Der ewige Weiler

Manchmal glaubt man bestimmte Dinge nicht. Die Eifel war ein eiszeitliches Meer (ja), hier gibt es Wölfe (derzeit aber nur im Gehege) – und Rom! Auf in den „ewigen Weiler“.

„Dir sei vergeben!“ So soll es gewesen sein, als der mit dem Büßerkreuz beladene Pilger sich mühsam auf diese Anhöhe in 585 Metern Höhe geschleppt hatte. Und dort oben den Jesusknaben an der Hand der Muttergottes auf Spaziergang aus der Pfarrkirche im einen Kilometer entfernten Salm vor ihm stand. Denn da habe der Gottessohn dem reuigen Sünder – er hatte einen Mann erschlagen – auf seinem Bußgang den Rest des Weges erlassen. Der Begnadigte ließ sich am Platze nieder, baute eine Hütte und nannte die Stelle des wundersamen Erlebnisses: Rom. Das war ja sein Ziel. Roms Gründungsmythos – nur ohne Romulus und Remus.

14 Einwohner hat Rom. Einmal die Straße hinauf und schon ist man fast an Rom vorbei.

Wie der legendäre Büßer war auch Heidi Back noch nie in Rom. Doch sie ist „Römerin“. Seit 46 Jahren. Neu-Römerin. Rom (Eifel) hat nicht 2,8 Millionen Einwohner sondern 14. Die zählt  Heidi Back schnell aus dem Kopf auf. „Von den Römern war noch keiner in Rom“, da ist sie sich sicher. Und das Angebot einer Weiler-Städte-Partnerschaft von denen unweit des Salmbaches an die am Tiber sei bislang nicht in Betracht gezogen worden. Aber der Fußball – Völker verbindend! Sagen wir es rund heraus: Der Altersdurchschnitt der Römer oberhalb von Birresborn liegt bei Mitte 40, eine „Erste“ kriegt man mittelfristig leider überhaupt nicht zusammen.

Prosaische 7 Kilometer sind es von Birresborn in die „ewige Stadt“, die ein Weiler ist.

Jedenfalls wurde der Hof von Bauer Back 1965 am Rande Roms gegründet. Daneben stehen gerade eine Handvoll Häuser. Es gab ein gutes Dutzend, doch knapp die Hälfte wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört: „Die Alliierten vermuteten hier eine Abhörstation der Wehrmacht“, so Heidi Back. So ist Rom heute noch einmal um einiges kleiner als es schon immer war.

Rom, früher auch „Romerhof“ genannt, ist vermutlich dann doch auf ein ehemaliges Försterhaus der Abtei Prüm zurückzuführen. Erstmals urkundlich erwähnt wurde es 1313 unter dem Namen „Royme“. Hartard, Herr zu Schönecken, hatte damals seinem Burgmann Ludwig von Tholey gestattet, das verpfändete Dorf von dem Ritter Reinhard von Studernheim einzulösen. Die Zugehörigkeit Roms wechselte mehrfach im Laufe der folgenden Jahrhunderte. Der oberhalb entspringende Salmbach wurde als Grenze gezogen: Drüben der Landkreis Daun, hüben der Altkreis Prüm. Bis zur Gebietsreform Mitte der 1970er Jahre.

Heute ist Rom im Landkreis Vulkaneifel und gehört zur Gemeinde Birresborn. Von dort aus führen hier hinauf nicht alle Wege, aber eine buckelige enge Kreisstraße durch den Wald. 1936 wurde Rom ans Stromnetz angeschlossen, 1959 gab es erstmals eine Wasserleitung. Bis dahin nutzten die Römer einen Brunnen oberhalb im Wald.

Nicht Neapel „sehen und sterben“, sondern Rom! Wenn man schnell genug hinkuckt, bevor man am Weiler schon wieder vorbei gefahren ist. „Vor vielen Jahren hab ich mal ‘ne Kiste Bier gewonnen weil ich behauptet hab‘, dass ich in 20 Minuten nach Rom fahre“, erinnert sich der Römer Josef Paul.

„Wir hatten eine Frau, die wollte zu uns zur Sattelprobe kommen. Das wäre aber kompliziert, den Sattel erst ins Flugzeug zu verladen, meine sie“, lacht Lisa Niederprüm. Zusammen mit ihrer Schwester Jana betreibt sie seit Februar 2017 ein Angebot für „Therapeutisches Reiten“ und die Hundeschule „Ready To Run“. Die „Rising Sun Ranch“ ist unmittelbar am ältesten noch erhaltenen Gebäude von Rom, das keinen Triumphbogen hat und auch keinen Petersdom. Nein, sie müsse ja nicht erst nach Italien, sondern nur in die Eifel kommen, an den Ortsrand von Rom, habe sie der Kundin gesagt, so Lisa Niederprüm.

„Wollen Sie Weidemilch aus Rom?“ Heidi Back eilt in den Stall des Bauernhofes. 80 Stück Vieh, davon 44 Milchkühe. Man liefert an die Großmolkerei ARLA in Pronsfeld. „Weidemilch aus Rom“ DIE Idee für Selbstvermarktung? Geschenkt. Keine Selbstironie der Römer aus der Eifel – oder ist es doch der sprichwörtliche Stolz der Römer? „In Rom soll mal Einer gewohnt haben, der hieß Papst“, ruft die Römerin noch hinterher. Keine weiteren Fragen mehr.

Rom, Eifel – Karte: Google Maps.