungenen Lehnen. Hier jetzt aber auf den Beginn der Veranstaltungen des umfangreichen Kleinkunstprogramms, das Kurth mit seinem Team in kurzer Zeit auf die Beine gestellt hat. Im Obergeschoss schließlich sind die einstigen Dienstwohnungen nun zu sechs Zimmern zur Vermietung umgebaut und bei allem Nostalgiecharme natürlich auf heutigen Komfortstandard modernisiert.
Das alles wäre ohne finanzielle Unterstützung aus Mitteln der Dorferneuerung und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz nicht möglich gewesen, meint Andraes Kurth. Immerhin rund 100.000 Euro kamen so dazu. Es mussten ja auch alle Versorgungsleitungen im Bahnhofsgebäudetrakt erneuert, die Fassade gestrichen und unendlich viel an Kleinigkeiten, die auch mal größere waren, in den Räumen saniert oder teilweise erneuert werden. „Wäre aber das Dach auch noch undicht gewesen, hätte ich es vielleicht ganz gelassen“, erinnert sich Andreas Kuhrt an die Anfangszeit.

Am Bahnhof, an dem kein Zug mehr fährt, wartet seit dem Herbst 2023 jetzt sogar ein originaler roter Schienenbus an Gleis 1. Den „Triebwagen“, wie sie genannt wurden, hat Kurth über einen Schwertransport zum Bahnhof in Ahütte bringen lassen, wo er über die schon verlegten rund 50 Meter Gleisstrecke bis zum Bahnsteig vor dem Bahnhofsgebäude geschoben werden konnte.
Hier ist jetzt die letzte Endstation. Das größte Exponat im Museumbahnhof Ahütte könnte eines Tages zu einem weiteren Ausstellungraum werden.
INFO
Informationen zum Museumsbahnhof, Öffnungszeiten und Veranstaltungen auf www.bahnhofsleben.de
Titelbild: Der restaurierte heutige Museumsbahnhof in Ahütte ist zu einem kleinen Schmuckstück geworden. Der historische Schienenbus komplettiert das Ensemble.

