In der Wildvogelklinik

In Kirchwald im Kreis Mayen-Koblenz gibt es eine der wenigen Wildvogel-Pflegestationen in der Eifel. Doch das Team braucht jetzt selber Hilfe: Mehr Geld und auch mehr Personal.

Grund sind die stark gestiegenen Zahlen der gefiederten Patienten, auch immer mehr kranke oder verletzte Igel werden in Kirchwald betreut. Dazu kommen deutlich höhere Ausgaben für Futter, Medikamente und ein Investitionsstau vor allem bei nötigen neuen Volieren.

2020, das erste Coronajahr, war auch für die Wildvogel-Pflegestation am Ortseingang von Kirchwald ein Horrorjahr. Das Team – derzeit besteht es aus 8 Festangestellten, 3 Mitarbeitenden, die hier ihr Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren und gelegentlichen ehrenamtlichen Helfern – blieb damals zwar von Infektionen verschont. Doch dafür geschahen andere Ereignisse, die in der Summe kurzzeitig zum ersten Aufnahmestopp in der 40-jährigen Geschichte der 1984 von Helga Steffens gegründeten Pflegestation führten.  

Grund war schlicht die schiere Masse: 3935 aus einem Umkreis von bis zu 300 Kilometern nach Kirchwald gebrachte verletzte oder geschwächte Wildvögel, dazu 397 Igel. Da war eine vernünftige Versorgung auf der Intensivstation für die Ersthilfe, bei der Betreuung des UV-beleuchteten kleinen Igelraums und in den Volieren um das Stationsgebäude herum kaum noch möglich.

Der Eingang zur Wildvogel-Pflegestation am Ortseingang von Kirchwald. Hierhin ist der gemeinnützige Verein Anfang 2022 umgezogen.

Dazu kam der Tod der langjährigen Leiterin und Mitgründerin der Station, der Tierärztin Dr. Anja Baronetky-Mercier. Sie sie Herz und Seele gewesen und kümmerte sich um die Einwerbung von Spenden und Sponsorengelder, heißt es im Team, das Constantin Wagner leitet. Vom Mitgliedsbeitrag in Höhe von 20 Euro pro Jahr über den gemeinnützigen Trägerverein, sowie Patenschaften kann die Arbeit nicht alleine finanziert werden. Kurz: Im Frühjahr 2021 stand die Auffangstation, eine von nur 25 vergleichbaren in ganz Deutschland, vor dem finanziellen Ruin.

Vorsicht ist die Mutter eines geschwächten Igels: Mitarbeiterin Heide Teubner mit einem der Patienten im UV-beleuchteten warmen Pflegezimmer der Pflegestation.

Und jetzt scheint sich die vor eineinhalb Jahren dank vieler privater Spenden „zwischen 5 und 500 Euro“, so Teubner, abgewendete Stationsschließung fast zu wiederholen. Zum einen ist die Zahl der Patienten erneut stark gestiegen.

„Derzeit haben wir 243 Tiere hier, täglich werden uns 20 bis 30 Pfleglinge angeliefert“, so Heide Teubner. Im Mai 2022 wurden etwa über 500 Wildtiere, im Juni über 400 zur Pflege gebracht. Das führte am Ende zu einem neuen Krankenstandrekordjahr. Eine Biologin, eine tiermedizinische Assistentin, eine Tierphysiotherapeutin und die Idealisten, die sich das solide Grundwissen in der Praxis angeeignet haben, müssen den Andrang bewältigen.

Die kleine Amsel war aus dem Nest gefallen, von Parasiten befallen und geschwächt. Marine Massier-Pou päppelt sie wieder auf.

Dabei hatte gerade 2022 eigentlich verheißungsvoll begonnen. Im Frühjahr wurde man in die Trägerschaft des gemeinnützigen Bund gegen Missbrauch von Tieren übernommen, seitdem ist die finanzielle Grundausstattung und auch der Mindestlohn für die Festangestellten gesichert. Ebenfalls im Frühjahr bezog man die neue Adresse Auf der Bachhell 1 am Ortseingang von Kirchwald. Dort baute man nicht alles neu, vor allem was schon an Volieren da war, musste reichen.

Doch es reicht eben nicht auf Dauer, und das ist das akuter werdende zweite Problemfeld der Wildvogel-Pflegestation. Es fehlt etwa an einer neuen portablen sogenannten „Silber-Voliere“ für die Auswilderung nach dem besonders tierschonenden „Soft Release“ Verfahren: Über einen Zeitraum von ein bis eineinhalb Wochen werden gesundete Vögel auf die Rückkehr in die Natur vorbereitet. In den ersten Tagen wird sogar noch gefüttert, dann morgens die Voliere geöffnet. In den ersten Tagen kommen noch Wildvögel abends zurück, so Heide Teubner, doch dann bleibt die Voliere leer. 60 Prozent aller gesundeten Wildvögel wurden so etwa 2021 erfolgreich ausgewildert, ein respektabler Wert.

Eine der großen Volieren im Außenbereich der Station. Die Netzbauten müssen gewartet, einige neu gekauft werden.

Nicht nur eine Silber-Voliere, auch eine speziell für Tauben wäre nötig. Die Vogelart gilt als besonders panisch und würde sich in den Maschen einer normalen Voliere verfangen und verletzen. Taubenvolieren sind daher besonders feinmaschig gebaut. Bedarf herrscht zudem an einer zweiten Sauerstoffbox für die Intensivstation, und an den vorhandenen Volieren stehen naturgemäß immer mal wieder Reparaturen an.  Alles in allem geht es um mehrere tausend Euro, glaubt Heide Teubner.

Den Etat belasten zudem die rasant steigenden Futterpreise und die wie überall immer teurer werdenden Kosten für Heizung und Strom für den Stationsbetrieb. Spenden und Sponsorengelder sind da herzlich willkommen.

Man kann die Situation angesichts all dessen aus „Patientensicht“ nur mit der des einzigen Krankenhauses weit und breit vergleichen, das vor der drohenden Schließung steht. Da eine Schließung aber auch keine Alternative ist, haben die Idealisten der Wildvogel-Pflegestation den Ausnahmezustand fast schon zum Normalzustand erklärt. „Es darf im Team aber keiner ausfallen, das wäre dann der zweite Aufnahmestopp“, schwant Heide Teubner. Die Helfer, so viel steht fest, brauchen dringend selber Hilfe. (sli)

INFO
Aufgrund des Umzuges der „alten Station“ in die „neue Station“ muss eine neue Unterbringung für die vielen Igel gebaut werden. Ein Spendenprojekt über Crowdfunding wurde auf betterplace.org angemeldet: https://www.betterplace.org/de/projects/123988 .
Spenden für die Wildvogel-Pflegestation sind über folgende Bankverbindung möglich:
Wildvogel-Pflegestation Kirchwald im Bund gegen Missbrauch von Tieren e.V.
IBAN DE66 5776 1591 0014 5234 00
BIC GENODED1BNA
Volksbank RheinAhrEifel eG
Informationen zur Arbeit der Auffangstation auf: http://www.wpskirchwald.de

Titelbild: Die kleine Amsel war aus dem Nest gefallen, von Parasiten befallen und geschwächt. In der Wildvogel-Pflegestation in Kirchwald wird sie gesundgepflegt.