Der Weg zum Märchenschloss

Der „Osteifelweg“ führt vom Venusbeg oberhalb von Bonn über 117 Kilometer bis an die Mosel. Dazwischen geht es an die Ahr, ins Brohltal, an den Laacher See, über die höchsten Berge der östlichen Vulkaneifel, ins idyllische Monreal und schließlich am Elzbach entlang bis zur Burg Eltz. Und deren Anblick ist ja viele Mühen wert.

Nebliges Halbgrauen: Kopfbuchen im Kottenforst.

Am Anfang steht ein Großkrankenhaus. Um das ausgedehnte Gelände des Universitätsklinikums Bonn auf dem Venusberg herum startet der „Osteifelweg“ mit seinen acht Tagesetappen, die Wandernde mit entsprechender Fitness teilweise auch zusammenlegen können. Der Kottenforst, durch den die gesamte erste Etappe führt, ist definitiv nicht Eifel, sondern Ville. Dieser um die 200 Meter hohe Höhenrücken, der sich einst den römischen Ingenieuren beim Bau der berühmten Freifall-Wasserleitung aus der Eifel nach Köln in den Weg stellte, wurde bekanntlich für den Leitungsbau schlicht großräumig umgangen. Nun geht es mitten durch. Vorbei an seltenen Kopfbuchen, oder entlang einer schönen Reihe alter Ulmen, schließlich hinab zur Burg Gudenau, ein erstes sehenswertes altes Gemäuer, von denen es im weiteren Wegeverlauf noch einige ganz anderen Bekanntheitsgrades zu sehen geben wird.

Start am Universitätsklinikum Bonn (links oben), Die weithin sichtbare weiße Kuppel des Radons und Baumschulen bestimmen das Bild oberhalb von Wachtberg. Bewachsen und vermoost: Wanderschuh-Plastik am Forsthaus Venne im Kottenforst.

Und dann rückt bald mit dem Aufstieg nach Wachtberg, dem Erreichen der Landesgrenze zwischen  Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auf der Höhe, zweierlei in den Blick:  das kugelförmige Radon des Frauenhofer Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik, das Siebengebirge jenseits des Rheintals, und endlose Reihen an Tunnelbauten für Blumen, Kräuter, dazu mit Netzen geschützte Obstbaum-Plantagen. Ein Blütenmeer in Weiß-Rosa in diesem Frühjahr, dazu leuchten den größten Teil des Weitwanderweges über gelb die Rapsfelder.

Eifel beginnt erst nach dem Aufstieg auf den Neuenahrer Berg.

Eifel ist das alles aber noch nicht so richtig. Das ändert sich, je näher man dem nächsten Etappenziel kommt. Der Anstieg hoch zur Landskrone bei Bad Neuenahr hat es in sich. Ganz oben auf dem Aussichtsplateau ist das Geländer verkabelt, kleine Sendeschüsseln sind montiert und Richtung mittleres Ahrtal ausgerichtet. „Freies W-Lan“ verspricht ein Schild. Eine Erinnerung an die ersten Monate nach der Hochwasserkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli 2021. Von hier oben, dem höchsten östlichsten Punkt des Ahrtals, wurde Richtung ahraufwärts mit Satellitenschüsseln auf markanten hohen Bergkuppen ein erstes Netz für den Handyempfang geknüpft.

Die Marienkapelle unterhalb der Ruine Landskron bei Heppingen an der Ahr.

Beim Abstieg erreicht man schnell die Marienkapelle, die viele Autofahrer von der unweit verlaufenden Brücke der A61 kennen: „Oh Maria hilf“ steht weithin sichtbar in großen Lettern an der Fassade des kleinen Gotteshauses im Hang geschrieben. Meist ist die Kapelle geschlossen.

An diesem Tag nicht. Anna, die es gerne bei diesem geänderten Vornamen belassen möchte, ist Ehrenamtlerin in der St.Martin-Kirchengemeinde von Heppingen. Der Weinort liegt am Fuße der Landskrone. Die Küsterin hat den Schlüssel zum Gotteshaus und macht sich an die Arbeit. Sie könne ja nicht täglich das Kapellchen öffnen, dafür fehle ihr die Zeit, „aber ich will es wenigstens jeden Sonntag um 15 Uhr tun.“ Und dann finden vor allem dankbare Wanderernde sogar auf einer Kirchenbank kostenloses Mineralwasser in kleinen Flaschen zum Mitnehmen. Das sei das Geschenk eines  Gönners aus dem Dorf, meint Anna. Und auch das Kräutergärtchen neben der Marienkapelle sei von Ehrenamtlichen angelegt. Dass es unweit der Kapelle auch einen „Kraftort“ mit besonderer Energie gibt, macht einen zwar skeptisch. Aber eine wie Anna gibt es zum Glück noch in vielen Eifeldörfern.

Blick vom Neuenahrer Berg über Bad Neuenahr und Ahrweiler bis zum Siebengebirge.

Tags drauf wird es endlich und sehr entschieden eifelig. Durch Bad Neuenahr, der Kreisstadt sieht man schon im Kurpark entlang der Ahr die Spuren der Hochwasserschäden noch deutlich an, geht es am Stadtrand steil hinauf. Erst eine Straße, dann zum Glück weit gelegte Serpentinen im Wald bis ganz nach oben auf den Neuenahrer Berg und die Stufen im Aussichtsturm. Wie zuvor von der Landskrone hat man erneut die Vogelperspektive auf die Stadt, Teile des Ahrtals, die Höhen jenseits davon und das Rheintal am Horizont.

Das Brohltal und mitten drin – strategisch perfekt ausgewählt – auf einem Bergrücken die Burg Olbrück sind das nächste Ziel. Es geht nun munter bergauf und bergab, oberhalb von Benk das erste Mal über die Gleise der Brohltalbahn („Vulkan Express“), die mit Tempo 20 Kilometer die Stunde von Bad Breisig am Rhein bis nach Engeln hinaufzuckelt. Mehr als 60.000 Fahrgäste pro Jahr finden das Vergnügen auf der Schmalspurstrecke mit bis zu fünf Prozent Steigung spannend und eine willkommene Entdeckung der Langsamkeit.

Barockkreuz oberhalb von Engeln.

Andreas Wildemann ist der „Lukas der Lokomotivführer“ im Leitstand seiner 300 PS starken Diesellok DS, die 1965 mit zwei baugleichen Schwestern eigens für die Brohltal-Eisenbahn gebaut wurde. Zwei Waggons der „1. Klasse“ und vier der „Holzklasse“ zieht seine „Emma“ hinauf und wieder den Berg hinab. „Das ginge zwar auch mit 28 Sachen, aber dann verschleißt das Material einfach zu sehr“, so Wildemann.

In Engeln ist Endstation – für den Wandernden auf dem „Osteifelweg“ in gewisser Weise ebenfalls. Denn aus dem Benker Ortsteil „Fußhölle“ – er heißt wirklich so – geht es statt mit dem Zug auf dem Wanderweg 14 Prozent die Kreisstraße steil hinauf bis zum Engelner Bahnhof. Hauptsache der Bahnhofskiosk ist dann geöffnet.

Danach entschädigt bald der traumhafte Weitblick ins Brohltal mit der Burg Olbrück mittendrin, umgeben von den Höhenzügen der Eifel, Wiesen und Weiden für die Mühen. Ist es jetzt etwa am frühen Morgen, liegt noch der Nebel in den Tälern, die Sonne bricht durch die Wolken und taucht alles in ein weiches erstes Licht.

Wiese vor Monreal, Löwenbrunnen im „Paradies“ der Basilika von Maria Laach, Blick vom Hochstein in die Pellenz.

Am Rodder Maar, kurz vor dem Ende dieser Etappe, kann man mit viel Glück wie unmittelbar nach Ende eines Starkregenschauers ein ganz besonderes Konzert erleben: Hunderte von Fröschen und Kröten stimmen ihre Gesänge an. Ein Geknatter und Gequake um die Wette, das schlagartig verstummt, wenn man den „Akteuren“ zu nahe kommt.

Kinderrechte-Weg oberhalb von Vinxtbach.

Verglichen damit ist es am nächsten Tag am Etappenziel Laacher See: still. Die Fischer werfen von kleinen Booten am Morgen ihre Angeln nach Hecht, Karpfen oder Rotfeder aus. Der See unterhalb des berühmten Klosters mit seiner romanischen Basilika Minor ist ein Beweis für den Vulkanismus in der Osteifel: Am Ostufer steigen Mofetten auf, Kohlesäurebläschen aus dem Erdinnern. Sehenswert ist oberhalb auf der weitläufigen Klosteranlage nicht nur die Klostergärtnerei oder der große Buchladen mit eigener Abteilung für religiöse und spirituelle Texte, sondern auch die Kloster-Bibliothek. Ein Tempel der Bücher aus dem Jahr 1865, der als schönster des Rheinlandes gilt. Eindrucksvoll ist die Eichenholzarchitektur der vielen Galerien und Regale für mehr als 60.000 Bücher. Pater Petrus, Prior Administrator und Bibliothekar, lädt gelegentlich zu Bibliotheksführungen ein. Eine rechtzeitige Buchung ist zu empfehlen.

Schloss Bürresheim im Nettetal.

Die folgenden rund 13 Kilometer von Maria Lach nach Schloss Bürresheim im Nettetal sind von der Länge nicht die größte Einzelstrecke – aber es geht über drei der höchsten Gipfel der Vulkanregion Osteifel. Erst den Hochstein steil hinauf durch schönen Buchenwald zur „Genovevahöhle. Sie ist ungleich weniger bekannt als die große Höhle gleichen Namens am Eifelsteig unterhalb des „Hängebrückentals“ am Butzerbach. Diese „Genovevahöhle“ ist eng mit einer Sage, die auf der Genovevaburg in Mayen entstanden ist, verknüpft.

Auf dem Hochstein ist man zugleich auch auf einem der bekannten „Traumpfade“ in der Osteifel  unterwegs. So werden später der „Monrealer Ritterschlag“ und der „Pyrmonter Felsensteig“ teilweise passiert. Beides immerhin prämierte „Schönste Wanderwege Deutschlands“. Einen anderen, unscheinbaren, Rundweg kreuzt der „Osteifelweg“ im Vinxtbachtal: Der „Kinderrechte-Weg“ mit seinen Erklär-Stationen wurde von der Grundschule Schalkenbach in der Gemeinde Königsfeld angelegt.

Schönes Monreal mit dem Turm der Philippsburg im Hintergrund.

Nach Hochstein, Hochsimmer und Kleiner Simmer geht es schließlich hinab ins Nettetal und zum Schloss Bürresheim. Wer es besichtigen will, zahlt einen moderaten Eintritt. Schloss Bürresheim ist in Besitz des Landes Rheinland-Pfalz – das sorgt für zivile Tarife.

„Teufelskammer“ auf dem „Traumpfad Pyrmonter Felsensteig“.

Mit dem Übergang über die Nette startet tags drauf die drittletzte Etappe des „Osteifelwegs“, und jetzt geht es nach den Strapazen tags zuvor entspannt auf breiten Waldwirtschaftswegen oberhalb des Baches vorbei an den schroff aufragenden Felswänden des ehemaligen Tagebaus zwischen St. Johann und Mayen. Dann liegt im Tal das vormalige „Kloster Helgoland“, heute als Adresse für kostengünstige Mietwohnungen gefragt. Es folgt zwar ein längerer Anstieg durch das Eiterbachtal bis zum „Vulkanpark Waldklettergarten“ bei Kürrenberg auf dem Scheidkopf – doch ab hier geht es bis zum Schluss der letzten Ertappe an der Mosel im Zweifelsfall begab.

Eifel-Idylle: Pyrmonter Mühe, Burg Pyrmont, davor der Rauscher des Elzbaches.

Monreal am Elzbach ist, wenn man von der überragenden Löwenburg auf das 760 -Einwohner Kleinstädtchen hinabblickt, eine Modelleisenbahnkulisse. Die Strecke der Lahn-Eifel-Bahn führt durch den Burgberg, unten im Tal drängen sich die im Wesentlichen aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammenden Häuschen. Drei alte Brücken führen über die Elz im unter Denkmalschutz stehenden alten Ortskern mit den weißen Gefachen und den ochsenblutrot gestrichenen Balken der Fachwerkhäuser. Monreal war 2004 Bundessieger im damaligen Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“. Schön leben und wohnen im „Museumsdorf“ ist das Eine. Wenn Monrealer und Monrealerinnen Arbeit suchen, dann „müssen wir pendeln, Manche sogar bis Frankfurt“, so Ortsführer André Übener.

Erster Hinweis: 15 Kilometer vor dem Ziel haben Unbekannte die Silhouette der Burg Eltz in den Schieferfels geritzt.

Nun steht die „Königsetappe“ auf dem Programm. 20,7 Kilometer lang ist der Weg bis zur Burg Pyrmont. Sieht man sich bei der Routenplanung das Höhenprofil der Strecke an, ist es eine engzackige Huckel-Buckel-Linie, die eher an die Ausschläge eines besonders feinfühligen Seismografen erinnert. Am Elzbach entlang geht es bis zum Ende des „Osteifelweges“ gefühlt unzählige Male male unten am Bach entlang, dann wieder auch steile Pfade hinauf, teilweise ist der Weg dicht am Fels geführt, durch Wald, und ab und zu über wunderschöne Auen- und Bachwiesenlandschaft. Unterwegs werden perfekt restaurierte alte Mühlen passiert, etwa die 400 Jahre alte Geringer Mühle..

Burg Pyrmont ist schließlich leider keinen Besuch wert, da sie in Privatbesitz und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Nach weiteren rund zwei Kilometern erreicht man allerdings die „Pyrmonter Mühle“ am Fuße des Burgberges und neben dem mächtigen Rauscher des Elzbaches. Alles zusammen ist eines der schönsten Fotomotive der Region.

Ja, es kann noch schöner werden, wenn man auf der Schlussetappe des Osteifelweges auf halber Strecke auf das stößt, was sein Besitzer so einfach wie treffend „ein in Stein gebautes Märchen“ bezeichnet. Burg Eltz taucht wie eine Vision unvermittelt hinter einer Ecke eines Höhenweges auf. Die Burg ist sehr wahrscheinlich schon seit 1157 ununterbrochen bewohnt und gilt als eine der schönsten ihrer Art in Deutschland. In 33. Generation führt Dr. Karl Graf zu Eltz das Haus derer zu Eltz, die ihren Stammsitz auf dem solitären Bergsporn mitten im Elzbachtal haben. Seit 1815 ist das Haus zu Eltz alleiniger Besitzer der Burg. Auch die Räume der einstigen selbständigen Häuser Kempenich, Platt-Eltz, Groß- und Klein Rodendorf sowie Rübenach sind seitdem in Eltzschen Besitz.

Unvermutet steht man davor: Burg Eltz.

Die Burg mit ihren geschätzt 100 Zimmern sei immer schon ein „offenes Haas für alle, die sich in friedlicher Absicht nähern“ gewesen, meint der Graf, und der Zutritt auch immer kostenpflichtig. Doch seit einiger Zeit sollen Erwachsene 14 Euro berappen für eine Burgführung. Kostenpflichtig ist so auch der Zugang zum „Burg-Café“ an der Burgmauer und zur außerhalb der eigentlichen historischen Räume in der Burg gelegenen Besuchertoilette. Da sagen viele Burgfans schlicht: danke. Und sind verstimmt. Stattdessen kann man zum Beispiel auf der kleinen Kiesinsel in der Elz unterhalb der Burg kostenlos die Sonne genießen. Auch keine schlechte Idee.

Der Burgherr wird seine Gründe für die horrenden Eintrittspreise haben. Muss etwa wie in diesem Jahr auch nur ein kleines Torhaus saniert werden, wird das teuer: Der Denkmalschutz stellt Auflagen, zudem will Graf zu Eltz nur das Beste: „Wenn das gesicherte Wissen der Bauzeit richtig eingesetzt wird, dann gibt es in der Regel keinen unüberwindbaren Konflikt zwischen Original und Denkmal gerecht, sowie stabil und dauerhaft“, ist er überzeugt.

Weg der Stille: Buchenwald oberhalb des Laacher Sees, Rodder Maar mit Burg Olbrück.

Weiter den Elzbach entlang endet die letzte Etappe dieses vielseitigen Weitwanderweges schließlich in Moselkern an der Untermosel. Mit Moseltourismus wie in Cochem, Traben-Trarbach, Bernkastel-Kues oder in den bekannten Weindörfern wie Ürzig, Piesport und Trittenheim hat man hier nicht viel zu tun. Dafür hat das verschlafen wirkende Moselkern, der Ort, an dem der Eifelbach in die Mosel mündet, anderes zu bieten: Das – so behauptet man zumindest selbstbewusst – „älteste erhaltene Rathaus an der Mosel“. Erbaut 1535. Nach 117 Kilometern durch die Osteifel zwischen schönen Tälern, über steile Rampen die Hügel und Berge hinauf, vorbei an sehenswertem altem Gemäuer, ist das doch noch überraschend. Wer einmal ins Rathaus will: Moselkerns Ortsbürgermeister Peter Mayer hält donnerstags zwischen18 und 20 Uhr seine Bürgersprechstunde ab.

Titelbild: Morgenstimmung oberhalb des Brohltals mit Blick auf Burg Olbrück.